Dafür, dass es sich vor allem um einen Informationsfilm handelt, hat Marc Wiese der Dokumentarist, ihn recht spannend und eindrücklich gemacht.
Ein Aufklärungsfilm über nordkoreanische Gefangenenlager, deren Existenz der Weltöffentlichkeit längst bekannt ist. Der Film untermauert dieses Wissen. Wobei der Beweis aus dem Weltall längst hätte erbracht werden können. Das Bild von Google-Earth von Camp 14 hätte Wiese allerdings etwas deutlicher und präziser in seinem Film platzieren können.
Das Sensationelle an diesem Film ist sein Protagonist, Shin Dong-Hyuk. Er ist in diesem Lager geboren und aufgewachsen. Er hat also nur dieses Lager als prägend für sein Leben und nichts anderes kennengelernt. Dreimal täglich die gleiche, zu knappe Ration Essen. Gelegentlich konnten sie in der armseligen Hütte, in der er mit seiner Mutter wohnte, eine Ratte fangen, häuten und samt der weichen Knochen verzehren, das war das einzige Fleisch.
Shin Dong-Hyuk hatte nichts anderes kennen gelernt als die totale Anpasserei. Was das Gesetz im Lager ist, das hat Geltung, auch wenn es bedeutet, die eigene Mutter und den eigenen Bruder, der aus einem Zementwerk abgehauen ist und Fluchtpläne schmiedete, in der Schule zu denunzieren, dafür 7 Monate ins Gefängnis zu kommen, gefoltert zu werden (da bekommt er heute noch eine unsägliche Wut, wenn er unter der Dusche die Narben sieht oder wenn er seine verbogenen Arme und Beine zeigt), dann mit 14 die erste menschlich fürsorgliche Erfahrung mit einem älteren Gefangenen zu machen, dann aus dem Gefängnis frei zu kommen, nur um der Erhängung der eigenen Mutter und der Erschießung des Bruders in einer der häufigen öffentlichen Exekutionen gefühllos, weil es ja seine Richtigkeit hat, beizuwohnen.
Er hatte nichts anderes gelernt, als dass Menschen wegen Kleinigkeiten hingerichtet wurden, eine Schulkameradin, weil sie 4 Weizenkörner geklaut hatte. Es herrschte eine Atmosphäre der Bespitzelung. Er hatte nichts anderes kennen gelernt, als schon mit 5 oder 6 Jahren in einer Kohlenmine zu arbeiten.
Ein neuer Gefangener, der außerhalb des Lagers gelebt hat, erzählte Shin Dong-Hyuk von der Welt draußen, von der er nichts wusste, nichts wissen konnte, nichts wissen durfte. Vor allem die Schilderungen vom Essen, was es dort gebe, faszinierten Shin. So gediehen in ihm Pläne zur Flucht. Er und dieser andere Gefangene nutzten die Arbeit in einem entlegenen Wald, durch den schlecht bewachten Elektrozaun abzuhauen; das heißt, sein Kamerad, der es als erstes versuchte, erhielt einen Stromschlag, blieb hängen, dadurch entstand eine Lücke im Drahtgeflecht und Shin konnte raus und lief und lief und lief.
Er traute seinen Augen kaum, wie er auf eine Straße kam mit Menschen, die bunt gekleidet waren und Karren mit Waren vor sich herschoben. Er glaubte sich im Paradies. Fragte sich nach China durch. Aus Nordkorea abzuhauen war insofern einfach, weil der Grenzfluss zugefroren war und damals noch nicht so gut bewacht.
Jetzt ist Shin in Seoul, wohnt in einer einfachen Behausung. Wiese zeigt ihn oft, wie er kocht, schläft, sich die Zähne putzt, auf einem Treppenabsatz sitzt und einfach erzählt oder die Schmerzen der Erinnerung zu unterdrücken versucht. Er zeigt ihn aber auch als perfekt angepassten Mitspieler bei der amerikanischen Organisation LINK, Freiheit für Nordkorea, für die er in Amerika herumreist oder auch weltweit, wie er bei Regierungsorganisationen auftritt und seine Geschichte immer und immer wieder erzählt. Perfekt angepasst. Denn das Anpassen haben sie gelernt. Insofern ist er auch ein dankbares Objekt für solche Hilfs-Organisationen.
Dennoch hat er Heimweh, denn das Lager hat ihn geprägt, die Gemeinschaft dort, in der sie als Kinder immerhin auch gelacht hätten. Geschockt ist er von der südkoreanischen Zivilisation, weil da alles nur ums Geld geht. Im Lager gab es überhaupt kein Geld. Und auch darüber, wie viele Leute sich hier umbringen. Während das im Lager kaum der Fall war. Das erfahren wir von einem ehemaligen Kommandanten, der das erläutert, die oft recht willkürlichen Hinrichtungen, die seien Teil der Politik, den Menschen Angst zu machen, komischerweise würden sie sich dann das Leben nicht nehmen.
Das ist eine weiteres eingeflochtenes Element in dieser Doku: Interviews mit zwei ehemaligen Lagerarbeitern, einem Kommandanten und einem Aufseher und Folterer. Wie die völlig skrupellos mit diesen Menschen auf Leben und Tod umgegangen seien, denn die Gefangenen seien nichts wert. Töten wollten sie allerdings nur die normalen Kriminellen. Von den politischen Gefangenen wollten sie kein Blut an den Händen, die mussten sich selbst gegenseitig umbringen. Ein ausgezeichneter Zeichner hat außerdem animierte Bilder für diese Doku hergestellt, nach Angaben von Shin, man sieht die beiden anfänglich, wie er zum Beispiel das Lager zeichnet und sich das von Shin vorgeben lässt.
Dann gibt’s noch Impressionen vom heutigen Seoul oder Blicke über die Grenze, ein schwerfälliger Eisenbahnzug, der die Grenzbrücke quert.
August Diehl spricht einfühlsam die Voice-Over von Shin.