Skyfall

James Bond goes selbstreflektiv.

— Achtung, diese Review hat einige (kleine) Spoiler! —

Dieser James-Bond Film startet sozusagen mit stotterndem Motor, in der ersten Phase immer nahe am Absterben. Damit er jeweils wieder in Gang kommt, bedarf es ausführlicher, ruhig in Schuss-Gegenschussmanier fotografierter Dialog-, Analyse- und Testszenen (ob Bond überhaupt noch einsatzfähig ist – ist er nicht!) um ihn dann neu zu starten bis zum nächsten Trudeln. Wer aber nicht aufgibt, wird mit einem filmtraumhaften Count-Down in Schottland belohnt, bei dem die Zeit wie im Fluge vergeht. Diesen Gesamtvorgang signalisiert auch die Erkennungsmelodie, die bei ihrem ersten Einsatz vorne im Film nicht über die erste Tonfolge hinauskommt und erst am Schluss eingespielt wird, als hätte es nie ein Problem gegeben und so überzeugend, dass sie unweigerlich Bond-Filme für weitere 50 Jahre glaubwürdig ankündigt.

Bond ist abgewirtschaftet. Das behaupten jedenfalls die Macher dieses Filmes, Neal Purvis und Robert Wade als Autoren und Sam Mendes als Regisseur in der ersten Sequenz von Skyfall, in der es nach zehn Minuten heißt: Agent getroffen. Dieser Schuss, abgegeben von der ihn schützen sollenden Kollegin Eve auf Befehl von M aus London, beendet einen Zweikampf zwischen Bond und seinem Gegner auf einem fahrenden Zug. Worauf Bond im wörtlichen wie im übertragenen Sinne abtaucht, über einen Wasserfall in die Tiefe, und er in London bald schon für tot erklärt wird, so werde das immer gehandhabt, meint Judi Dench als M trocken. Der Kampf auf dem Zugdach war das Resultat einer Verfolgungsjagd in Istanbul mit Motorrädern über die Marktdächer, die noch in bester Erinnerung sind aus „96 Hours – Taken 2“, wo sie in fast satirischem Action-Zusammenhang eingesetzt wurden.

Bis Bond wieder auftaucht, bis er neu evaluiert wird, bis dann M doch nicht entlassen wird, ist vielleicht eine dreiviertel Stunde vergangen. Allen Einwänden zum Trotz wird Bond für einen Auftrag nach Shanghai geschickt. Die haben nämlich beim britischen Geheimdienst ein großes Problem. Ein Computer-Platte mit allen Original- und Decknamen ihrer Agenten wurde gestohlen. Der Dieb hackt sich außerdem frech in den Computer des Geheimdienstes ein, warnt M ihre Sünden zu bereuen, zeigt eine Karikatur mit ihrem Gesicht, das die Zunge rausstreckt.

So wird denn vielleicht doch noch ein echter Bond aus diesem Film. Ansatzweise wird das als nächstes in Shanghai erfüllt. Verfolgung eines raffinierten Killers, der sich Zugang zu einem Hochhaus verschafft, waghalsige Verfolgung im Aufzug. Erledigung des Killers. Genreüblich gut und gekonnt inszeniert. Bei diesem toten Killer findet sich ein kleiner Jeton einer Spielbank von Macao. Wenn das mal kein Hinweis ist. Und hier endlich, nach etwa einer Filmstunde tritt auch die ersehnt doppelbödige, verführerische Schönheit auf, die droht, den Agenten blind für sein Geschäft zu machen; die Gefahr bestand allerdings bei Sean Connery oder Roger Moore erheblich stärker. Immerhin, jetzt fängt der Bond-Film an Bond-Film zu werden. Nach unseren Gewohnheitsvorstellungen. Diese östliche Schönheit führt unseren Bond, Daniel Craig, direkt zu seinem Gegenspieler. Das ist Javier Bardem als Silva Rodriguez. Der ist nun mit seiner blonden Perücke und seiner süß-dreckigen Lache eine ganz besonders smarte, weiche, durchtriebene, und (wie Bond vermutlich auch) mutterproblemgestörte Figur, die Dinge voraussieht und vorausberechnen und vorausplanen kann, die die Fähigkeiten eines normalen menschlichen Hirnes weit übersteigen, wie beispielsweise bei einer kommenden Verfolgungsjagd in einem Schacht unterhalb der Londoner U-Bahn ein ganzer Zug durch ein eben gebombtes Loch auf Bond herabstürzen und ihn erledigen soll.

Ab Auftritt Silva als Antagonist erhält der Film endlich die nötige Temperatur, die sich bis zum Finale in Schottland, das sich schamlos sogar kriegerischer Elemente bedient, stetig steigert. Und den Film dann doch zu einem ganz einmaligen, intensiven Erlebnis werden lässt. Denn Silva ist nicht irgendwer, der hat auch seine extraordinäre, emotionale Beziehung zu diesem Geheimdienst und zu M. Was dem Bösen in diesem Falle und den Spannungen, die es zu erzeugen vermag, eine zusätzliche Dimension verleiht.

James Bond, selbstreflexiv: einmal sitzt er in einer Gemäldegalerie vor einem Bild von William Turner: neben einem intakten, stolzen Schiff liegt ein Schiffswrack. Was er sehe, fragt ihn der neue Q, das Milchbuben-Greenhorn-Computerhirn, das sich neben ihn gesetzt hat. Zwei Schiffe, meint Bond. Die Selbstreflexion von Bond selbst dürfte sich in Grenzen halten.

Der neue Q. ist längst nicht mehr der Tüftler wie seine Vorgänger, heute spielt sich alles im Computer, im Internet ab. Er stattet Bond für seine neue Mission lediglich mit einer besonderen Pistole und einem kleinen Sender zur Ortung aus. Wobei die Pistole schon beim ersten Kampf in einem Krokodil-Pfuhl verloren geht. So mittellos wurde Bond noch nie ausgestattet.

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