Unterwegs – On The Road

Der brasilianische Regisseur Walter Salles nimmt uns einfühlsam und nah mit auf eine Erkundungsreise zu den Anfängen der amerikanischen Beat-Generation.

Als Reiseführer dient das Drehbuch von José Rivera, der dafür den Kultroman von Jack Kerouac als Grundlage genommen hat. Der Film, der kurze 137 Minuten lang ist, spielt im Zeitraum von etwa 1947 bis 1951 in den Vereinigten Staaten, spielt von New York bis San Francisco, in Obama und Illinois, in Arizona, in Texas und Colorado und sogar in Mexiko.

Das Gefährt, mit dem unsere Protagonisten unterwegs sind, ist eine raumgreifende, spritverschlingende Limousine, die Bonny & Clyde sicher zu anderem als zu poetischen Ergüssen verleitet hätte. Das Wort von Präsident Truman, man solle die Lebenskosten reduzieren, wird von Sal und Dean nicht etwas so verstanden, sie sollen sparsam fahren, nein, sie interpretieren es so, dass man an der Tankstelle auch mal ohne zu bezahlen tankt und dito im Laden einkauft.

Salles und sein Kameramann Éric Gautier haben Rienspaß daran, das Gefährt aus den verschiedensten Positionen ganz plötzlich und in halsbrecherischem Tempo ins Bild fahren und vorbeisausen zu lassen. Sie queren die amerikanische Landschaft in einem Höllentempo, was zu der einen und anderen Busse führt.

Wir haben es jedoch mit einem Road-Movie und nicht mit einen Action-Streifen zu tun. Unsere Reise führt in die Literatur; die ständige Reisebegleitung ist Marcel Proust und unser junge Dichter Kerouac, der hier Sal heißt. Er will ein Buch schreiben, ist emotional in einer schwierigen Position, denn sein Vater ist gestorben. Da trifft er auf Dean, einen jungen Mann mit erlebnishungrigen Augen. Der hat den Vater noch. Aber der ist auch nicht gerade ein Vorbild und hält seinen Sohn für einen Fall für den Psychiater.

So machen sich die beiden Männer auf zu einer Erkundungsreise, die keine touristische ist, sondern die das Leben und seinen Sinn und die Sinnlichkeit sucht. Die jungen Männer platzen schier vor Hunger nach Sinnlichkeit und auch nach Text. Sie sind eine Art Vorläufer der Hippies, sie leben von der Hand in den Mund. Mal arbeitet Sal bei der Baumwollernte mit und Dean kennt keine Hemmung, einen älteren Herrn von hinten zu befriedigen, weil sichs gerade angeboten hat und die Jungs klamm sind.

Eine Jugend in einer Art konstantem Geschwindigkeitsrausch, aber gleichzeitig ruhig und wie erwähnt oft sehr nah aufgenommen. Eine Jugend, die sich fragt, worum sie sich sorgen soll, was ihr was wert sein soll; die trotzdem nicht das Gatsby-Prinzip der Carlessness lebt. Und gelegentlich hat Dean aufwallende Verantwortungsgefühle, will zurück nach Denver, will seinen Vater sehen, sucht seinen Vater. Seine Frau hat ihn, weil er unzuverlässig und leicht ablenkbar ist, rausgeschmissen.

Walter Salles nimmt uns mit auf eine Übung des Sichhineinfühlens in eine andere Zeit, die er uns so vormalt, wie wir sie uns vielleicht immer schon vorgestellt haben, andererseits wiederum viel sinnlicher betrachtet und gemalt, nicht so hart und knallig amerikanisch, nicht sensationslüstern. San Francisco blaustichig aufgenommen, gibt der Stadt eine eigenartige Entrücktheit.

Mit Sam Riley als Sal und mit Garrett Hedlund als Dean hat Salles zwei interessante junge Männer gecastet, wundervoll in ihrer Gegensätzlichkeit, darin, ihre Gefühle zu zeigen oder sie zu verschließen. Und er rückt ihnen ab und an vermutlich mit einer GoPro ganz nah auf die Pelle.

Ein Film, der runterflutscht wie ein guter Wein, den man durchaus auch beißen soll und nicht mit einem Schluck runterkippen, der auch in allen anderen Rollen eine sensibel geführte Besetzung aufzuweisen hat. Der zwar vordergründig und gelegentlich durch die Farbgebung oder das Verschmieren von Glasflächen museal wirken mag.

Dem setzt Salles eine wunderbare Sprechweise der Akteure entgegen, die oft einen dichterischen Rhyhtmus und Klang erlangt, nicht nur, wenn sie Dichtertexte liest. Genau das, dieses gelegentlich fast nur Gurgeln, das macht die Sache frisch, wie ein nicht versiegen wollender Quell, was dem Film eine lange Haltbarkeit garantieren dürfte; wobei seine Erstresonanz vielleicht verhalten ausgefallen sein mag; denn dem Film haftet trotz Marihuana so gar nichts Marktschreierisches, Sensationelles an; er lebt von der Sache, von der Konzentration auf die Sache, die Dichtung und die sie hervorbringende Nachkriegsjugend.

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