Schönheit

Ein Tauchgang ins Land deutscher Schönheitszombies.

Oder ein Spotlight auf Deutsch-Spießers Schönheitsideal und die Opfer, die er dafür zu bringen bereit ist. Einblick in das Bestiarium käuflicher, herbeioperierbarer Schönheit. Ein Horrormovie der nicht unbedingt freiwilligen Art.

Dadurch, dass die Autorin und Regisseurin sich jeglichen Kommentars enthält und lediglich ihren Protagonisten eine Bühne für die Selbstpräsentation freimacht, sind zumindest zwei Lesarten des Filmes möglich.

Zum einen dürfte es für Schönheitsgläubige und Schönheitssehnsüchtige, Schönheitshungrige (der Schönheitsbegriff aus dem Titel wird hier in einer drastisch verengten Auslegung angewandt) eine lehrreiche, informative Lektion sein darüber, was die Schönheitschirurgie am Menschen so verändern kann, was aber dabei auch schief gehen kann. Oder darüber, was ästhetische Chirurgie für Schönheit hält. Zu diesem Zielpublikum kann ich mich nicht zählen.

Zum anderen dürfte es ein schauerlich-gruseliger Trip sein für all jene, für die Schönheit zuerst eine seelische Dimension bedeutet, für die Schönheit nicht ohne Zusammenhang zur Psyche, zum Inneren gedacht werden kann, ein wahrer Schauder- und Horrortrip in die Untiefen menschlichen Handelns sein, dahin, was Menschen alles mit sich machen lassen, um vorgeblich mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Carolin Schmitz, die Autorin und Regisseurin dieser behutsam zusammengestellten Dokumentation überlässt die Wertung ganz dem Betrachter. Auch weitergehende Fragen muss er selber stellen, was Schönheit überhaupt sei, ob einer verkrümmten Seele mit einem Gesichtslifting zu helfen sei.

Carolin Schmitz hat sich in der Welt des Geschäftes mit der Schönheit, mit der operativ herstellbaren Schönheit umgesehen, hat Protagonisten gefunden, die bereit, teils allzu bereit sind, aus ihrem Schönheitsschnippel- und Nähkästchen zu plaudern, es durchaus auch als Werbung, als Product Placement verstehend. Sie stellt oder setzt ihre Protagonisten vor die Kamera und gibt ihnen das Thema vor, über das sie dann vorbereitet aber frei plaudern dürfen. Man könnte von semiinszenierter Dokumentation sprechen. Von mir aus gesehen ein Stück eher makabrer deutscher Realität auf die Leinwand gebracht.

Unter ihren Protagonisten sind nebst diversen Schönheitschirurgen und -chirurginnen ein Vertreter von Eurosilicon, der die Standardpalette der in Deutschland, wie er behauptet, meist verwendeten Implantate präsentiert, ein Chirurg, der Vaginas nach der Geburt wieder in Form bringt, ein Brustimplantaten-Aktivistin, die ein Internetforum zum Thema betreibt und für die das Aufregendste die Treffen mit anderen Brustimplantierten sind, wenn es dann im Café oder Restaurant auf Clo geht, zum gegenseitigen Zeigen, zum „blank Ziehen“, zum Fühlen, Kneten, Quetschen, Anfassen und die Narben Zeigen.

Eine Kaloriendame, die dank Op’s von 168 Kilogramm auf 100 runter gekommen ist in zwei Jahren und die noch diese und jene Korrektur vornehmen will, aber ihr Leben ist nicht mehr so frei wie als Dicke; sie vermittelt auch Freundinnen an eine Schönheitsklinik. Der Leiter eben dieser Klinik schnippelt auch gerne an seiner Frau und seiner Tochter rum und spritzt sich selbst Botox in die Stirn. Er würde eine wunderbare Besetzung abgeben für einen obskuren Doktor in einem Horrorfilm.

Eine Autohändlerin, die sich zu schön ist, Kinder zu kriegen, die gerade viel in ihre Selbständigkeit investiert hat und sich das nicht durch Kinder verderben lassen will. Ihr größtes Vergnügen scheint zu sein, von ihrem Gatten chauffiert im offenen Cabrio durch eine leere Hafenstrasse zu brausen.

Ein Ästhet, der zu seinem Geburtstag für seine Freunde eine Hummerparty veranstaltet, der unverhohlen den Männern den „vollkommen harmlosen“ Oberlid- und Unterlideingriff empfiehlt, der auf dem Weg des Sphinxisierung seines Gesichtes ist und der die Balance zwischen dem Widerspruch von Regelung und Spontaneität sucht.

Was mir nicht ganz einleuchtet, was sich die Produzenten von einem Kino-Release versprechen, ist der Film doch nach der typischen Fernseh-Häppchen-Methode zubereitet, ohne einen Kinospannungsbogen auch nur in Erwägung zu ziehen. Könnte vielleicht im Kino funktionieren für Gruppen, die gerne ablästern über das Etepetetum vornehmlich nicht ganz mittelloser Deutscher Spießer.

Oder können sie den Film im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das ZDF hat mitproduziert, nicht zeigen, weil der Film nur so strotzt vor offenkundiger Werbung?
(BMW-Cabrio, Implantate, Klinik des einen Professors wird namentlich erwähnt, die Reizwäschefotografin mit lange und deutlich zu sehender Webadresse auf ihrem Rücken)

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