Was bleibt mir von diesem Film? Dass er innerhalb des gremienbestimmten, mutlosen, schläfrigen deutschen Subventionskinos sicher eines der feineren Stücke ist. Dass die guten Momente mehr Hans-Christian Schmid und seinem Ensemble aus erstklassigen Subventionsstars zu verdanken sind als dem Buch von Bernd Lange. Dieses will zu deutlich, allerdings nicht ganz so plump wie in „Die Besucher“, einer anderen deutschen, subventionierten Neuproduktion dieses Sommers, eine Familienaufstellung vor uns ausbreiten und uns darlegen, dass diese Verlegersfamilie innerlich kaputt sei.
Einmal mehr glaubt ein deutsches Drehbuch ohne ein spannungserzeugendes Handlungsskelett auskommen zu können, einmal mehr greift es in mehreren Situationen auf die typisch deutschen Drehbuchsätze zurück wie „Was ist denn hier los?“ „Was machst Du hier?“, damit dann erklärt statt gespielt werden kann – gegen diese Sätze bin ich inzwischen allergisch.
Einmal mehr besteht die Handlung aus beliebigem Kochen, mal Kirschkuchen oder Cannelloni, mal aus dem Pressen von frischem Karottensaft, aus Zähneputzen (oder war das gerade in einem anderen deutschen Subventionsprodukt?), aus Kofferpacken und Frühstücksbrötchen holen, aus dem Zubereiten von Crêpes oder dem Verhökern eines Röntgenapparates einer schlecht laufenden Zahnarztpraxis.
Das Drehbuch möchte uns in gesichtslosen Settings eine gesichtslose Upper-Middleclass-Familie filettieren, mit austauschbar-gesichtslosen Texten als Teig zu ein paar Substanzsätzen aufzeigen, wie kaputt die Familie ist, die Mutter mit Depressionen und Medikamentenpflicht – das ist das Ereignis was die Familie erschüttern soll, dass die Mutter die Medikamente absetzt, dass sie eine heiltherapeutische Behandlung sich angedeihen lässt. Der Vater verkauft gerade seinen Verlag – er will mit seiner Freundin, der Frau mit dem bösen Blick aus der „Räuberin“, nach Jordanien verreisen, der jüngere Sohn, Jakob, ist nicht besonders erfolgreich mit seiner Zahnarztpraxis, der ältere, Marco, ist zwar erfolgreich als Autor, aber in der privaten Beziehung schon getrennt von der Partnerin, kommt mit seinem Sohn, einem Buben, nach Hause.
Aus den Dialogen: Iss doch was Richtiges. Was für Kuchen. Ich will lieber ne Brezel. Das ist nett, dass Sie absagen.
Motive und Erzählstränge bei den Sumerern und Assyrern.
Ohne Tabletten (muss ausdiskutiert werden).
Was machst du nun, hast alles organisiert?
Sterilisierst Du Dich gleich mit.
Brauch ich Kalendersprüche, lese ich einfach ein tolles Buch.
Ja, Besteck fehlt draußen noch (dabei wirft Corinna Harfouch einen vollkommen überflüssigen Blick auf den Tisch, oder weiß sie echt nicht mehr, dass sie das Besteck noch nicht aufgelegt hat?).
Ihr lassts ja richtig krachen.
Womit sind die Cannelloni gefüllt?
Du lässt Dich gehen.
Wo ist Gitte?
Soll ich fahren?
(Lauter Sätze, die einen bescheuerten Realismus andeuten sollen).
Lauter bescheuerte Sätze, themenfremd, als Teig zu den paar analysierend und fassadekratzend gemeint Texten.
Wir schreiben jetzt n Zettel, dass sie einfach mal nach Hause kommt.
Wir sollten versuchen, ein bisschen zu schlafen.
Die Pause ist zu Ende, wir versuchens nochmal in die Richtung, die Kette etwas auseinander und los geht’s (die Suchstaffel der Polizei).
Texte, die nicht dazu angetan sind, irgend eine Spannung zu erzeugen oder den Zuschauer mitzunehmen, die dazu geeignet sind, dass der Film den Zuschauer vollkommen kalt lässt (und die Gremien wichsen sich einen ab).
Wo ist jetzt die Taschenlampe (tja, die hat die Requisite wohl nicht ordnungsgemäss bereit gelegt).
Was machst du denn hier?
Was ist das Thema des Filmes?
Was innerhalb des deutschen, gremiengeförderten Filmes immerhin eine Seltenheit ist, und das ist wohl doch mehr der Regie von Hans-Christian Schmid und der guten Qualität der Darsteller zu verdanken: die Familie kommt wirklich als eine Familie rüber, da sind auch die Typen gut ausgewählt. Wobei der Vater doch einen Tic zu laut und zu undifferenziert spricht. Aber das ist interpretierbar, wenns denn Absicht ist, ja nichts aufkommen lassen, was die Fassade zerstören könnte.
Was soll die Szene, wo der Älteste sich mit der Mutter in der Natur unterhält und dann muss er, resp. sie das Auto anschieben, wozu soll das gut sein, so schön der weiße R4 ist, Autonummer SU HX 176. Edeka-Tüte.
Der Mercedes von Verlegers hat die Nummer SU ME 167.
(Immerhin eine Information, die nach Recherche herausfinden lässt, in welcher Himmelsgegend der Film überhaupt spielt, im Rhein-Sieg-Kreis also).
Ab Verschwinden der Mutter wird’s allerdings problematisch. Am problematischsten scheint mir der Traum von der Begegnung mit der Mutter zu sein, den der Älteste bei seiner einsamen Suche hat: so träumt kein Mensch, vielleicht gerade mal einer, dessen ganze Bildung ausschließlich aus deutschen TV-Drehbüchern besteht; was hier geboten wird, ist schlicht schlechtes Theater. Wie denn sowieso die beiden Brüder zusehends mit hängenden Unterkiefern und bedröppelt schuldbewussten Blicken rumlaufen.
Vielleicht ist das Grundübel bei solchen Kinobemühungen, dass sie versuchen aufzuzeigen statt zu ergründen, sie wollen belehren statt einen auf eine Reise, abenteuerlich oder schauerlich, in menschliche Abgründe mitzunehmen. Das mag von den Gremien und wohlwollenden Onkeln und Tanten ein guter Film genannt werden, kinogeil aber ist er nicht. Ein solches Kino doziert die Kaputtheit der Familie, statt dass es sie erforscht, ist mithin ganz schön arrogant. So kann jedoch aus dem Kino keine Abenteuerreise und auch kein Kinoereignis werden. Es hat nichts zu erzählen.
Ein Gedanke zu „Was bleibt“