Einmal mehr ein barock-skurriles Bild der Bayern, das Marcus H. Rosenmüller mit einem Ensemble aus Rosenmüller-Gläubigen, die die herrlichsten Bayern-Fratzen aus sich machen lassen, auf die Leinwand wirft.
Marcus H. Rosenmüller war klug genug, diesmal nicht auch das Buch zu schreiben, konnte es aber offenbar nicht lassen, in das Buch von Jeremy Leven, einem internationalen Drehbuchautor, so kräftig einzugreifen, dass die üblichen Spannungsdurchhänger, wie in vielen seiner letzten Filme, nicht ausbleiben – und vielleicht war ja im Original-Drehbuch auch geistige Schärfe drin, davon ist leider im Endprodukt nichts zu spüren, so dass dieser Aspekt der Sache sehr sehr verstaubt daher kommt im krassen Gegensatz zum Gemälde, das oft skurril, aufregend und schräg ist.
Der Plot böte durchaus Ansatz zu zeitkritischem Scharfblick. Eine Gemeinde auf vielleicht 800 Metern Höhe in Bayern, nennen wir sie Hollerbach, leidet seit längerem unter winterlichem Schneemangel. Der Tod der Dorfhexe, der religiös fanatisierten Daisy, bringt die Hollerbacher auf die Idee, diese heiligsprechen lassen zu wollen, um damit Pilger anzulocken und so das Geschäft anzukurbeln. Ganz neu ist die Idee mit dem Wunder nicht, Polt hat das in der „Kinderdämmerung“ deutlich schärfer benutzt.
In Hollerbach halten sie es mehr mit dem Klamauk, sie wollen hobbyhandwerklich eine hölzerne Marienfigur zum Bluten bringen oder mit einem ziemlich laien- und schülerhaft inszenierten Überfall und anschließender Schießerei mit auferstandenem Polizisten.
Die Visite am Sarg mit der toten Daisy durch den falschen Abgesandten aus Rom entspricht bestenfalls Schülertheater, wobei es bei denen dann doch oft spontaner abläuft und hier durch das Geld, was auch Degeto in die Produktion gepumpt hatte, schwerfälliger daher kommt, schlicht zu langsam und vorhersehbar, als dass sich noch ein spontanes, freies Lachen ergeben könnte. Das ist mit vielen anderen Szenen nicht anders – die Lacher purzeln höchstens raus, als hätten sie Mühe, sich zu lösen, wie Tropfen aus einer schlecht laufenden Nase.
Eine Szene hat mich dann doch erheitert, weil die die Relation zwischen protzig-erstarrter römischer Kirche und dem Leben, was sie explizit doch beschützen will, aberwitzig verbildlicht, und zwar im Vorraum zum Audienzraum vom Papst. Diverse Geistliche warten darauf, empfangen zu werden, da entdeckt einer auf dem Boden einen winzigen Käfer. Vor Entzücken über das kleine Leben, will er ihn retten und ihm durch Öffnen eines Fensters die Freiheit geben. Der Windzug, der dadurch die abgestandene vatikanische Luft durchdringt, wirbelt die schöne Ordnung und viele Aktenblätter durcheinander.
Ganz nett fand ich auch noch den Gag, mit der auf einem Schiff stehend davonfahrenden Leiche von Daisy als Auferstandener, ihr Geist, wenn man so will und wie sie dann wie einsten Absalom am Baum zwar nicht mit den Haaren hängen bleibt, das wäre gewiss noch absurder, sondern durch den Anprall mit einem quer hängenden Baum-Ast ins Wasser fällt – Slapstick mit Heiligenfigur – der Geist war eben nicht Daisy, sondern der muntere schwäbische Kabarettist Maximilian Schafroth – der als Dorflehrer die intelligente Variante der ansonsten dumpfen bayerischen Dorf-Fratzen, die das Gemälde von Rosenmüller bevölkern, verkörpert.
Der Film ist nicht cinésmart erzählt, immer das gut ausgestattete, pralle Bild wollend, die barock-skurrile Filmwelt. Aber die bleibt oft drivelos hängen, führt ein Eigenleben neben unserer Zeit, erinnert an den geistigen Stand von anno dunnemals.
Stärken von Rosenmüller: dass er selbst einen Christian Ulmen nahtlos in sein Fratzenkabinett integriert, wobei Hannelore Elsner, da zeigt sie sich wirklich radikal, sozusagen den Rosenmüller an Fratzenintention noch toppt im Religionswahn ihrer Figur Daisy. Stärke auch, dass Rosenmüller die Leute plappern lässt, wie ihnen der Schnabel gewachsen oder vom Leben oder von der Schauspielschule verbogen worden ist; das würde mich in jedem anderen Film massiv stören, hier wird es durch die Bilderstärke aufgewogen und der Esprit, der bekanntlich sprachabhängig ist, der ist hier eh mau bis nicht vorhanden. Auch die Monokomiker-Show des Vinzenz/Rudolfo-Darstellers Fahri Yardim wird vom Gesamtwerk wunderbar absorbiert, denn auch hinter den Kulissen und in der Postproduktion ist die Rosenmüller-Gemeinde so ziemlich vollzählig versammelt und scheint hier homogen zusammen gearbeitet zu haben.
Man könnte zu eruieren versuchen, warum der Film keine größere Beachtung, und schon gar nicht international, finden dürfte, vielleicht weil Rosenmüller letztlich gar nichts anderes will, als bayerisch dümpelnder Provinz ihr Abbild zu zeigen, die in Ansätzen, vor allem dem bildnerischen, immer wieder Ambition andeuten will, um damit zu sagen, wir könnten viel mehr, aber wir wollen gar nicht die internationale Karriere, wir wollen kein international erfolgreiches deutsch-bayerisches Kino. Wir schmoren lieber im eigenen Saft. Auch zu fragen, warum ein Filmemacher, der so jung schon so stagniert, immer wieder hoch gefördert wird, wobei seine letzten Filme nun nicht gerade Publikumsmagneten waren? Vielleicht weil so einer den Förderern als Abhängiger erhalten bleibt?