Rum Diary

Gravitätisch wie ein Luxuskreuzfahrtschiff bahnt sich dieser Film seinen Weg durch die Geschichte des Journalisten Paul Kemp, nach einem Roman von Hunter S. Thompson.

Johnny Depp spielt ihn, der aus den Staaten kommend in Puerto Rico landet und dort als Reporter bei der Zeitung arbeiten soll. Die erste Begegnung ist die mit dem Rum. Der rötet ihm die Augen, so dass er mit einer Sonnenbrille seine erste Aufwartung in der Redaktion macht. Dem Redaktionschef gegenüber, der die Sonnenbrille rügt, entschuldigt er sich mit der faulsten aller Ausreden: mit medizinischen Gründen.

Kemp soll Berichte schreiben, die die Insel schön darstellen und nicht über Probleme; der Chefredakteur sucht Enthusiasmus und Energie des jungen Reporters für diesen Zweck.

Einen Hinweis auf Schwulität, so dezent wie er in der Zeit, in der die Geschichte spielt, Nixon-Kennedy-Ära, dass sein Vorgänger auf einer Toilette zu Tode vergewaltigt worden sei; ob Kemp eventuell auch „artistisch“ veranlagt sei, fragt ihn der Boss. Der heißt übrigens Lottermann, deutliches Zeichen für den Zustand des serbelnden San Juan Daily.

Es gibt die düstere Figur Moburg, eine richtig schöne Film-Absturzfigur, der noch dazu bei der Zeitung die Ressorts Verbrechen und Religion vertritt.

Jedenfalls ist San Juan nicht so groß, dass ein junger wacher Mann aus den Staaten und Reporter dazu, nicht schnell die richtigen Leute kennen lernen würde. Zum Beispiel den dubiosen Geschäftsmann Sanderson, der die Karibik und das Meer als einen Millionenschatz sieht, der nur gehoben werden muss mit der Errichtung von Urlaubsressorts nach amerikanischem Muster, ohne Kontakt zu Einheimischen, die von dieser Sorte Geschäftsleute eher als Tiere, als schädliche Tiere betrachtet werden denn als Menschen.

Dieser Sanders hat eine Freundin, und die lernt Kemp nachts im Meer kennen, sie taucht wie eine Meerjungfrau aus dem Wasser auf, wie er mit dem Tretboot um eine Party, zu der er nicht zugelassen ist, dümpelt – und wenn man noch über eine schöne rote Corvette aus jener Zeit verfügt, so muss die Geschichte es so lenken, dass die beiden, nachdem Kemp erfahren hat, wer sie ist, in diesem filmschönen Auto eine filmschöne Fahrt über die Insel machen. An solchen Stellen kommt einem der Film selber wie ein synthetisches Urlaubspauschal-Luxusprodukt vor.

Der Zuschauer muss sich nicht groß Gedanken machen. Es wird einem in der Filmsprache alles sehr deutlich, sehr langsam artikuliert. Die bösen Investoren, die den klugen Journalisten für ihre Propaganda einstellen und engagieren wollen. Die Macht des Geldes. Und ein allfällig ausbrechender Gewissenskonflikt bei Kemp. So kann auch schön auf die Behandlung der Einheimischen hingewiesen werden, auf die Vermüllung des Meeres, Verklappung von Giftstoffen und da Johnny Depp hier einen guten Menschen verkörpert, der aus Verzweiflung zum Alkohol gegriffen hat, wird er die richtige Entscheidung treffen.

Ob es allerdings die richtige Entscheidung von Johnny Depp war, diese Rolle anzunehmen, die vom Buch her schon die Figur zwar kaputt, aber ohne Konflikt, ohne brisante, die Karriere hindernde Eigenschaften entwirft, die einfach gut ist und ihm nicht die Möglichkeit gibt, seinen Piratenschalk oder das Mephistophelisches aus Sparrows zu verkaufen, so bleibt er doch eine recht austauschbare Figur, die noch dazu in manchen einfach zu ausführlich inszenierten Szenen etwas ziellos da steht und auf Position ruhig hält und so schaut, wie es gefordert wird, was viele andere auch können.

Kino wie ein alter Straßenkreuzer, mit viel Liebe für Details, aber in der heutigen Zeit eher etwas démodé. Nette Gags: der Redakteur der zum Kumpel von Kemp wird, Sala heißt er, der aber längst aufgegeben hat, in seiner heruntergekommenen Wohnung mit Fernseher: nämlich mit Feldstecher zum TV zu einer schwerhörigen Dame über der Gasse. So eine Sache wird in diesem Film eingeführt, wie ein eigenes Deck auf dem Luxuskreuzer.

Dieser Film versucht sich so zu geben, wie großes amerikanisches Studiokino der Zeit, in der die Geschichte spielt. Episch detailliertes Kino. Ausführlich auch, wie Kemp für den Vertrag für die Bösen erst Vorschuss, Wagen und Wohnung verlangt.
Die Corvette mit ihrem Overdrive, die ist unbestreitbar ein schönes motorerotisches Kinoausstattungsstück.

Ein Film für einen gemütlichen Winterabend in unseren Breiten. Denn politisch ist er in Ordnung. Er klammert brisante Themen, wie rücksichtsloses Investorentätigkeit auf Trauminseln auf Kosten der Einheimischen und der Natur und die ganze Korruption dahinter nicht aus. Aber er trägt es in einer altmodischen Kinosprache vor, in einer Kinosprache, die quasi jeder Szene einen roten Teppich auslegt, die das Beiläufige nicht kennt, die kleine Notiz. Das wirkt momentweise leicht uninspiriert.

Ausführlich, ausgiebig inszeniert: wie Depp dem Moburg seinen Tripper anschauen soll, wie ein Bankettmenü, mehrere Gänge, nämlich mit einem Spiegel, um den ausgewachsenen Tripper zu bestätigen, nur damit Depp und sein Kumpel bestimmte Augentropfen von Mobug erhalten.
Behäbig und unbeweglich wie ein Luxusliner. Aber mit der richtigen Attitüde zur Sache.

Große Filmindustrie-Inszenierung.
Man spielt hier gekonnt und comme-il faut. Das erzählt jeder Schauspieler überdeutlich mit jeder Szene in dieser Inszenierung von Bruce Robinson, der auch das Buch geschrieben hat.

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