Bis zum Horizont, dann links!

Eine feine, runde Ensemblesache ist diese Geschichte von den Senioren, die bei einem kleinen Rundflug die Tante Ju kapern und dann ausgerechnet in Griechenland bruchlanden, was vor dem Hintergrund der Eurokrise nicht ganz ohne Hintersinn ist.

Bernd Böhlich ist der Spiritus Rector, der Autor und Regisseur des Filmes und für das Casting zeichnet Doris Borkmann.

Das Altenheim „Abendstern“. Hier muss sich Otto Sander als Tiedgen ein Zimmer mit Ralf Wolter als Willy Stronz teilen. Anna Maria Mühe ist als Amelie und als Pflegerin gerade so charmant, wie es im Rahmen eines solchen Altenheims nötig ist.

Ein Beispiel dafür, wie trockenhumorig dezent der gewiss nicht gloriose Alltag im Heim „Abendstern“ von Böhlich geschildert wird, ist die Szene, in der Walter irrtümlich die Zähne von Sander aus dem Wasserglas auf dem Nachttischchen sich in den Mund tut. Viel zu groß, findet Sander, der sowieso auf jede Situation mit trocken, sarkastischem Altherrenhumor reagiert.

Angelica Domröse als Anne-Gret Simon ist ein Neuzuzug. Bei ihr wird später eine Rolle spielen, dass ihr Sohn in diplomatischen Diensten arbeitet. Auch Herbert Feuerstein als männliche Hälfte des mehrfach geschiedenen und wieder verheirateten Ehepaares Miesbach ist mit von der Party. Seiner Frau ist vor allem wichtig, für den kleinen Berlinrundflug amtliche Papiere dabei zu haben.

Auch das Thema Altenheim als Endstation wird nicht ausgespart. Und Otto Sander, der eine Polizistenpistole ergattert und erst sich umbringen will, hat, wie er ein Flugzeug am Himmel sieht, die plotentscheidende Idee und wird also beim für den nächsten Tag geplanten Rundflug, die Maschine unter seine Herrschaft bringen. Auch die beiden Piloten, Tilo Prückner als Schlepper und Robert Stadlober als Mittwoch, die nach der ersten Überraschung die Entführung eher vergnügt mitmachen, sind als köstliche Charaktere gezeichnet in wenigen Szenen.

In Wien müssen sie aus Benzinmangel zwischenlanden. Dort wird gerade der russische Präsident erwartet, höchste Sicherheitsstufe und Flugverbot. Aber die Herrschaften im Tower sehen ein, dass die Maschine betankt werden muss und das gibt dem Österreicher Thomas Nash Gelegenheit für einen beherzten Auftritt, er darf nämlich den Proviant, Tafelspitz und Kaiserschmarren und Windeln, zum Flugzeug bringen.

Man könnte hier ohne weiteres alle anderen Schauspieler auch anführen, jeden hat Bernd Böhlich dazu gebracht, individuell zu sein, er hat nicht den Hauch von Routine oder Startum zugelassen. Das gibt so eine Art fast würde ich sagen: Fernsehwohligkeit, Zillehaftigkeit, liebevoll ohne kitschig zu sein, eine respektvolle Haltung zu Figuren und Thema.

Andererseits erinnert mich der Film in seiner Behaglichkeit an Filme aus den 50erJahren, da muss ich noch dahinter kommen, wenn man zum Beispiel an Best Exotic Marigold Hotel denkt, was einfach mit viel größerer Kelle angerührt war oder an „Wenn wir alle zusammenziehen“, wo die Stars viel ungenierter ihr Startum ausleben, so hat das hier auch was Biederbescheidendeutsches. Es ist eine Komposition aus liebevollen Miniaturen, die Böhlich zu einem beschwingten Altenfilm zusammenstellt mit vielen, großartigen Flugaufnahmen von Tante Ju über den Alpen und über dem Mittelmeer.

Der Film verbreitet für mich eine Stimmung, wie sie vielleicht an einem Gemeindenachmittag, wenn er gut verläuft herrscht, hat leicht was Nettes, das niemandem weh tun will, rutscht aber nicht ins Sentimental-Rührselige ab. Vielleicht ein moderner Berlingeist-Artikulationsversuch?

Schöner Spruch bei der Entführung: Die Pflegerin sagt zu Sander, das ist Freiheitsberaubung, worauf er trocken antwortet, „kenn ich seit 8 Jahren“ (so lange ist er nämlich im Seniorenheim).

Die Schweizer Ju-Air, mit einer Junkers Ju-52 Oldtimer Flugzeug, gute Werbung für das Oldtimer-Fluggefährt: www.ju-air.com

Wohlige Kinowärme, ohne halbseiden zu wirken. Herzerwärmend die Rollstuhlmargarete, wie sie in Griechenland am Meer ist und die Augentropfen nicht dabei hat.

Der Titel ist die Antwort auf die Frage nach dem Start in Wien, wo bittschön geht’s nach Griechenland?

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