Woody Allen

Dass diese Dokumentation über Woody Allen vollkommen überraschungsfrei bleibt, ist vielleicht weniger auf die seriös-chronologische Fotoalbum-Filmausschnitt-Interview-Machart des Filmes durch Robert B. Weide zurückzuführen, das dürfte vielmehr am Objekt seines Interesses liegen, dass nämlich Woody Allen ein durch und durch integrer Mensch, Filmmemacher, Musiker ist, dem jegliches Karrieredenken fremd scheint, der andererseits aber auch den ganzen PR- und Interview- und Rote-Teppich-Zirkus widerstandslos-gutmütig mitmacht und über sich ergehen lässt und der durch sein kontinuierliches Arbeiten mit 70 seinen größten Erfolg, ein rundum gelungenes Meisterwerk ablieferte, nämlich „Midnight in Paris“.

Er hat zwar immer davon geträumt, einen solchen oder womöglich größeren Erfolg zu haben, aber er hat seine Kunst nie dahin kalkuliert. Das macht seine Filme so persönlich, so liebenswert, so bedenkenswert. Dass er diesen persönlichen Stil entwickeln konnte, hat auch mit Glück zu tun. Dass er sehr jung schon als Gag-Autor in die schreibende Zunft hineingeraten ist und als er noch keine zwanzig Jahre alt war, damit bereits mehr als seine Eltern verdient hat. Dass er dann von Produzenten fast auf die Bühne, in die Show gezwungen werden musste.

Er hat seine Kunst nie gegen harte Widerstände durchsetzen müssen. Er erweckt nicht den Eindruck eines Kämpfers. Insofern ein Karriere, die keine drehbuchspannenden Konflikte abgeben kann. Weil sein Geist die Dinge betrachtete und das beschrieb, was juckte, kamen Produzenten auf die Idee, ihn um ein Drehbuch zu bitten. Wie er allerdings gesehen hat, dass die das alles nach schlechtem Gusto und vermutlich Markterwartungen verändern, so war für ihn klar, entweder hat er den Zugriff auf alles oder er lässt es bleiben. Da es Produzenten gab, die das erkannt hatten, so konnte er sich zu dem Autorenfilmer entwickeln, als den wir ihn kennen.

Merkwürdig ist allerdings, dass er zwar sieht, dass er alles erreicht hat, wovon er je zu träumen wagte, Filme und Musik machen, schreiben, dass er aber andererseits der Meinung ist, er habe alles vermasselt, auch dass er sich als Clown, als unter dem Fluch des Clowns stehend sieht, verwundert doch etwas – oder eigentlich gar nicht so. Das mit dem Vermasseln erinnert an eine Äusserung von Hannes Wader in der Dokumentation „Wader/Wecker/Vaterland“, der auch meinte, ihm sei nichts so richtig gelungen.

Der Anfang des Filmes lässt ganz kurz eine Weichenstellung erscheinen, die möglicherweise den Film auf eine hochspannende Schiene hätte hieven können. Man sieht Woody Allen in einem Hotelzimmer. Es ist früh morgens. Er schreibt. Er gibt einen kurzen Einblick in seine geistige Werkstatt. Das wäre vielleicht ein Einstieg ins Thema, dem Schreibprozess einen solchen Allround-Künstlers auf die Spur zu kommen. Aber dazu hätte es vermutlich hartnäckigerer Nachfrage bedurft und ganz anderer Fragestellungen als der Autor dieses Filmes im Sinne hatte.

In diesem Film kommen zu Wort: Woody Allen, Letty Aronson, Marshall Brickman, Josh Brolin, Dick Cavett, Penélope ruz, John Cusack, Larry David, Mariel Hemingway, Chalres H. Joffe, ‚Scarlett Johansson, Julie Kavner, Diane Keaton, Nettie Konigsberg, Martin Landau, Louise Lasser, Robert E. Lauder, Eric Lax, Leonard Maltin, Doug McGrath, Sean Penn, Tony Robert, Chris Rock, Jack Rollings, Richard Schickel, Martin Scorsese, Mira Sorvino, Stephen Tenenbaum, Naomi Watts, Fred Weintraub, Dianne Wiest, Gordon Wilis, Owen Wilson.

Es gibt Ausschnitte aus vielen Woody-Allen-Filmen.

Schade, dass Robert B. Weide es bei dieser Doku-Methode belassen hat. Vielleicht hätte man auch dezidierter der Frage nachgehen können, was macht einen Filmintellektuellen aus. Oder vielleicht wäre es spannend gewesen, Leute zu hören, die Einwände gegen Woody Allen haben; Kritiker. Ob er in einem Spannungsfeld im Filmmarkt steht. Oder ein eindringlicherer Blick auf die Entwicklung in seinen Filmen, von den stadtneurotischen Figuren, als er von sich selber ausgegangen ist über die Filme, die er von Frauenpositionen aus geschrieben hat, bis zum Nachholen bildungsbürgerlicher Positionen und bildungsbürgerlichen Wissens in „Midnight in Paris“ oder die Beschäftigung mit dem italienischen Kino in seinem neuesten Film „To Rome with Love“, denn er hat ja Filmschulen, Universitäten kaum von innen gesehen. Schule war ein Horror für ihn. Das kommt in krass überzeichneten Lehrer- und Lehrerinnenfiguren in einigen Filmausschnitten deutlich zum Ausdruck.

Fragen gäbe es sicher noch einige an Woody Allen. Woher diese fast beamtenmässige Arbeitsauffassung kommt, dass er eine Szene womöglich mit einem Take im Kasten haben will, damit er am Abend bald nach Hause gehen kann und dort lieber Sport schaut, als zu drehen. Sind da keine Widersprüche? Wofür macht er überhaupt noch Filme? Sicher werden einem da einige entgegenhalten, „Midnight in Paris“ sei doch Begründung genug. Mag sein. Aber noch ist nicht klar, was seine hervorragendste Eigenschaft im Filmbusiness ist.

Im Moment und auch nach diesem Film scheint er einer der grandiosesten Schauspielerführer zu sein, gerade weil er die Leute machen lässt und nicht unter Perfektionszwang setzt. Das wäre auch ein Kapitel, was man zum Beispiel thematisch gründlicher hätte untersuchen können, vielleicht in Kontext zu anderen Regisseuren setzen. Diese Reportage oder Doku ist scheint mir geeigneter dafür zu sein, am Abend zuhause am Fernsehen gesehen zu werden als im Kino.

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