Tom und Hacke (Filmfest München)

Eine frische, unverbildete bayerische Knabenstimme führt uns gleich zu Beginn, während Schwarz auf der Leinwand uns die Gedanken sammeln lassen soll, in Ort und Zeit und Hauptthema des Geschehens eins: in das Bayern, nach dem Krieg, es herrscht Mangel an allem und der Schwarzmarkt blüht. Dieses Bedürfnis zur Versorgung mit dem Elementarsten, aber auch mit Gütern wie Zigaretten und Kaugummi wird die treibende Kraft für die Geschichte, die Motivation für die meisten Handlungen der Figuren sein. Es geht ums Überleben.

Keine schlechte Voraussetzung also für eine spannende Geschichte. Besonders wenn die Hauptfigur Thomas Sojer, genannt Tom, das bayerische Alias für Tom Sawyer ist, ein Glücksfall von einem pfiffigen, selbstbewussten und mit schönstem, unverdorbenem Dialekt ausgestatten Hauptdarsteller. Ihm zur Seite das Pendant zum Huckleberry Finn, der hier in einem Wohnwagen haust und ein Straßenjunge ist, ein Outsider, zu dem sich Tom hingezogen fühlt.

Tom wohnt bei seiner Tante und deren Sohn, ein ergänzender Gegensatz zum Spitzbuben Tom, dessen Vater im Krieg geblieben ist und dessen Tante mit dem Verkauf von Näharbeiten auf dem Schwarzmarkt das Allernotwendigste für sich und die beiden Buben ergattern kann.

Die Buben sind natürlich frech und neugierig und in der Schule wird Tom eher mit Schlägen gesegnet denn mit Lob. Tom möchte sich auch eine Steinschleuder basteln wie Hacke eine hat, weil damit lässt sich viel anstellen. Dabei macht er allerdings die Nähmaschine seiner Tante kaputt, womit die Versorgungslage in der immer lichtdurchflutet gezeichneten Wohnung prekär wird.

Warzen sind ein Grund für ein Ritual mit einer toten Katze auf dem Friedhof bei Vollmond. Dabei werden die beiden Buben Zeuge einer Untat. Sie schwören per Blutsbrüderschaft, kein Wort darüber zu verlieren. Sie kommen dadurch auch dem florierenden Schwarzhandel von Joe auf die Spur. Da wird es mitunter ganz schön gruselig bis gefährlich, weil der seine Geistertricks hat, um neugierige Buben zu erschrecken. Dadurch wird das zu einer richtigen Buben-Abenteuergeschichte mit nächtlichen Beobachtungen und Verfolgungen, mit dem Eindringen in einen alten Stollen.

Neu in der Klasse taucht ein Mädchen, das wunderbar Gedichte rezitieren kann und neben welches sich Tom setzen muss. Da kann vielleicht mehr draus werden. Jedenfalls liefert er, wie sie für eine Ungezogenheit verdächtigt wird, eine Heldentat, indem er sich als der Schuldige zu erkennen gibt und die Schläge dafür einsteckt.

Der Kriminalfall, der gerichtsrelevant wird, führt allerdings zu einer ernstlichen Entfremdung zwischen den beiden Freunden. Denn Tom setzt das Gesetz der Gerechtigkeit über das der Blutsbrüderschaft.

Das Drehbuch zu dieser sinnigen bayerischen Adaption der amerikanischen Story hat Rudolf Herfurtner klug geschrieben und Norbert Lechner hat eine bedächtige Regie geführt, ganz der bayerischen Landschaft, von der man allerdings nicht so viel sieht, angepasst. Die Vorgänge sind gut nachzuvollziehen, die Geschichte ist viel schlüssiger und zwingender gebaut– durch den Anker mit der Versorgungslage über den Schwarzmarkt – als in jener ebenfalls kürzlich schon im Kino zu sehen gewesenen Tom Sawyer-Produktion. Auch der urwüchsige bayerische Dialekt, speziell von Tom und den Kindern, entwickeln einen unwiderstehlichen Charme und eine dem Film schmeichelnde Natürlichkeit.

Die erwachsenen Darsteller mit ihrer teils ausgestellten, meist gestandenen Professionalität erfüllen ihre Funktionen perfekt im Universum der Buben. Und so ganz nebenbei gibt der Film ein im übrigen immer wundervoll und stimmungsvoll fotografierten Einblick in das Leben in einem bayerischen Städtchen in den ersten Nachkriegsjahren. Ein unaufgeregter Film aus Bayern, der sich sehen lassen kann.

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