Simon

Simon, die Titelfigur, ist ein verträumter Knabe, Literatur und Musik interessieren ihn. Seinen Träumen hängt er in einem Baumhaus auf einer großen alten Eiche nach. Sein Vater, ein Schreiner, würde lieber etwas Lebenstüchtigeres aus ihm machen. Simon darf zur Schule, wenn er dort einen Freund findet. Er freundet sich mit Isaak an, dem Sohn eines jüdischen Buchhändlers aus der Stadt.

Der zweite Weltkrieg bricht aus. Die Juden haben es auch in Schweden schwer. Isaak zieht zu Simon. Und versteht sich bestens mit dem Schreiner und geht ihm zur Hand. Während Simon mit dem Vater von Isaak ins Konzert geht. Verkehrte Väter- oder Söhnewelt. Der Weltkrieg geht vorbei. Isaak will ein Boot bauen. Sein Vater eine Werft kaufen. Simon kommt hinter ein Geheimnis aus seinem Leben. Er wird Archäologie studieren. Die Mutter von Isaak ist schon bei Kriegsausbruch krank geworden.

Simon und Isaak sind jetzt größer und werden von größeren Darstellern gespielt. Auffällig gut ist die Ähnlichkeit des jungen und des älteren Simon gelungen, ein Besetzungskunststück. Isaak haben wir ein bisschen aus den Augen verloren. Die Mutter von Simon hat einen Zusammenbruch und muss ins Spital. Simon hat in Berlin Sex mit einer durchgeknallten Verwandten. Simon lernt an der Uni Klara kennen und lieben.

Das ist ein unvollständiger, fragmentarischer Extrakt des Narrativen aus diesem Film, bei dem Lisa Ohlin nach dem Buch von Linda Aronson und Marnie Blok vor allem eines inszeniert hat: das Schwelgerische an Gefühlen, was sie in den Figuren sieht. Sie hat nicht das Handeln der Menschen interessiert. Sie hat die erwähnten und viele andere Szenen wie zusammenhangslos aber in lichtdurchfluteten Räumen, am hellen Meer, in einer freundlichen bis heftig windbewegten Eiche, auf herrlich grüner Wiese inszeniert und eine antörnende Musik darüber gelegt. Film eher als leichte, nicht konturscharfe Aquarellmalerei, sich ergötzend am Gefühligen. Jede Szene ist voller Gefühl, will Gefühl wecken. Welches Gefühl aber, habe ich mich gefragt. Kino als ein Vorgang zur Erzeugung von Sentiment um des Sentiments willen?

Was unter dieser Methode allerdings leidet, das ist die Charakterisierung der Figuren, die Charakterisierung der Verhältnisse der Figuren zu einander, die Herausarbeitung der Handlungen. Einen roten Faden der Erzählung gibt es nicht. Fast willkürlich macht die Erzählung an der und jener Stelle der hypothetischen Story halt – und schwelgt. Man ist auf der Opferseite. Auf der Seite von Juden und Halbjuden. Auf der Seite von unehelichen Kindern. Auf der Seite von unfruchtbaren Eltern. Auf der Seite eines verlassenen Ehemannes, weil seine Frau durchdreht bei Kriegsausbruch.

Es gibt keine Bösen in dem Film. Sie kommen schon vor. Es marschieren sogar in Schweden ein paar Nazis auf. Man erfährt auch von Leuten, die im KZ gelandet sind. Es gibt aber keine Vorwürfe. Vielleicht mal Schuldgefühle. Aber es gibt keinen Aufarbeitungsdruck. Es gibt keine zu lösenden Konflikte.

Die Regisseurin liebt das Herstellen von Bildern, die Gefühle auslösen sollen. Kamele in Wolkengebilden. Traumgebilde des Knaben. Es gibt wenig Dunkel im Film. Einmal rennen die Knaben im Regen, wie die paar Nazis in der Stadt vorgefahren sind. Bei der Ankunft im Tempelhof des Nachkriegs-Berlin bewegen sich die aussteigenden Passagiere fast nur als schwarze Silhouetten. Der Besuch auf einem Friedhof in Berlin ist einer der weiteren, ganz wenigen düsteren Bilder in diesem Film, der eher eine Kantate des Lichtes genannt werden könnte. Jubel um seiner selbst willen? Gefühl um seiner selbst willen? Möchte die Regisseurin oder auch schon die Autorinnen uns mitteilen, dass sie betroffen sind von der Geschichte? Viel zu sehr sollte man hier vielleicht gar nicht nachfragen. Weil dann wohl zu Vieles kaum mehr Bestand hätte. Denn dadurch, dass die Sehnsucht zum Schwelgen dominiert, kommen die Figuren in den Szenen auch oft gar nicht so recht nach der Realität.

Aus den Notizen:
Solange die Buben noch Buben sind: sind sie süße Buben, jede Szene will uns vorschwärmen, wie rein solche Buben sind (auch wenn wir vom einen anderes zu hören bekommen, aber das scheint der wirklich schnell vergessen zu haben); die Eiche als Traumort, die Zerstörung des Baumhauses – im Traum? Oder Rückblende?
Fängt Sommer 1939 an.
Der Schreiner baut das Haus nach dem Krieg um: Zentralheizung.

Es gibt Szenen materiellen Glücks: wenn Simon den Plattenspieler bekommt, wenn die Zentralheizung und der elektrische Herd da sind, wenn die Berliner Verwandte, die mit der KZ-Nummer auf dem Unterarm, die aber zur Zicke geworden ist, einen Pelzmantel und Perlenketten erhält: Güter machen die Menschen glücklich erzählen uns Regisseurin und Autorinnen damit.
Isa, die Zicke will beim Sex geschlagen werden.

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