Den Titel dieses Filmes von Wes Anderson, der mit Roman Coppola zusammen auch das Buch geschrieben hat, haben die beiden ganz jungen Protagonisten Sam und Suzy mit Steinen auf den kleinen Sandstrand der Bucht ihrer Liebe geschrieben.
Es sind dies die 12jährige Suzy Bishop und der gleichaltrige, wenn auch noch nicht so weit entwickelte Sam Shakusky, die beide abgehauen sind, sie von zuhause und er aus dem Pfadfinder-Camp und sie haben sich hier ihren ersten, keuschen Kuss gegeben, da kam auch noch Sand dazwischen.
Diese Liebe, die so ahnungsvoll schön, gleichzeitig für die beiden auch selbstverständliche und nötig gewordene Entdeckungsreise ist, ist eingebettet in einen größeren gesellschaftlichen und naturhaften Kosmos.
Mit der Schilderung des gesellschaftlichen Kosmos auf der kleinen Insel fängt Wes Anderson an. Der Film spielt im Jahr 1965. Symbol für diese geregelte, fast geometrische, enge Welt ist die Familie Bishop. Selbst die Kamera fährt nur gerade Linien durch die Flure des Hauses. Bleibt vor den einzelnen Zimmern stehen. Lässt die Bewohner gewähren, die Buben spielen und Töchterchen Suzy sucht mit dem Fernglas die Gegend ab. Gleichzeitig gibt es gesprochenen Text über Musik, über Benjamin Britten und Purcell, darüber was eine Variation sei, dass der eine Komponist ein Thema des anderen vielfältig variiert habe.
Die Frage, welches Thema Wes Anderson mit seinem Film variiere.
Ein anderer Teil des gesellschaftlichen Kosmos dieser Insel an der amerikanischen Ostküste ist ein Pfadfinder-Camp. Auch hier ist die Organisation geometrisch. Und rhythmisch. So wie auch die Kamera diesen Rhythmus, diese Ordnung und Regelung übernimmt.
Aus diesen strengen Geflechten bricht nun die junge Liebe zwischen Suzy und Sam aus. Sam ist im Pfadfinder-Camp. Seine Eltern sind gestorben und er lebt bei professionellen Pflegeeltern. So wie die Ordnung auf der Insel streng ist, so zielbewusst und genau hat Sam den Ausbruch aus dem Lager und das Abhauen mit Suzy geplant. Ganz raffiniert hat er sein Zelt von innen abgeschlossen, ein Loch in die Wand geschnitten und auch noch ein Papier davor gehängt. Sie sucht ihn mit dem Feldstecher. Auf freiem Feld treffen sie sich. Er ist ausgerüstet wie ein Abenteurer, ein Trapper mit Pelzmütze mit Fuchsschweif, Tabak-Pfeife, Tornister und Gewehr. Suzy dagegen stöckelt in den Sonntagsschulschuhen mit einem Köfferchen, einem Körbchen mit ihrer Katze und Dosen mit Katzenfutter über die holprigen Wege.
Wie das Abhauen der beide entdeckt wird, löst das eine Kettenreaktion der Suche aus, Polizei und die Pfadfinder, die Eltern und die Medien machen sich auf den Weg, Spurensuche und Konfrontation folgen. Aber da legt Sam das Gewehr an, legt ein Holzstück vor sich auf den Boden und sagt, bis zu diesem Holzstück und nicht weiter. Gleichzeitig bedroht Suzy die Verfolger mit ihrer Linkshänder-Schere. So können die beiden nochmal entkommen und erreichen ihre Liebesbucht.
Aber nicht nur die ganze Menschenwelt scheint sich gegen eine solche absolut extraordinäre und doch notwendige und selbstverständliche, und wie Wes Andersen die beiden Darsteller ausgesucht und mit ihnen gearbeitet hat, das allein ist ein Kinowunder, junge, ahnungsvolle Liebe zu vereinen, auch die Natur scheint sich dagegen zu verschwören, was schließlich ein grandioses Bild mit gebogenen Kirchturm und drei Figuren, die wie Scherenschnitt-Figuren oder es könnte auch aus einer Zeichnungen aus Max und Moritz von Wilhelm Busch entstammen, an einem Seil daran hängen.
Die Pfadfinder-Camp-Szenen erinnern in der Machart stellenweise an den wundervollen französischen Film „Krieg der Knöpfe“. Merkwürdigerweise kommt mir der Film mit der Wendung gegen Ende hin, mit dem Einsatz der Naturgewalt gegen Menschenschicksal wie eine Erinnerung an ein Ibsen-Drama vor. Der wie ein Puppenheim, Titelvariante des Dramas „Nora“, mit einer Puppenstube anfängt, und sich ins Dramatische wendet. Auch hier sind die ersten Schilderungen der Milieus puppenstubenhaft, nie niedlich, aber durch die geometrisch-räumliche Stilisierung, auch die rhythmische Stilisierung an eine künstlich ausgestellte Puppenstube erinnernd. Eine Welt, die den Eindruck erweckt, dass der Mensch sie im Griff haben will und er auch das Gefühl hat, dass er sie im Griff habe, was zwar eher nicht stimmt, nehmen wir die Bishops beispielsweise, der Vater ist Anwalt, aber seine Frau hat Dates mit dem Polizisten. Der Vater möchte wohl deshalb einen Baum fällen, so läuft er denn mit nacktem Oberkörper und einer Axt gerne aus dem Haus raus.
Aus Distanz besehen vielleicht sogar ein Drama, das Schicksal einer jeden Liebe, einer jeden Blüte, es gibt einen, vielleicht nur einen einzigen, kurzen Moment, da ist sie traumhaft, da ist sie groß und frei, aber selbst da findet sie in einem Raster nach strenger Vorgehensweise von Field Mate Sam statt, auch das Picknick, was die beiden veranstalten kann bürgerlicher und organisierter nicht sein. Das organisierte Glück.
Das Buch „Coping with the very troubled Child“, kommt im Film vor. Der Film ist vielleicht auch eine Nachzeichnung eines Weges der Transformation. Schönes Bild auch, wenn Sam Suzy zwei selbstgefertigte Ohrringe, getrocknete Käfer an einem Angelhaken, durch die Ohrläppchen sticht. Und die Margeriten, die sie im Haar hat, fast so schön wie die Primavera vom Botticelli. Sie tanzen zur Musik aus dem Plattenspieler am Meer, leicht ungelenk, ein Moment des Nichtorganisierten, nicht Perfekten – und wie schwer sie sich damit tun, vielleicht einer der freiesten Momente. Der Moment der Liebe im Leben scheint kurz und die gesellschaftliche und naturgeschichtliche Umrandung, Vorbereitung und Verhinderung, Abtötung, lang. Eher eine melancholische Geschichte, mit vielen wunderschönen Momenten erzählt.