Ein Pointenschwurbelkino ist das, mit Pointen als solchen, die den Darstellern ziemlich wahllos in den Mund gelegt werden; immerhin mit hauptsächlichem Bezug auf das Thema Hochzeit.
Vor lauter Youtube und dem Titelthema Hochzeitsvideo und damit Lustigseinwollen haben der Drehbuchautor Gernot Gricksch und auch der Regisseur Sönke Wortmann vergessen, worums im Kino beim Thema Hochzeit immer geht und immer gehen muss: die Liebe.
Einmal nur sprechen die Braut und ihre Freundin in einer Wartezeit beim Tättowierer darüber, dass Pia, die Braut, ihren Bräutigam, Sebastian, wirklich liebe und dass ihr Ex-Freund, der Pornodarsteller, ihr das nicht geben konnte, was der Adelige Sebastian ihr geben kann.
Der einzig echte Youtube-Szene kommt ganz am Schluss des Abspanns, da spielt wie improvisiert Stefan Ruppe einen Rap zum Thema Ehe mit dem Schlusskommentar, „das wars in etwa“.
Aber es wars eben höchstens „in etwa“ mit diesem Film, dessen Substanz sich in Komplikationen, die sich auf dem Weg zur Hochzeit einstellen können, erschöpft. Die Story ist „in etwa“ die, dass Daniel, der Freund des Bräutigams, die ganzen Vorbereitungen und die Hochzeit filmen soll und das natürlich auf Youtube veröffentlichen wird, so habe ich das verstanden. Der Film tut also so, aber er tut es lange nicht konsequent, dass er aus den Aufnahmen von Daniel zusammengestellt worden sei.
Aber wenn das alles so privat und für Youtube aufgenommen wird, wieso sind die Darsteller teils so brutal überschminkt? Man wundert sich nach einer Szene zwischen Bräutigam und Freundin der Braut, wie die Kamera, von der behauptet wurde, Daniel habe sie aufgestellt, um dem Bräutigam via Kamera etwas zu sagen und dann platzt die Freundin der Braut rein und dann gehen sie aus dem Bild und noch bevor sie die Kamera grabschen können, fängt die an hochzusteigen und guckt über eine Mauer, hinter der gerade der Fabian mit einer dicken Frau gefickt hat; aber sie findet ihn nicht dick genug.
Filme, die eine Hochzeit zum Ziel haben sind nichts Neues; die Werbung von „Das Hochzeitsvideo“ bezieht sich ausdrücklich auf „Hangover“ und „Brautalarm“ – und tut sich damit nicht unbedingt einen Gefallen. Weder geht es um Existenzielles, Tiefcharakterliches wie bei „Brautalarm“, wo jeder Figur sehr gut skizziert war und es immer um die Liebe ging, noch geht es um eine überbordende Sause wie bei „Hangover“, wo immerhin mords was los war und auch die Charaktere deftig.
Hier geht es darum, dass der Freund des Bräutigams ein Video für Youtube, wie immer wieder erwähnt wird, herstellen soll über die letzten Tage vor der Hochzeit, also die Vorbereitungen, Junggesellenabschied, Polterabend, Ziviltrauung bis zum Höhepunkt der kirchlichen Trauung. Eine Videoreportage für die Zeit von Dienstag bis Sonntag.
Durch die Kameraführung wird der Bräutigamsfreund als ziemlich ungeschickt und verwackelt charakterisiert. Jeder junge Mensch heute geht souveräner mit der eigenen Kamera um. Aber der die Regie führt, ist im Vergleich zur Youtube-Generation bereits ein in die Jahre gekommenes Fossil, das zuletzt die Päpstin als Stand-In von Volker Schlöndorff mit großem Aufwand verfilmt hat, Sönke Wortmann, der im Interview sehr witzig sein kann.
Wie soll er da plausibel die Freiheit und Frechheit und Spontaneität eines Hobbyfilmers imitieren können. Dann hat er ein miserables Drehbuch in der Hand, was unter Drehbuch Pointen dreschen versteht unabhängig von den Charakteren der Darsteller, die gar nicht erst entwickelt worden sind. Ganz zu schweigen von den grausam geschriebenen Pfarrerszenen.
Auch ist nicht zuerst eine intakte Liebesbeziehung gezeigt worden, ist nicht die Erwartung auf ein tolles, rauschendes Fest hochgeschraubt worden, also die simpelsten dramaturgischen Tricks, um ein Publikum zu gewinnen und dann bei der Stange zu halten und es anschließend lustvoll daran teilhaben zu lassen, wie ein traumhafte Illusion allmählich zerbröselt, hielt man hier nicht für berücksichtigenswwert.
Szenen müssen gezwungen originell sein, ob die Anprobe mit Kummerbund und billigen Pointen dazu beim Bräutigam oder eine sehr erzwungen wirkende Originalität der Vorbesprechung beim Pfarrer. Man hat den Eindruck, keiner nimmt hier den Charakter seiner Rolle ernst, weder das Drehbuch, noch die desinteressierte Regie noch die Darsteller selber. Wobei bei letzteren ein paar Abstufungen zu beobachten sind. Der Pfarrer spielt seine Rolle zwar ernsthaft, aber die Texte und wie die Szenen, vor allem die Hochzeitszene auf Kilometer erwartbar aus dem Ruder läuft, sind so hanebüchene Reaktionen, dass die der Figur die letzte Glaubwürdigkeit nehmen. Susanne Tremper ist als Mutter der Braut immerhin eine Type mit Charakter. Sie erinnert auch gerne an die Vergangenheit der Adeligen-Villa als SS-Quartier und hat überhaupt ne recht kecke Schnauze.
Aber zum Beispiel die Kostümanprobeszene, da glaubt man sich auch von der lausigen Auflösung her in einer Daily-Soap. Vielleicht verwechselte Söhnke Wortmann Youtubehaftigkeit mit verwurstelter Szenenauflösung. Es gibt auch gar nicht erst eine erzählerische Rahmenhandlung, die nicht youtubisch ist. Es fängt youtubisch an und zwischendrin ist man irritiert, ist da jetzt doch eine auktorial erzählende Kamera oder wessen Handy oder Kamera nimmt das und das jetzt auf?
Es fehlt bis auf den vorhandenen chronologischen Faden auch die Klarheit, wie der Zusammenschnitt der Szenen zustande gekommen ist; ob da noch jemand rüber gegangen ist übers ganze Material oder ob Wortman für uns so eine Art Musterschau veranstaltet mit sehr häufigen Blacks drin, wenn wieder jemand ganz unnatürlich gefordert hat, man möge die Kamera ausschalten.
Eine große Krux in dem ganzen Verhau ist auch ein schauspielerisches Problem. Einerseits gibt es Szenen, wo die Darsteller unbeobachtet sich geben müssen, wo die Kamera als versteckte Kamera wirkt, da agieren die Akteure aber durchs Band viel zu schauspielerisch, darauf müsste eigentlich ein so renommierter Regisseur achten. Dann die Variante, dass die Leute wissen, dass sie gefilmt werden und so tun als ob sie es ignorieren, wobei dieses Ignorieren auch noch in Varianten unterteilt werden könnte und dann noch die Variante, wo sie direkt in die Kamera sprechen. Diese Unterschiede nicht ganz präzise rausgearbeitet zu haben, würde ich als eine ziemliche Schlampigkeit bezeichnen.
Besetzung Brautvater und Brautmutter unglaubwürdig. Wobei immer das außerordentlich schwache Drehbuch dazukommt, was die Charakterisierung der Figuren betrifft. Auch dem Ex-Porno-Darsteller nimmt man diesen Job einfach nicht ab, weiß nicht wieso.
Die Casterinnen Anja Dihrberg und Suse Marquardt haben offenbar kein Auge für die Kinoqualitäten von Schauspielern, wobei durchaus angenehm auffälllt, dass einmal nicht die ewig gleichen Subventionsgesichter zu sehen sind. Aber die jungen Mänenr, die schauen alle aus wie Klone aus der Rasierwasser- oder Unterwäschewerbung und die Frauen sind generell zu hart und zu schrill. So können sich unter den Darstellern keinerlei Beziehungen entwickeln. Ist wohl gar nicht erst beabsichtigt, da es sich vornehmlich ums Kalauern und Pointendreschen handelt, ohne Rücksicht auf die Charaktere. Das ist die große Drehbuchschwäche. Dass es sich überhaupt nicht mit den Charakteren beschäftigt. So kommen unspannende Klischeefiguren raus, die niemand im Kino sehen will. Die Frauen am Jungesellinnenabschied viel zu hart und zu schrill.
Youtube-Filme sind allesamt viel lustiger und spontaner. Das Kino des Sönke Wortmann ist gegenüber Youtube ein Greisenkino.
Es sind schon Ähnlichkeiten mit privaten Homemovies da. Der Unterschied ist allerdings, dass die Zuschauer beim privaten Movie die Geschichten und Charaktere der Partizipienten kennen, während hier der Zuschauer kaum Vorgeschichte von den Figuren und schon gar nichts von ihren Konflikten mitkriegt, lediglich Probleme mit der Organisation der Hochzeit oder des Abwehrens einer unerwartet auftauchenden und Verwirrung stiftenden Vergangenheit in Form des Pornodarstellers Keule.
Mei, und der Standesbeamte schaut sich zuhause Filme mit Hunden an.
Lustigkeit komm heraus, wir erwürgen Dir. Gilt auch für die Hochzeitszeremonie in der Kirche. Der Pfarrer sagt da ziemlich dumme Sätze “dann wollen wir mal gucken, ob wir Sie noch unter die Haube kriegen“. Unsägliche Krampflustigkeit. Nicht ansteckend zum Glück.
Dann noch einige TV-bescheidene „Was ist denn hier los?“-Sätze.
Nu, dann wollen wir mal gucken, ob wir mit so einem Film die Zuschauer ins Kino locken.