Work Hard – Play Hard

Carmen Losmann hat sich für diesen Dokumentarfilm eine krasse Industrie vorgenommen: jenes Geschäftsfeld, das dem Geldkapital weismachen will, die Leistung des Human-Kapitals zum Zwecke einer besseren Gewinnmaximierung optimieren zu können. Angesichts des riesigen thematischen Berges zeigt uns Frau Losmann aber auch, dass es praktisch nicht möglich ist, das ganze Themenfeld in einem Film griffig zu erfassen.

Die Regisseurin serviert uns einen Kessel Buntes zu einem irren Themenkomplex, der, wenn er denn Garant für filmisches Erlebnis werden sollte, doch eines geistig deutlich durchdringenderen, stringenteren Zugriffes mit mehr Biss bedurft hätte. Wir aber bekommen hier serviert einen recht willkürlichen Mix aus Beobachtungen bei Architektens, die für Unilever ein Maßstäbe setzendes neues Bürohaus im Hamburger Hafenviertel hinklotzen sollen, Kienbaum Management-Bereichsmeetings; der Versuch der Post, sich „lean“ zu organisieren, Assessment-Center (statt von „Schwächen“ wird hier von „Entwicklungsfähigkeit“ gesprochen), Towers Watson Unternehmensberatungen, nonterritoriale Arbeitsplätze bei accenture (Menschen in nicht eigener Umgebung sind anders), Ellernhoftraining; eine Gruppe wird mit verbundenen Augen in ein Verlies gesteckt und muss den Ausweg finden; alles wird genau von einem Kontrollraum aus mit Video und Gegensprechanlage beobachtet und anlaysiert; die verdienen sicher gut an diesen Pfadfinderspielen, die als Team- und Führungstraining angeboten werden, die den Menschen daraufhin beobachten, ob er „im Flow“ ist auch mittels Gehirnprozessanalysen.

Jedes einzelne Fundstück von Carmen Losmann lässt schaudern. Wie da geredet und getan und geschwätzt und geschwatzt und geblufft und belehrt und getest wird, das sind alles mehr oder weniger verbrämte Varianten von Selektion, immer zwischen abgrundtief komisch und unglaublich und grauenhaft, wie versucht wird, das menschliche Kapital im Sinne einer blutsaugerisch größtmöglichen Effizienz einsetzbar zu machen, es knetbar zu machen.

Auch die Typen von den Beratungen und Tests, die die Programme in den Firmen durchführen müssen, sind ein Kapitel für sich. Die machen ja auch wieder nur ein Riesengeschäft mit der Geldgier des Kapitals. Indem sie den Kapitalisten vorgaukeln, mit ihren Tests und Methoden und Büroeinrichtungen könnten sie das Humankapital profitabler einsetzen. Es ist alles nur grotesk was da abläuft.

Wenn die supergestylte Dame von der Post soweit geht zu sagen, man möchte diese Maxime, diese Logik „in die DNS jedes einzelnen Mitarbeiters“ einpflanzen, da wackeln einem die Ohren. Fehlt nur noch, dass die Mitarbeiter nach rassisch-rassistischen Merkmalen untersucht und selektiert werden.

Wie die Dame bei der Post versucht, den kulturellen Wandel „lean“ zu bewerkstelligen. Da kommt im Film kurz etwas Zusammenhang auf, wenn später ein Abteilungsleiter beim täglichen Briefing nach Trainingsmethodenvorschrift gezeigt wird und er vorschriftsmäßig fragt, wie es den Leuten gehe und die sagen „schlecht“ und sie wären lieber zu Hause und als Wunsch bringen sie vor, mehr Leute einzustellen. Da fällt dem Leiter nichts mehr ein und er studiert die Kennzahlen und weiß auch nicht wie weiter. Wer Augen hat der sieht, wie der arme Kerl von den unternehmensberaterischen Weltverbesserern getreten wird und wie er nun nach unten treten muss und dabei so tun, als würde er sich um das Wohl der Menschen kümmern. Der Zuschauer wundert sich nicht, dass bei solchen Beratungen und plumpen Versuchen der Manipulation des Humankapitals nicht viel rausschauen kann. Wie denn schon vorher bei der Schulung ein Mitarbeiter gefragt hat, wie sie denn nun konkret vorgehen sollen.

Zum Cineastischen: Der Zuschauer muss hier sehr genau hingucken, um zu bemerken, wie schauderhaft das unter der glatten, netten Oberfläche alles ist, wie abgefeimt.

Zur Methode von Frau Losmann. Sie hat sich nicht undercover wie einsten Walraff oder als penetrante Recherchejournalistin wie früher Michael Moore an die Materie herangemacht. Sie scheint ganz offiziell um Drehgenehmigungen ersucht zu haben und sie hat die Namen der diversen Firmen schön und ehrenhaft groß in den Film eingesetzt, dass diese es problemlos als Werbung verstehen können und sie wussten ja auch, dass sie gefilmt werden und für ihre Firmen das beste Image herstellen wollten. Formal sieht der Film eher wie ein Werbefilm für die vorgestellten Firmen denn wie ein kritischer Dokumentarfilm vor. Hinsichtlich eines kritischen Dokumarfilmes ist Frau Losmann noch entwicklungsfähig.

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