Russendisko

Hier bescheren uns deutsche Drehbuch-, Kamera-, Inszenierungs- und Castingkunst ein Schmankerl der russischen Art, das in keiner Weise russisch schmeckt sondern ganz und gar nach ordentlich-regulärer deutscher Filmsubventionskunst.

Das Werk möchte basierend auf dem Kultbuch von Wladimir Kaminer Berliner Szenestimmung evozieren, wie sie zur Zeit der Wende geherrscht haben soll.

Lang, lang ists her, die Zeit macht die Konturen unscharf und der hier vorliegende Film bringt auch kein zusätzliches Licht in die Angelegenheit. Er glaubt vielleicht, wenn er überwiegend eine Art tiefliegende Froschperspektive für die Filmaufnahmen verwendet, er schaffe Nähe oder Übergröße der Figuren, Zeit- und Szenennähe suggerierend, dabei verfremdet er und gibt so ganz gewöhnlichen Szenen immerhin einen visuell ungewöhnlichen Touch. Vergangenheitsschönung, Vergangenheitsaufmotzung? Die Szenen selbst erinnern gelegentlich an eine Schauspielschule, jetzt spielen wir eine Dialogszene, jetzt spielen wir eine Liebesszene; das fällt mir bei den gecasteten Frauen mehr noch auf als bei den Männern.

Die beiden Protagonisten sind ein an sich erfolgsverwöhntes Paar, denn Friedrich Mücke und Matthias Schweighöfer haben mit „Frienship!“ einen Kinoüberraschungshit gelandet. Das Buch dazu hatte Oliver Ziegenbalg geschrieben, der hier nicht nur den Kaminer-Text zum Drehbuch umzumodeln versucht hat, sondern gleich auch noch die Regie übernommen hat.

Vielleicht etwas viel aufs Mal. Jedenfalls lässt er es zu oder fordert es sogar heraus, dass Matthias Schweighöfer, der den Wladimir Kaminer geben soll, sich als total extrovertierter, überdrehter Kasperl, als reiner Faxenpeter aufführt, so als müsse er in jeder Szene extrem viel Nachdruck darauf legen, so aufzufallen, damit er ja auch wahrgenommen werde, als warte er nur darauf, bis ihm jemand auf die Schultern klopft und sagt, „hast Du gut gemacht, Junge!“, soviel Anerkennungsheischungsactivity hat selten ein Schauspieler in so wenig Figur gelegt.

Die Grundsituation im Buch ist die, dass drei junge Russen aus Moskau nach der Wende nach Berlin ziehen. Wobei der zweite im Bunde, der zurückhaltend agierende Mücke, der meiner Ansicht nach schon die entscheidende Portion Glaubwürdigkeit zum Erfolg von „Friendship!“ beigetragen hat, hier eine gewisse Anlaufzeit braucht um dann jugendfreizeithaft schön auf der Klampfe russische Songs zu begleiten, die er selber singt. Hier kann er aber nicht viel zum Erfolg beitragen, denn die Figuren sind alle weniger durchdacht, es geht um die Schilderung einer Gesamtsituation, wie sich die drei Russen in Berlin einrichten und zurechtbuddeln.

Also der Mücke, der hier Mischa heißt, hat das Problem, dass er keinen einzigen jüdischen Vorfahren aufweisen kann, im Gegensatz zu seinen beiden Kumpels, und dadurch nur ein Visum für drei Monate Berlin erhalten kann und dann wieder zurück nach Moskau muss. Das gibt Anlass zu einer kurzen Judentums-Initiation und zu einem Gespräch mit einem Rabbi.

Der dritte im Bunde ist ein nicht weiter definiertes Mittelstück zwischen den beiden, der die zusammenhalten soll, das ist nun nicht schön ausgedrückt, aber es scheint, als dürfe dieser dritte im Bunde durch keine Eigenschaft besonders auffallen, was er denn auch tut.

Es scheint leichter zu sein, ein Drehbuch für ein Roadmovie für Zwei zu schreiben wie bei „Friendship!“, denn der Weg hat ein Ziel und der Weg ist das Ziel. Während hier die Anfahrt nach Berlin kurz und das Sein in Berlin lang ist. Es gibt wenig Handlung. Film ist nicht Literatur. Hier dient die Literatur dazu, Szenen zu bebildern, Film als Lieteraturbebilderungsanstalt, das muss wie hier bewiesen wird, nicht immer spannend sein. Anskizzierkino nach Literaturvorlage.

Erlebnisse in der Literatur beschrieben sind eines und daraus Geschichten fürs Kino herauszuarbeiten, das wäre ein anderes. Wer das Buch kennt, der wird wie immer in solchen Fällen sicher viele Szenen und Situationen oder Texte wiedererkennen. Im Film sind sicherlich viele Stellen aus dem Buch identifizierbar, davon gehe ich aus.

Zu den drei russischen Jungs müssen selbstverständlich drei Frauen her. Aber viele bunte Lichtquellen und viele altkluge Frauen ab Camera-Acting-Workshop (so der Eindruck) garantieren noch nicht für lupenreines Kino. Genauso wenig wie die meist tiefe Kameraperspektive, die besonders verwahrloste Ecken von Berlin gewaltig und imposant ins Bild rückt. Oder das Stück Mauer, an dem gehämmert wird, um Souvenir-Stücke rauszuhauen. Vielleicht ein schönes Bild für diese Art der Literaturverfilmung: die Mauer als das Stück Literatur, aus der der Film, resp. der Drehbuchautor, versucht einige Stücke herauszuhämmern und einen Film daraus zu machen.

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