Sommer auf dem Land

Ein polnischer Trauerverarbeitungsfilm. Das Ende einer unverbrüchlichen Liebe durch Tod und die Folgen. Izabel und Bogdan haben sich schon als Kinder die ewige Liebe geschworen. Eine schöne Rückblende am Strand. Wie Izabel ihren Buben-Freund Bogdan, der von der Mutter mit unzimperlicher Liebe Bogus genannt wird, immer wieder fragt, ob er sie auch noch lieben werde, wenn sie alt und krank sei, wenn sie Falten habe und Zahnausfall.

Und sie sind zusammengeblieben. Sie waren erfolgreiche Musiker in den großen Konzertsäälen und Opern der Welt, er als Pianist, sie als Sängerin. Dann kam der Krebs und das Ende. Auch das wird immer wieder in schöner Schlaglichtfotografie dazwischen geschnitten. Das Ende einer so unverbrüchlichen, einer so großen Liebe zeitigt für den Überlebenden gravierende Folgen.

Die Beerdigung wird in ebensolcher Schlaglichtfotografie skizziert. Bogdan kann nicht weiter leben wie bisher. Etwas ist zu Bruch gegangen. Er zieht sich auf den Bauernhof der Mutter zurück, fängt das Saufen an, kauft eine Kuh, deren Preis er noch ganz schnell von 3000 auf 1500 runterhandelt. Die Kuh heißt da noch Schwärzchen, obwohl sie braun ist.

Immer mehr sieht er durch eine Reihe von Ereignissen in der Kuh den Ersatz für seine große Liebe, veranstaltet sogar ein großes Vermählungsfest (von Sodomie allerdings an keiner Stelle auch nur die leiseste Andeutung; ist eben alles sehr symbolisch) und findet durch diese Kuh, die nach dem Hörerlebnis von Papageno irrsinnig viel Milch gibt, eine unglaubliche Menge Milch (das wird mittels einer eigenen Szene erst im Stall mit dem Uhrzeiger, der den schier nicht enden wollenden Melkvorgang mit großen Sprüngen begleitet, richtig deutlich gemacht ) und was für eine Milch das ist (das wird mittels einer weiteren extra erfundenen Szene im Milchladen von Pawel gezeigt, der übrigens seinen Lieferwagen aus Werbegründen, weil sich das besser anhört, mit Pavlowsky & Sons anschreibt, obwohl er noch ledig und also für ein Verhältnis mit der Tochter von Izabel und Bogdan noch frei ist)!

Das ist die Idee hinter diesem Film, wie die Kuh den Menschen wieder zum Menschen macht. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Auch wir Westler mögen Verrücktheiten, wir mögen Ionesco und wir mögen auch Dziga Vertov. Aber die Humorart, denn es soll sich um eine absurde Komödie handeln bei diesem Film von Radek Wegrzyn, der mit Roberto Gagnor und Cezary Iber auch das Drehbuch geschrieben hat, ist für uns rationale Westler zumindest nicht leicht zugänglich. Falls ich hier für eine Allgemeinheit reden darf. Wir brauchen einen realistischen Andockpunkt. Und zwar zur Kuh. Nur dass sie viel Milch gibt, weil sie Papageno hört, den Bogus aus Lautsprechern vom Stalldach spielen lässt, das schafft noch keine glaubwürdige Verbindung. Für mich zumindest kommt das hier alles so daher, als komme es daher, damit es lustig sei. Und wenn ich eine solche Absicht so deutlich mitlesen kann wie hier, da will sich bei mir kein Lachen rühren. Wobei mir nicht ganz klar ist, ob es sich wirklich um ein grundsätzlich kulturelles Problem handelt oder vielleicht doch eher um ein Anfängerproblem von einem Studenten der Konrad-Wolf-Filmschule, für welche dieser Film als Abschlussfilm gedacht war. Vielleicht werden sie sich an der Schule selbst krümelig gelacht haben aus dem simplen Grund, weil sie die Absicht kannten als auch das Making of.

Das ist scheint mir schon ein Problem, dass all die schönen Bilder in diesem Film und die schön geschminkten Frauen (sterbenskranke Gattin und overgestylte Tochter) so ganz ohne einen Handlungszusammenhang da stehen. Es ist eher eine impressionistische Evozierungsmethode gewählt worden, die dann teils fast ulkige Bilder abgibt, die Kuh in der Stube, die Kuh am Picknicktisch unterm Baum, denen aber die Intention der Ulkigkeit auf 100 Kilometer schon anzusehen ist und denen eben der Zusammenhang einer Handlung fehlt, der dem Lachen seine Berechtigung und Tiefe gäbe.

Obwohl die Mutter den trauernden Sohn mehrfach fragt, ob er den Zaun nun repariert habe. Auch hier scheint der filmimmanente Grund dafür einzig der zu sein, den malerisch kaputten Zaun endlich mal ins Bild rücken zu können. An sich wärs beim diesem Gehöft egal, ob der Zaun kaputt ist oder ganz. Da kommt kein Fuchs und die Kuh haut auch ohne diesen Zaun ab. Es gibt keinen Handlungs-Zwang dazu. Aber dass die Mutter den Sohn mittels solcher Arbeiten von der Trauer therapieren möchte, das wird genau so wenig behauptet. Übrigens ist die deutsche Rasch-rasch- und Billig-Synchronfassung nicht dazu angetan, den Film irgendwie erhellender zu gestalten.

Kleiner Scherz, der vielleicht lustig ist, wenn die Mutter dem trauernden Sohn zuruft, ein Herr Rättel aus Berlin hätte angerufen. Kuh und Rättel und Bauernhof. Das ist schon grotesk. Denn der Herr Rättel ist ein weltberühmter Dirigent.

Fantasie und Lustigkeit als Selbstzweck. Mir scheint, den Regisseur und Autor hat die Idee dieser Art Trauerbewältigung total umgehauen, er war von sich und der Idee dermaßen begeistert, dass er sich nur noch ans Ausmalen gemacht hat und ganz vergessen hat, dass da eine zwingende Dimension rein muss. Dass so ein Todesfall ein gravierender Bruch gerade in einer so ungewöhnlich großen Liebe ist und dass der nicht mit Impressionen und originellen Ideen zu kitten ist. Ein solche Trauer erfordert eine entsprechend große Trauerarbeit. Hier wurde sich für Trauer-Grotesk-Arbeit entschieden, nicht der Trauer, sondern der Groteskheit halber.

Insofern dürfte es dem hiesigen Zuschauer schwer fallen, diesen Film ernst zu nehmen, dürfte es nicht leicht sein, Zuschauer wirklich zu beschäftigen, vielleicht gerade solche, die selber frisch mit einem Trauerfall befasst sind; mir scheint, der Autor hat sein Thema nicht richtig ernst genommen. Gerade im Grotesken muss ein solches Thema umso ernster genommen werden.

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