Die Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II anno 1453 als ein Monumentalfilm erzählt, der einerseits Ausdruck heutigen türkischen Selbstbewusstseins sein will, der aber an die westliche Hemisphäre gewandt auch die Angst vor einem unbekannten Islamismus nehmen möchte, denn nach gelungener Eroberung, das zu erwähnen heißt kein Geheimnis vorwegnehmen, garantiert Mehmed den in die Hagia Sophia geflüchteten Christen, dass sie in Zukunft in seinem Reich die Religion frei ausüben dürfen. Toleranz nach dem Heiligen Krieg.
Vor dem Screening habe ich mir überlegt, wie denn so ein Film aussehen könnte, ein heutiger Monumentalfilm, ein Eroberungsfilm. Die Schlachten, die Züge der Armeen, damalige Rüstungsgüter, Kämpfe, viel Computeranimation. Das traf dann zwar alles ein, die Überraschung aber war jedoch die ausgezeichnete Drehbucharbeit von Attila Engin und Irfan Saruhan, wie die über zweieinhalb Stunden Kino wohldosiert strukturierten, die erste Stunde lang findet vor allem die geistige Auseinandersetzung und Vorbereitung auf den Krieg statt (dass Mehmed Konstantinopel erobern will, dazu ist er schon durch Weissagung berufen, das hat ein Komet signalisiert und außerdem versteht er Macht als ein Instrument zum Wohle aller), die diplomatischen Fallen, das Suchen von Mitstreitern, das Abchecken, wer für, wer gegen einen agiert, auf welcher Seite stehen der Vatikan, Genua, Ungarn, und all die anderen Länder; das Deutsche Reich war zufälligerweise gerade mit sich selbst beschäftigt; dann die Weigerung, die Alimente für Orhan zu bezahlen, die er dem Kaiser von Konstantinopel schuldete und die dieser bereits zum zweiten Mal verdoppeln wollte.
Die vielen Gesprächsfäden der Exposition werden aber schon ständig von kleinen Geplänkeln und Säbelkreuzen aufgemischt. Die Kriegsmusik schon in Bildern eingestreut. Auch des Atmosphärischen wegen.
In Konstantinopel herrschte noch Kaiser Konstantin. Aber seine Herrschaft stand historisch auf nicht mehr allzu stabilen Füßen, obwohl das im Film natürlich nicht so dargestellt wird, denn sonst wäre die Eroberung ja ein Spaziergang geworden. Und wir wollen doch in einem Monumentalfilm Helden, Kämpfer sehen und keine Spaziergänger. Es geht im Vorfeld auch darum, den Rüstungsexperten und Kanonenrohrgießer Urban aus Ungarn für die eigene Seite zu gewinnen.
Durch geschickte Konzentration auf wenige Protagonistenfiguren, bleibt der Film gut nachvollziehbar. Denn auch die Liebe darf nicht fehlen in einem Monumentalepos, da steht dieser Film den Hollywoodmonumentalfilmen der 60er oder 70er Jahre in nichts nach. Die Hauptfigur ist Mehmed. Seine Frau und sein Sohn leiden unter seiner eroberungsmissionsbedingten häufigen Abwesenheit. Der Sohn, ein Bub noch, hat nichts von seinem Vater, der ist eine entfernte Hoheitsfigur, die ihn liebe, wie die Mutter versichert. Mehmeds wichtigster Mitstreiter wird sein Kumpel Hasan. Der gefährlichste Gegner wird der Genuese Giustiniani, der auf der Seite des Kaisers von Konstantinopel kämpfen wird. Auch da spielt eine Frau eine Rolle: Era, die Tochter des Kanonengießers, die vom Genuesen Giustiniani ständig Heiratsangebote bekommt, sich dann doch stärker zu Hasan hingezogen fühlt. Damit hat Mehmed die moderne Rüstungsindustrie auf seiner Seite und kann eine Riesenkanone von 75 cm Durchmesser gießen lassen.
Wie dann die Belagerung und die Angriffe auf Konstantinopel anfangen, die Voraussetzung dazu war noch der Bau einer Festungsanlage bei Rumeli, die den Schiffsverkehr auf dem Bosporus kontrollieren kann, weichen die vielen formal statischen, aber geistig regen Expositionsszenen in majestätischen Palästen in der ersten Stunde, die einen sehr genauen Faden für die Entwicklung zeichneten, immer mehr Kampfvorbereitungs- und gigantischen Kriegsszenen, mit alter Kriegstechnik von geschleuderten Feuerbomben über die Geschoße der Bogenschützen zu Mauerstürmleitern, Kanonenkugeln, Rammböcken, fahrbaren Türmen, um die Mauern zu überwinden, computeranimierte Massen von Kanonenfutter. Aber auch unteriridisch wurde gebuddelt, Tunnelbau, um den Feind von innen angreifen und hochgehen lassen zu können. Und Pech und Schwefel und Feuer für die Angreifer von den Türmen Konstantinopels herab. Menschen, die in Feuerbällen aufgehen, andere die von Leitern fallen, Pfeildurchbohrte, Säbeldurchstochene.
Der Film stellt die Eroberung plausibel als kaum machbar dar. Mehmed möchte nach über 40 Tagen das Projekt erfolglos abbrechen. Er kommt einfach nicht an gegen die geballte Gegenwehr aus der stark befestigten Stadt. Da bekommt er Besuch von einem alten Scheich, der im Traum das Grab eines Heiligen gefunden hat – und tatsächlich, am nächsten Tag fangen sie dort an zu buddeln und finden den Sarg. Wenn das kein Zeichen ist. Mit neuer Motivation wird jetzt zum definitiven Sturm geblasen. Der ergibt heroische Bilder, denn die Haupthelden sehen mit ihren langen schwarzen Haaren und Bärten ganz wild und kriegerisch aus. Bis Hasan endlich von Pfeilen durchbohrt wie der Heilige Sebastian die rote Fahne auf dem Turm hissen und die gelbe Fahne von Kaiser Konstantin runterholen kann, das dehnt der Könner-Regisseur Faruk Aksoy schon fast wie Spielberg die Wiedererkennungsszene von Pferd und Mann im parallel anlaufenden „Gefährten“. Wobei, wenn ich die Entweder-Oder Wahl eines Kinobesuches hätte, ich diesen türkischen Monumentalfilm hundert Mal vorziehen würde. Denn wie auf einer Klarsicht-Folie wird hier vor dieser Geschichte von damals die aktuelle Geschichte des Nahen Ostens und deren brisanten Entwicklungen sichtbar.