In Darkness – eine wahre Geschichte

Der Zusatz zum Titel lautet „eine wahre Geschichte“. Der Satz ist natürlich unwahr. Denn es handelt sich hier lediglich um die Nacherfindung einer Geschichte oder von Situationen aus einer Geschichte, deren wahrer Kern der gewesen sein dürfte, und der ist im Film auch beibehalten: dass eine Gruppe von Juden aus dem Warschauer Ghetto den Holocaust in der Kanalisation überlebt hat und das nur dank Leopold Socha, der im Film vielleicht die Hauptfigur sein müsste, einem Kanalarbeiter, der anfänglich lediglich aus Geldgründen den Juden hilft. Leider glaubt der Nacherfinder dieser Geschichte, der Autor des Drehbuches, David F. Shamoon, ohne eine gründliche Einbeziehung der Konfliktanalyse der Hauptfigur und der sich daraus ergebenden Dynamik und Spannung der Erzählung auszukommen.

Das ergibt erst mal zwei Stunden lang Nazizeit wie gewohnt. Mal fescher, mal trashiger, viel Dunkel, aber auch Operettenmusik vom Ghettoorchester gespielt und parallel Erschießungen oder es sind Etüden auf dem Klavier zu hören, so bunt wie die Nazizeit halt war, nackte Frauen, die durch einen Wald gescheucht und alsbald abgeschossen werden, dann wieder eine Kneipenszene, in der die Ukraine hochleben soll und allüberall ein rauher, klotziger Ton in der Sprache, falls die billige deutsche Nachsynchronisation sich am Original orientiert, viel braune Schminke in den Gesichtern oder flotte Blasmusik zu einem Massaker, ermüdende Nazizeitfarbfilter und außerdem viel Gekreisch und Gerangel und Gezicke und Fluchtgeschrei oft hochdramatisch, Angst um Trennung vom Kind, dazwischen immer wieder heiße Fickszenen im Bett oder in der Kanalisation mit nachfolgender Schwangerschaft und Geburt auch in der Kanalisation, Kindstötung und Beerdigung, religiöse Rituale und Kinderlieder, dazwischen wird viel geschlafen und geschnarcht, der Ehemann verlässt das Bett der Frau, steigt zur Geliebten im nächsten Bett, die Ehefrau hält fürsorglich dem eigenen Kind die Äuglein zu, während sie den Sidekick-Fick ihres Gespons beobachtet.

Ohne diesen Film in der Regie von Agniesza Holland hätten wir doch glatt vergessen, dass auch in der Nazizeit die Menschen gefickt haben, was historisch jedoch bestimmt erhellend ist, denn woher sollten die Nachfahren von Opfern und Tätern sonst stammen? Und wie oft in mäßigen Drehbüchern immer wieder die Handlungsersatz-Frage „Was ist denn hier los“. Der deutsche Sprecherschauspieler Herbert Knaup spielt einen der in der Kanalisation versteckten Juden, einen Familienvater und der wird von der Regisseurin angehalten, emotional zu spielen, was einen lustig laienhaften Effekt zur Folge hat, man sieht förmlich seine Bemühung ums Gefühl für die bescheidenen Drehbuch-Sätze, die er sprechen soll. Dabei hat er doch in seiner Laufbahn schon so viele schwache Drehbuchsätze ganz cool weggesprochen. Dann spielt auch Benno Fürmann mit. Auch sein Gesicht wurde mit viel brauner Schminke bedacht. Nach zwei Stunden hat man sich gewöhnt an diese Art Holter-die-Polter-Vorwärtsbewegung der Geschichte, dass man allmählich anfängt mitzuleiden mit den Versteckten, umso mehr als ihre Lage immer prekärer wird, denn es setzt ein pausenloser Regen ein, der die Kanalisation und das Versteck darin flutet, und bis zum Ende sinds jetzt nochmals 24 Minuten und da scheint sich der Kameramann endlich gegen die Regie durchgesetzt zu haben und wollte noch dieses Licht aus den Kanälen und den Wassermassen und ist immer mutiger und seine Bilder dadurch ansehbarer geworden.

Eine Frage, die sich mir während des Screenings stellte: aus welchem Grund werden solche Filme immer noch gemacht und für wen? Denn im Kino wird sich das kaum jemand anschauen und im Fernsehen dürfte es sich versenden. Sind das vielleicht Leute, die ihrem Kinohandwerk nicht allzu sehr trauen und die darauf spekulieren, dass Stoffe aus der Nazizeit blindlings Geld zugeschossen bekommen?

„Maria, da oben werden sie dich umbringen, wir müssen uns beeilen“
Bei Sochas zuhause: „du siehst furchtbar aus“ „ war ein harter Tag“ „soll ich Dir ein Bad machen“ und wie Socha dann im Bottich mit dem heißen Wasser sitzt, gibt’s ein informatives Gespräch über die Christen und die Juden, dass Jesus auch ein Jude gewesen sei. Dieses Gespräch wird zwei Stunden später noch Wirkung zeigen.
Eingeschlossen „Klara, Du kannst da nicht einfach rausgehen“
Socha kauft für zehn Leute ein und hat plötzlich Geld. Typische Verdachtblickszene von der Verkäuferin, die Regie zufrieden mit der Stereotypie.

Wie gebellt wirken die Texte bei der Verhandlung mit dem Kanalisationsarbeiter, wieviel Juden er nun mit ins Versteck nehmen könne oder wolle, gebrüllter Zahlenhandel.

„Großer Gott wie das stinkt, hier möchte ich nicht mal verreckt liegen“.
Wenn Knaup versucht, Ängste zu mimen, anrührend – das Bemühen.
„So eine Scheiße, meine Schuhe sind ruiniert“.
„Los beeilt Euch“ ätzender Realismus, der vertuschen soll, dass die Szenen erfunden sind (Nana Moretti war deutlich überzeugender oder vielleicht schlicht nur sorgfältiger mit seiner Erfindung der Konklave-Szenen in „Habemus Papam“)
Und dann müssen wieder alle Hektik spielen, weil das Wasser steigt und steigt.
Und wieder darf Knaup fragen „Was ist los?“
„Wir müssen noch die anderen Sachen holen“.

Nach etwa zwei Stunden entwickelt sich der Film immer mehr in Richtung Katastrophen-Film, Überflutungsfilm und findet seinen Spass daran. Sehr verquast das Drehbuch.
„Ja, er ist groß, er ist schön, ein Junge“
Junek ist tot.
Das Kind ist tot. Sie hat es getötet.
Der Kameramann gewinnt im Laufe des Filmes immer mehr die Oberhand und liefert im Endspurt wunderschöne Horror -Trash -Bilder.

Dann muss noch eine weitere Kuss- und Liebesszene her, weils so schön ist, eine nackte Frau unterm Wasserstrahl in schmalem Lichtschlitz und wenn da ein Mann dazu kommt. Film im Film, der mit dem Thema nun grad gar nichts mehr zu tun hat. Lecker Liebesleckerei. Und schnauf, schnauf, genauso wie bei Flucht Hyperventilieren hilft. Ob aber Hyperventilieren auch dem Zuschauer hilft?

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