Drive

Der Däne Nicolas Winding Refn, der sich mit „Bleeder“, „Pusher“, „Walhalla Rising“ als eigenwilliger, hochkünstlerischer Autorenfilmer einen Namen gemacht hat, begibt sich hier in den Sold Hollywoods und führt Regie in einem Actionfilm, zu dem Hossein Amini nach dem Roman von James Sallis das Drehbuch geschrieben hat. Industriearbeit pur. Aber wie Refn das angeht, das vermag durchaus zu vereinnahmen, zumindest in der ersten Phase.

Die Geschichte an sich ist eine sehr übliche. Ein Stuntfahrer, der Driver, gespielt von Ryan Gosling, übernimmt einer Nachbarin und deren Buben zuliebe für deren Mann, der gerade aus dem Knast entlassen worden ist, den Fahrerjob bei einem Bruch. Dabei läuft etliches schief, er gerät in kriminelle Gespinste, wie es gern passieren kann in solchen Situationen. Das zeitigt rasante Autoverfolgungsjagden.

Vorher hat man den Driver bei seinem Beruf beobachten können als gelegentlicher Stuntfahrer bei Filmaufnahmen oder auch mal als Fluchtautofahrer bei Banküberfällen, mehrheitlich arbeitet er in einer Garage und der Garagist erzählt der Nachbarin freizüngig, dass er ihn total ausnutze, dass er ihm weniger als die Hälfte dessen bezahle, was andere Mitarbeiter erhalten. Überhaupt ist der Driver sehr geheimnisvoll. Das zumindest behauptet die Inszenierung von Winding Refn eindrücklich in der einführenden Szene. Wie er total kontrolliert am Steuer sitzt, ganz ruhig die Augen, ganz ruhig das Gesicht. Eine geheimnisvolle Figur so regungslos konzentriert wie Alain Delon als eiskalter Engel. Und wie Refn das ins Bild setzt, welche Lichtspiele, ja welch wahre Lichtorgien er inszeniert und zwar nicht etwa, um den Zuschauer zu berauschen, sondern um das Gesicht des Protagonisten wie in Licht gemeisselt erscheinen zu lassen. Das mitten in der pulsierenden Metropole L.A. Sein Licht hebt förmlich die Konturen der Figuren ins Plastische, 3D überflüssig. Dieses Licht lässt die Farben allesamt erscheinen wie frisch abgewaschen.

Die erste Fahrt des Drivers ist eine kriminelle. Er wartet auf zwei Ganoven, die einen Überfall gemacht haben, er weiß genau, wieviel Zeit ihm bleibt, wann wo die Straßenblockaden aufgebaut werden und wo er genau durch muss, um im Gewühle des in ein Fussballstadion strömenden Publikums im Parkhaus sicher zu landen. Minutiös geplant, minutiös ausgeführt. Um dann gemütlich gegen den Strom und gerade noch vor den einsetzenden Polizeisperren das Areal zu verlassen. Das ist atemberaubend gefilmt von Refn. Jeder Filmstudent sollte sich das genau und mehrmals anschauen.

Er stellt auch allein mit dem Licht, der Schauspieler selber muss ja nur ruhig halten – und sieht auch noch gut aus – aber vielleicht hat Refn ihm noch andere Anleitungen gegeben, aber es ist das Licht, das die Reflektiertheit des Drivers, seine Überlegtheit rausstellt, was ihn so faszinierend macht. Vor lauter Licht habe ich allerdings kaum auf die Musikuntermalung geachtet, die sehr diskret und öfter diese Röhrenemusik war, und aber merkwürdigerweise am Schluss, weißgottnichtwieso, blöd knallig geworden ist, so wie das Korkenknallen nach einem gewonnenen Autorennen.

Refn lässt sich anfangs viel Zeit. Die stumme Fahrt im Lift in einem hohen Appartmenhaus, in dem der Driver wohnt. Hier begegnet ihm seine Nachbarin. Stumm fahren sie beide bis in eine Etage weit oben. Sie kennen sich noch nicht. Auch sie, Irene gespielt von Carry Mullighan, ist schön, weil sie nicht spricht, nichts macht, weil sie nur in Refns magisches Licht getaucht wird, schön wie Frauen in Hollywood nur schön sein können. Später trifft er sie wieder im Supermarkt.

Man könnte fast von einer Erotik der Refnschen Kamera sprechen, wobei für die Kamera selbst Newton Thomas Sigel zuständig ist, die diese zu ihrem Objekt entwickelt, ganz zart streicht sie darüber, oder eben, taucht es in ein unwiderstehliches Licht. Wobei der häufige Kinogänger in der ersten Stunde dann schon bange befürchtet, einen ganzen Film lang von hundert und ein paar Minuten hält das keiner durch.

Der Driver trifft Irene wieder im Supermarkt. Er hilft ihr beim Tragen der Einkäufe, fährt mit ihr im Lift hoch, bringt sie in die Wohnung. Der Bub, dessen Vater noch im Gefängnis sitzt, zieht sich eine Art Halloween-Maske über und, das ist wirklich ein lustiges Witzchen, da zeigt der Driver Humor, denn er hat oft einen Zahnstocher im Mund, aber ganz diskret, und bietet dem Jungen einen Zahnstocher an, den der Junge natürlich unmöglich durch den Larvenmund benutzen kann.

Scary, das war eines der ersten verständlichen Wörter, die der Driver gesprochen hat – beim Anblick der Maske. Könnte auch das Thema für den Film gewesen sein.
Der Driver ist in L.A. „for a while“.

Anschmiegsames Kino aber nicht ohne Schalk.
Es folgen die Gespräche des Drivers mit seinem Agenten einem ehemaligen Stuntfahrer, der auch die Garage betreibt und Jobs vermittelt und hinkt – klar, typisch ehemaliger Stuntfahrer denkt man.
Bevor er mit der Nachbarin eine Spritzfahrt unternimmt, noch der Satz: „there are no wheels on my car“.

Spritzfahrt ins Flussbett. Idylle an fließendem Wasser, Mutter, Kind, Nachbar. Irgendwo, irgendwie schön, familiär – aber hier beginnt der Driver sein Geheimnis zu verlieren. Die Verführung durch die Familie ist zu groß. Sie geben auch ein hübsches Bild ab als Kleinfamilie, wenn er den Sohnemann trägt. Bald soll der Papa aus dem Knast kommen. Der gibt eine rauschende Party und immerhin passiert nicht die Eifersucht, sondern die beiden Männer spannen sogar zusammen. Papa engagiert den Driver für eben jenen tödlichen Gig, der als Falle für den ehemaligen Knasti geplant ist.

Von da an geht’s bergab. Der Driver hat jetzt zwar das Geld. Aber er will die Hintermänner, die es auf den Knasti abgesehen hatten, erledigen. Dazu muss er erst die Frau bedrohen, die ungehindert mit der Geldtasche aus dem Laden marschiert kam. Währenddessen wurde der Exknasti dann von einem anderen bulligen Auto aus erschossen. Jetzt gerät der Driver, der ja kein Killer ist, im Gegensatz zu Delon, immr mehr in die Fänge und Gespinste des Verbrechens und mit ihm fängt auch Refn an abzuschmieren. Jetzt gibt es keine Atmosphäre mehr zu etablieren, kein Geheimnis mehr zu behaupten. Jetzt sind wir auf dem irdischen Boden plumpen Verbrechens und Trashs angelangt.

Der Driver gibt sich keine Blösse, und Refn hat bereits blutig trashige Filme schön gemacht und lässt es dezidiert und nicht weniger heftig trashen und messern und bluten und grausamen und Finger zerquetschen, einen Arm aufschlitzen oder ganz grausam in Anwesenheit der Nachbarin einen Killer im Lift nach einer ablenkenden Kussszene, das ist nun schon fast abgeschmackt, an die Wand und auf den Boden schleudern und ihm den Kopf eintreten, dass es nur so kracht. Refn kennt da gar nichts und glaubt wohl immer noch Kunst zu machen dabei. Gleichzeitig pustet er aber auch den letzten Rest des Geheimnisses aus dem Film und reiht sich ein in eine endlos lange Reihe ganz normaler Krimitrashfilmer. Vielleicht etwas künstlerischer. Aber dass das Buch nicht mehr her gibt, das kann man nicht ihm anlasten. Ihm könnte man höchstens anlasten, dass er das Buch eingangs so gut verfilmt hat, was es gar nicht hergibt und dadurch die Erwartung allzu hoch geschraubt hat, auch mit den hervorragenden Besetzungen, die dann zu abgemurkst werdenden Knallchargen verkommen.

Der Aufbau der Familienidylle dürfte als der erste Teil des Bröckelns des Geheimnisses von Film und Driver zu sehen sein, auch dass er findet, das sei cool. Und man sich am nächsten Wochenende wieder treffen wolle. Irene jobbt übrigens in einem Schnellrestaurant als Bedienung, dort trifft er sie einmal und sie hat ein Schild mit ihrem Namen drauf.

Schneidende Sägeblattmusik.
Der Überfall, der scheinbar aus dem Ruder läuft, passiert bei „Money to Loan“ „PawnShop“, der Mord wurde in den Nachrichten als das „Valley Killing“ gebracht.

Am Schluss noch ein Song über allem „ my love… the sun rise… a brighter day where all the shadows will fade away…

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