Arirang

Kim Ki-Duk macht das, was viele schon lange im Internet machen: er stellt eine Kamera vor sich und räsoniert sich sein Lebensunglück, ja, eher Unglück als Glück, teils ironisch, teils scheinbar sehr ernst, in die Kamera.

Er als Weltelite-Profifilmer macht es etwas komplizierter und da ihn Gewalt in seinen Filmen immer interessiert hat, tut er sich hier insofern auch welche an, als er in einem Haus in den Bergen, das offenbar kaum geheizt werden kann, sich im Winter für Monate einquartiert, in einem der Räume ein Überlebenszelt aufbaut, in dem er vermutlich auf Isomatten schläft.

Jedes Mal, wenn es klopft, und er eine Hoffnung oder eine Angst damit verbindet, reißt er den Reißverschluss des Zeltes auf und das macht einen fürchterlichen Ritsch oder Ratsch. Er hat sehr viel Zeit in die Ausstattung seiner Behausung gesteckt. Er hat alles selber gemacht. Ständig ist ein Brummeln und Zischen und Stumpfen und Köcheln von seinen selbstgebastelten Maschinen zu hören.

Dieses Überlebens- oder Rückzügs- oder Reflektions- oder Selbstdarstellungsgebäude ist fantastisch ausgestattet mit Maschinen von allerlei Art, einer selbstgebauten Kaffemaschine und einem Holzofen der oben einen Schieber hat, in den man genau einen mittelgroßen koreanischen Fisch zum Braten reinschieben kann. Ständig ein Kokeln und Brutzeln. Später macht er aus dem ausgehölten Fischkopf ein fantastisches schaurig-dämmriges Beleuchtungsteil.

Überall ist alles voller Schläuche wie ein mysteriöses Geheimlabor. Eine Überlebens- oder Selbstzerstörungsmaschinerie. Zum Waschen muss Kim Ki-Duk erst Wasser schöpfen und umschöpfen, man sieht auch wie er Schnee in die Anlage zur Wasssergewinnung schaufelt, armseligst und kompliziertest zugleich ist unser weltberühmter, zerknirschter und outgeburnter Filmdirektor eingerichtet, auch den Blick auf die Welt hat er sich erhalten mit einem Fernrohr, mit dem er die kleine, winterliche Talschaft unter sich absuchen kann.

Ständig stopft er getrocknete oder frischere Früchte in sich hinein und auch später einen Fisch, da hält er dann den Fischkopf vor sich und reißt seine Schnauze auf wie der und stopft sich die Teile, die er eben aus ihm rausggestochert hatte selbst in den Mund. Und philosophiert darüber, dass wir ständig Natur zerstören, wenn wir essen, dabei haben diese Öko- und Bewahrungsgedanken von ihm keine so rechte Überzeugungskraft.

Auch einen Computermonitor hat er. Und Schrauben und Werkzeug, man könnte auch meinen, bei einem Erfinder zuhause zu sein. Und da er ein weltberühmter Direktor ist, hat er auch Tiger und Palmen und Bären und Löwen und viele andere grausame Filmfest-Trophäen mehr. Die passen nicht in die armselige Hütte. Für die hat er am Fusse des Anwesens einen moderner Baucontainer hingestellt. Da ist die Galerie der Filmplakate und Originalzeichnungen und eben auch Platz für die Trophäen. Zu denen hat er ein zwiespältiges Verhältnis.

Er macht also überwiegend das, was viele Youtube-Blogger machen, er hockt vor der Kamera und redet und redet; wes das Herz voll ist, des fließt der Mund über. Vielleicht reden ihm sonst die Menschen zuviel drein, oder er traut sich nicht. Hier hat er den Bildschirm für sich und da er davon nicht genug kriegen kann, inzeniert er sogar Zwiegespräche mit sich selber und das dürfte kaum mehr zu toppen sein: mit seinem Schatten. Da erzählt er über ein Leben, über den Burn-Out, über ein Projekt von einem Soldaten, der Jahrzehnte nach dem Krieg aufs Schlachtfeld zurückkehren möchte, um das Skelett des Soldaten, den er einmal getötet hat, wieder auszuscharren. Statt dessen hat er sich jetzt für diesen Monolog-Film entschieden, der nun wirklich nur für Leute vom Fach interessant sein dürfte und am ehesten in Zehnminuten-Cllips auf youtube passen würde. Was Kim Ki-duk macht ist vielleicht insofern schmerzhaft – er redet auch über den Film, das Kino als Ort des Sadismus, des Masochismus: dieses Internet. Jedermann kann seine Kacke verbreiten, gar auf die große Leinwand bringen.

An einer Stelle seines etwa zweistündigen Monologes dankt er den großen Festivals, die ihn überhaupt erst ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben, aber er schimpft auch über sie, und er schimpft über die koreanische Politik, die sich dann seiner Auslandserfolge rühmt, aber die Filme selten gesehen hat, wie auch das koreanische Publikum nicht gerade die Kassen stürmt für seine Filme. Er schimpft auch heftig über die Darstseller, ihre Eitelkeit, böse, negative Figuren darzustellen, das sei ja so einfach.

Es ist viel Reflektion übers das Filmemachen drin und glücklich sei er sowieso nur, wenn er Filme machen kann. Hier macht er überwiegend einen unglücklichen Eindruck, rauft sich oft die Haare. Aber er spielt auch einen grandiosen Weinkrampf, wenn er Szenen aus eigenen Filmen anschaut, den Mann mit dem nackten Oberkörper, der den Mühlstein hinter sich her durch eine waldige Landschaft einen steilen Abhang nach oben schleppt und auch noch eine Buddha-Statue in Händen hält. So ganz uneingenommen von seinem Werk scheint dieser Kim Ki-duk nicht zu sein, zumindest will er uns das suggerieren.

Er reflektiert über Grausamkeit, über gute und böse Rollen. Ein Film mit viel geistigem Input. Film als Ort der Auseinandersetzung.

Anfangs brüllt er ständig READY ACTION! Als ob er sich wie ein Verrückter über die Verrücktheit des Drehens lustig machte. Immer wieder singt er das Lied „Arirang“ und erklärt an einer Stelle, dass man das in Korea singe, wenn man traurig, mies drauf, melancholisch sei. Das singt er bis zur Gehässigkeit.

Am Schluss nimmt er eine Pistole, fährt damit los in die große Stadt. Hält bei verschiedenen Gebäuden, leider wurden die Inschriften darauf nicht als Untertitel wiedergegeben, so dass nicht klar wurde, was für Menschen aus welchen Lebensbereichen er mit je einem Schuss ins Jenseits befördert haben dürfte, nehmen wir an: Produzenten oder Filmförderer.

Es ist auch eine gewisse Parallele zum japanischen Film „Confessions“, nur dass hier der Autor selber tiefe Einblicke in die Abgründe seiner Gefühls- und Gedankenwelt gibt, Confessions von brutalen Gedanken, von Rachegedanken, von Hassgedanken macht.

Zwischendrin kamen mir Flashs an den autobiographischen Film von Godard, wie er vor seinem großbürgerlichen Studiotisch in seinem exklusiven Haus am Genfersee sitzt und die Regale, die sein Werk füllen, anschaut und wie er Streifen aus seinen Film in der Hand hat und gegen das Licht hält (da schaut er nicht weniger verzweifelt als Kim Ki-Duk hier). Wie in der Malerei die Selbstportraits auch was Spannendes sind, so haben Filmemachers autobiographische Projekte etwas vor keiner Zerstörungskraft Halt machend Bohrendes. Selbstportraits von Künstlern, die glücklich sind, gibt es die, oder sind die nur nicht bekannt, weil sie reizlos sind, nur wenn sie sich geschunden, gebrannt, ausgebrannt, verzweifelt, elendlichglich präsentieren, sind Künstler im Selbstportrait spannend.
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Andererseits scheint Kim Ki-Duk, sich über sich selbst, über sein absurdes Künstlerleben kaputt zu lachen, über sich als lonely person, person, die basically lonely sei, der darum die anderen Menschen immer gut beobachten konnte. Dann ärgert er sich aber wieder, dass er eigentlich sein Leben nicht lebe. Echt erbarmungswürdig der Zustand, in dem er sich uns präsentiert, ohne einen menschlichen Kontakt. My life: docu und drama zugleich.

Auch eine Trotzphase kommt vor: ich bin noch Regisseur brüllt er in die Kamera. Ich habs nicht verlernt. Aber drei Jahre habe er keinen Film mehr gemacht. Er schimpft über den Teil der Filmwelt, der nur masturbiere, die Assholes. Evil, das kann ich auch. Das deckt sich mit Godard, zu zeigen, wie ein Huhn getötet wird, das ist keine Kunst. Ein bisschen böse sein, das ist keine Kunst. Was aber wäre denn Kunst, das beantwortet er nicht, weil er die Frage nicht stellt.
Sadismus, Self-Torture, Masochismus.

Auf die Frage, was der Mensch, das Leben sei, bringt er den Vergleich mit Benzinverbrennung, Umwandlung von Energie oder mit elektronischen Teilen, die transformieren.
Der Kampf und die Natur.
Immer klopft es wieder, aber niemand da, außer dass die Katze mal raus will. Warten auf was?
Am Steuer seines Autos schreit er STOP IT KIM KI DUK!
I stop it here.

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