Chinese zum Mitnehmen

Das Leben ist sinnlos und absurd. Darum macht es Sinn, nebst einem Leben, was eben sinnlos und absurd ist, absurde Geschichten, die angeblich passiert sind und die die Zeitungen abdrucken, auszuschneiden und zu sammeln, so wie Roberto, unser Protagonist es handhabt. Eine schöne Theorie über das Geschichten-Erzählen. Ein Film, der also auch eine Begründung fürs Geschichtenerzählen liefert. Diese Art Filme sind meist nicht von der schlechtesten Sorte, der hier jedenfalls garantiert nicht.

Roberto lebt allein, irgendwo in Argentinien. Er betreibt eine „Ferreria“, einen kleinen Eisenwarenhandel. Besonders machen ihm die Nägel zu schaffen, weil der Lieferant meist weniger in die Packungen steckt als angeschrieben sind. So zählt er denn die Nägel. Wie wir ihn kennen lernen, ist er gerade bei etwas über dreihundert angelangt. Und wieder fehlen einige. Sowas macht ihn narrisch. Macht aber auch sein höchst geregeltes Leben absurd. Daher hat er wohl das Faible für absurde Geschichten.

Er geht immer pünktlich um 23 Uhr schlafen. Regelmässig besucht er das Grab seiner Mutter. Auch das scheint ein Ritual zu sein. Mit dem immer gleichen Blumenstrauß, den er beim gleichen Blumenhändler beim Friedhof kauft. Zum Geburtstag der Mutter bestellt er per Versandhandel ein kleines Glastier, ein Vögelchen und stellt es in die Andachtsvitirne seiner Mutter, deren Portrait inmitten jeder Menge von derlei Nippes prangt. Auch dieses Ritual muss also schon Jahre dauern.

Roberto hat auch eine Verehrerin. Diese baggert ihn so direkt an, auch das ist so herrlich, dass sie in ihm nur die absurdesten Träume auslöst; er erlebt in diesen Träumen selbst die Geschichten, die er aus Zeitungen ausgeschnitten hat. Die Zeitungen, also was von denen übrig geblieben ist, bringt ihm ein Bekannter.

Roberto ist also ein Sammler. Außerdem ist er ein Flugsehnsüchtiger, im Auto baumelt am Rückspiegel ein kleines Flugzeug. Gelegentlich fährt er mit seinem lottrigen Fiat 1500 zum Flughafen, um die Flugzeuge beim Landen oder Abfliegen zu beobachten. Dort passiert ihm dann selbst eine vollkommen absurde Geschichte: aus einem Taxi wird ein Chinese rausgeschmissen, direkt ihm vor die Füße. Um den kümmert er sich und wird ihn nicht mehr los. Das wird der Hauptteil dieser verrückten Geschichte aus Argentinien.

Wie Roberto, der Einzelgänger, den ihm zugefallenen Chinesen mangels Alternativen und aus einer doch noch nicht ganz erloschenen Menschlichkeit provisorisch bei sich aufnimmt. Wie er ständig versucht, ihn loszuwerden. Wie die beiden Einzelgänger nun, die die Sprache des anderen nicht verstehen, miteinander umgehen, das ist diese wunderschöne Geschichte, die selbst in einen überaus absurden Rahmen gespannt ist und darum das Zeugs hat, selbst eine diese unglaublichen Geschichten zu werden, die unser Protagonist sammelt.

Der Regisseur dieses kleinen, ruhigen, verrückten Wunderwerkes heißt, er hat auch das Buch geschrieben, Sebastian Borensztein.

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