Sherlock Holmes: Spiel im Schatten

Jetzt machen wir hier so richtig einen drauf mit Effekten und Hans Zimmer soll, was er an Tönen und Phon zusammzwingen kann, darüberkomponieren, das scheint sich Guy Ritchie, der Regisseur, gesagt zu haben.

Sherlock Holmes, gespielt von Robert Downey Jr., sieht in jedem Moment übernächtigt und fertig aus, als ob er letzte Nacht mehrer Frauen glücklich gemacht habe. Das macht attraktiv, auch wenns nur die Maske war mit der Akzentuierung dunkler Ringe unter den Augen. Vor lauter Verkleidungen, manchmal chamäleonhaft wie ein Polsterstuhl, auf den er sich gerade gesetzt hat, vor lauter Kämpfen und Schießereien kommt er gar nicht dazu, sein zotteliges Haar zu richten. Und Pfeife rauchen soll er auch noch. Soviel schuldet er doch seinem Vorbild von Arthur Conan Doyle.

Schon bei „Sherlock Holmes“ von 2009, verfilmt von demselben Guy Ritchie, haben wir gesehen, dass ihn nicht das uns vertraute Bild des skurrilen, grüblerischen, teils weltfremden dann doch wieder hellwach kombinierenden Verbrecherjägers interessiert, sowas findet Ritchie nur fad. Und da er offenbar Erfolg mit seinem dem Original gegenüber respektlosen Rezept hatte, versucht er jetzt mit „Sherlock Holmes – Spiel im Schatten“ noch eins drauf zu setzen, versucht die Distanzierung vom vielleicht etwa angestaubten Original noch zu perfektionieren. Ritchie benutzt die berühmten Figuren lediglich als Vorwand für einen Fez an Effekten, um seinen Kinospleen auszuleben, dass einem schier schwindlig wird in den zweieinhalb Stunden, als ob man in einer zudröhnenden Disco gewesen wäre.

Die Kombinationsgabe von Holmes, das hat Ritchie schon bei der ersten Verfilmung praktiziert, die gibt jedesmal Anlass für ein schnelles Schnittpotpourri aus Closeups der zu kombinierenden Gegenstände, wie in einem Trailer, wie in einem Mini-Kurzfilm. Psychologie, scheiß drauf. Eine gewisse Skurrilität ist sogar noch da; wie Watson Holmes das erste Mal aufsucht und sich hinter der Tür ein dichtes Urwaldbuschwerk breit macht mit Ziegen dahinter für absurd anmutende Experimente; eher das Labor eines Magiers, wie denn sowieso vieles in diesem Film an Zaubertricks erinnert, zum Beispiel der an der Decke klebende Kosak bei der Szene mit dem Kartenlesen. Willkommen im Zauberkabinett des Dr. Holmes resp. von Dr. Ritchie.

Hemmungslos frönt Ritchie seinem Faible für Spielereien mit dem Kino, so als befinde sich dieses noch in einer Phase seiner Unschuld. Die Flucht aus der Munitionsfabrik in Heilbronn durch den Wald und der Geschützregen hinter den Fliehenden her, den benutzt er für herrliche Bilder der Fliehenden, wie er sie immer mehr in Zeitlupe abbremst, damit man ganz genau sieht, wie die Kugeln sie verfehlen und die Rinden der Bäume häuten. Oder Eisenbahnfahrtsaction wie schon hundert Mal gesehen, aber immer wieder lustig und mit WC-Armaturen, die zu Waffen umkombiniert werden können. Das sind wunderbare Effekte oder Erfindungen. Und davon setzt Ritchie reichlich ein, in Paris, in der Schweiz in einer Art Schloss Neuschwanstein, was in schwindelnder Höhe auf einen Felsvorsprung gebaut ist. Oder in Paris und London.

Kino als ein turbulenter Ritt durch eine Effekten-Geisterbahn mit den immer wieder auftauchenden Figuren Holmes und Watson und natürlich der böse Gegner, der gerade auf dem Weg zu Weltherrschaft ist, Professor James Moriarty, eine Art James-Bond-Antagonist.

Die Sprache wird von den Drehbuchautoren Michele und Kieran Mulroney als ein Fundus von seltsamen Wörtern betrachtet, die aufgefahren werden aus den verschiedensten Bereichen, Wissenschaft, Rüstungsindustrie, Forschung oder allgemeine Weisheiten über das Leben („besser sterben als ein Leben im Fegefeuer“) und auch die Kultur wird geplündert, Schubert und das Lied von der Forelle. Urbane Camouflage, der Tod des Dr. Hofman, seltene Form der Tuberkulose, Trockenobst aus Pfirsichen, Igelgulasch, das rote Büchlein und das Taubenfüttern.

In manchen Szenen überträgt sich direkt die pure Lust des Regisseurs am Spiel mit diesen Action- und Effekten-Versatzstücken um ihrer selbst willlen. Eine Art l’art pour l’art de l’effet um Sherlock Holmes herum, ein buntes Sammelsurium an Begriffen, die offenbar eher der Buntheit und nicht der Begrifflichkeit wegen eingesetzt werden.

Wühltisch oder Flohmarkt, das ist hier die Frage – oder war es doch nur Kostümparty in der Zauberdisco?

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