Another Earth

Die Co-Autorin Brit Marling spielt auch die Hauptrolle der Rhoda Williams. Diese war eine hoffnungsvolle Astrophysikerin, bis ein Unfall sie aus der Bahn und ins Gefängnis geworfen hat. Nachher wollte sie mit Wissenschaft nichts mehr zu tun haben. Sie wohnt zwar wieder zuhause bei ihren Eltern und ihrem Bruder, aber in einer ausgeräumten Dachkammer und arbeitet als Putzkraft in einer Schule. Und schließlich auch bei John Burroughs, gespielt von William Mapoter, mit dem sie eine geheimnisvolle Sache verbindet, die dann, das ist der Content der Story, nach diversen vertrauensbildenden Maßnahmen und einer Annäherung, die auch eine sehr physische Variante im Bett beinhaltet, schließlich zur Sprache kommt. Als Käseglocke über dem ganzen Prozedere dient ein großer oft am Himmel zu sehender Planet, der eine Parallelwelt behauptet, die in einer Relation zur Hierwelt steht, mit der problematischen Kondition, dass sie, sobald sie bewusst wird, zerspringt wie Glas.

Ichs und parelle Ichs, ist dann ganz kurz auch die Frage. Diese Käseglocke, wie ich es hier nennen möchte, bestimmt die ganze Atmosphäre des Filmes. Sie wird in einer den Amerikanern wohl inzwischen in die Gene übergegangenen selbstverständlichen, leichten und ungenierten Bildsprache herbeigezaubert. Dazu trägt das Spiel der beiden Protagonisten bei; Rhoda agiert fast immer verlangsamt, oft mit schuldbewusstem Blick, wie in Trance, fremd und hier zugleich, nur beim Putzen, da kann sie „realistisch“ zupacken; sonst geht sie eher wie auf Eiern, wie in einer unbekannten Welt.

Das ist vielleicht ein naives Sehnsuchtsbild; Verkörperung des Unkörperlichen, dessen, was nicht mehr an der Erde haftet, also auch ganz von etwas Idealistischem, so könnte man sich auch die Iphigenie vorstellen, auch am Rande des Wahnsinns oder der Wahnsinn wäre auch eine Parallelwelt dazu. Ihr Partner, der übrigens Komponist ist, der spielt am Rande des gerade noch Realistischen, Fleisch und Blut halten sich sehr zurück, es ist ein überwiegend mentales Spiel, was die bestimmt auch geprobt haben.

Der Regisseur Mike Cahill, der mit Brit Marling das Buch geschrieben hat, entwirft eine Atmosphäre, die schon sehr in der Nähe schwärmerischer, süßlich schwärmerischer Jugend anzusiedeln wäre. Der Film soll in Sundance eine begeisterte Aufnahme gefunden haben. Weil er sich von der Sehnsucht und der Schönheit, die von Trauer und Betroffenheit begleitet ist, hinreißen lässt? Sich reinfallen lässt in Gefühle und mit höchstens einem Hauch an Geschichte unseren Gehirnen keine anstrengende Aktivität abfordert?

Erinnert mich an die Schwärmereien religiöser Jugenden jeglicher Provenienzien. Aber das schätzen sicher viele, dass hier nicht stirnrunzelnd analysiert wird, hier wird über die Analyse der Schleier einer durch nichts zu widerlegenden Behauptung einer Parallelwelt, die rationaler Durchdenkung nicht einen Millimeter standhalten würde, gelegt. Wir wollen keine Probleme. Wir wollen Gefühle. Reine Gefühle. Konflikte passen nicht in so einen Film. Eher ist er eine Art Messe, eine sehr schöne Messe. Auch immer wieder die verwirrte oder irritiert herumgeisternde Frau, in Zimmern und Fluren und Straßen. Wie sie in ihrem leergeräumten Dachzimmer versunken sitzt. Ein schönes Bild. Schönheit um der Schönheit willen. Andachtsbilder sind das. Man müsste nicht viel daran ändern und sie würden umstandslos in die christliche Marienikonographie einzufügen zu sein.

Das opferhafte Gehabe von Rhoda. Hier wird nicht erzählt, hier wird zelebriert. Manche Bildern erinnern an Botticellis Primavera, aber sehr verhaucht. Das ist auch nur Schönheit und nicht Story. People living in the edge of light, heißt es an einer Stelle. Hier geht es nicht um Macher, Macker oder Bodychecker, nicht um Reiche und Betrüger, hier ist man der Alltäglichkeit, bis auf einige symbolische Putzgesten, entrückt. Entrückt entrückendes Kino, das kommt offenbar an in den gebeutelten Staaten.

Hier kann ich mir das weniger vorstellen. Zum Beispiel wie Rhoda das zelebriert, mit welcher Langsamkeit, wie sie in einer Tankstelle oder einem Supermarkt Gummibären kaufen will. So kauft kein Mensch ein. Aber das hebt sich andererseits kunstvoll und wohltuend ab von dem vorherrschenden Pseudorealismus, mit dem speziell bei uns das Kino vom Fernsehen infiziert wird. Wie eine Nachtwandlerin gibt sie uns zu verstehen, sie ist nicht von dieser Welt. Wenn das nicht mal die Arroganz des Göttlichen verrät. Beim Putzen steht sie in der Schule vor der Inschrift „The End of World ist here“. Clo-Pathetik.

Main-Heaven. Wo kommt sie her. Aus dem Himmel. Von Main. Nein von … New Heaven.
Sie ist vom neuen Himmel.
Welt der Retardierung und der Verlangsamung.
Ihr Gang wie gestört, abwesend, oder als ob sie unter dämpfenden Mitteln stehe. Das ist reiner Kitsch, wenn man es sich genau überlegt. Genre-Kino, was Gefühle wecken will, was vom öden Alltag abheben will.
Es kommt auch noch, welch christliches Symbol, der blinde Putzer von der Schule vor, der sich selbst geblendet hat und der dann ins Spital kommt und sie besucht ihn, so feierlich, da müssten Papst und Christus den Kürzeren ziehen.
Er hat den guten Rat parat: learn to adjust yourself! Beweis einer gewissen Naivität.
Impressionen, Komponist.
Dann noch das Gewinnspiel mit dem Raumflug.
Ein liebes Gespräch der Annäherung. Why are you cleaning Houses.
How old are you?
Ein Ausbruch der Wut bei John, wie sie einen roten Sweeter gewaschen hat; sie nimmt ihn gerade in die Hände und auch da zeigt sich die latente Kitschhängigkeit der Autoren, wie die Fitzelchen da wie der Flitter vom Christbaum in der Luft hängen, zauberhafte, entzückende, entrückende Welt.

Er entschuldigt sich später bei ihr: Can I take you somewhere.
Also doch auch ein ziemlich oberflächlicher Realismus noch dreingepackt.
Aber frei von Geist, jedoch voll bedeutungsvoll sich gebenden Gefühls. Den Geist musst du nicht mitnehmen in dieses Kino.
Auch schön: wie John mit dem Geigenbogen auf dem Sägeblatt spielt, das ist ein eindeutiges Indiz für die Stimmung im Film, für die Haltung, mehr wollen die gar nicht. Eher ein Konzert mit Stimmungsbildern von verwunschenen Welten.

Krass ist, dass in all der Stimmung, nachdem sie den Raumflug gewonnen hat, noch ein Medienzirkus auftaucht, ohne einen solchen können sich die Amerikaner die Welt offenbar gar nicht mehr vorstellen, aber von dem bleiben lediglich die Lichter und die Lichtstimmungen, das Kitschige also. Keine ernsthafte Auseinandersetzung.

Die Sehnsucht nach Entlastung von Existenz, die Sehnsucht nach Schwerelosigkeit, die sich in diesem Film artikuliert. Das können sicher viele nachempfinden.
Der Titel sagts: another Earth. Der Traum von einer anderen Welt. Ich bin nicht von dieser Welt (hat mal eine sehr sendungsbewusste religiöse Ikone gesagt).
(Der Film ist aber leider nicht so gut, dass man alles ausplaudern dürfte; wenn er er richtig gut wäre, wäre das kein Problem, das mit dem Unfall etc.)

Ein Gedanke zu „Another Earth“

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