Nur für Personal

Der Film illustriert für mich die Einsicht, dass sich im Grunde genommen bei den Menschen nichts ändert. Er könnte, was die zwischenmenschliche Konstellation und Dynamik betrifft, Jahrhunderte früher oder auch heute spielen; in Deutschland ist das mit dem Personal ein Trend, der wieder im Kommen ist. Es gibt Dienende und Herrschende. Und manche treibens mit dem Küchenpersonal oder vielleicht auch in Besenkammern.

Der Film spielt im Paris von 1960. Die alten Pariser Stadthäuser hatten vornehme Wohnetagen für die Herrschaften und unterm Dach, durch Hintertreppen mit Eingängen zu den Küchen erreichbar, im 6. Stock, da hauste das Hauspersonal in einer Art Dachkammer-WG. Vornehmlich sind es Spanierinnen, die Französinnen sind inzwischen zu teuer oder zu unzuverlässig.

Das Ehepaar Joubert wohnt nach dem Tod der Mutter und der Verschickung der halbwüchsigen Söhne ins Internat inzwischen allein in einer dieser Wohnungen. Frau Joubert war ehemals ein Landei, langweilt sich, will die Wohnung der Mutter ausräumen, aber die langgediente „Bonne“, so heißen die Hausmädchen in Frankreich, möchte deren Zimmer so lassen wie es war, aber Frau Joubert möchte daraus ein Arbeitszimmer für sich machen, für ihre Aktivitäten wie beispielsweise die Wohltätigkeit. Das führt zu Spannungen zwischen der Bonne und der Dame. Den kürzeren zieht die alte Bonne. Sie wird gekündigt.

Madame Joubert findet bei der Kirche einen Ersatz aus Spanien, Maria, die durch die Besetzung mit Natalia Verbeeke eher den Typ von Hausmädchen verkörpert, der garantiert später eine Madame wird. Jetzt kann endlich das Zimmer der verstorbenen Mutter geräumt werden, einige Möbel und Gegenstände werden unters Dach verfrachtet, in die 6. Etage. Herr Joubert, der in Aktien- und Obligationengeschäften macht (eine reiche Erbin ist erst geschockt, wie sie Obligationen erwerben soll, denn sie versteht den Begriff als „Verpflichtungen“), von der Besetzung mit Fabrice Luchini her allerdings eher der leicht verklemmte höhere Beamte aus dem Finanzministerium, aber das tut nichts zu Sache, es geht um die Illustration, wie anfangs angemerkt, eines Verhältnisses, das wohl immer wieder passiert, immer latent vorhanden ist, dasjenige zwischen der Herrschaft und dem Personal, das erotische nämlich. Über sowas ist schliesslich auch Dominique Strauss-Kahn gestürzt. Soviel zur Aktualität.

Wozu bieten sich Dachkammern besser an, als einander näher zu kommen. Gezwungenermassen lernt Herr Joubert dabei auch die anderen Bonnes, alles wunderbare spanische Frauen, kennen, wie sie da leben, ihr verstopftes Clo, weshalb er sofort den Spengler ruft. Ihm gefällt der fröhliche, sorglose, lebendige Elan Vitale dieser Frauen. Der beflügelt ihn. Der zieht ihn immer wieder unters Dach. Bis seine Frau zu vermuten anfängt, er habe eine Liaison. Davon ist Joubert allerdings weit entfernt. Und wie er die Wahrheit erzählt, dass er bei Concepcion ihre neue Wohnung gefeiert hat mit all den Bonnes, da glaubt sie ihm nicht und schmeißt ihn raus. So zieht er, dem das Haus gehört, selbst in eine Kammer unterm Dach. Um selber das einfache Leben kennenzulernen und zu praktizieren.

Der Film ist gemacht mit der Routine eines zeitlosen, bewährten Inszenierungs- und Darstellungshandwerkes. Auch dies praktisch eine Stützung meiner Behauptung, es gehe hier um das, was sich bei den Menschen nicht verändert. Die gleichen Geschichten, die gleichen Gefälle. Die gleichen Sehnsüchte. Das Personal möchte Herrschaft werden. Die eine heiratet immerhin einen Coiffeur. Und erzählt dann, was sie dort alles machen wird, nämlich nicht Haare schneiden, sondern genau das, was sie vorher schon bei den Herrschaften gemacht hat: Kochen, Waschen, Putzen, Aufräumen. Auch hier: ein Kreislauf des Ewig-Gleichen.

Für diese Lektion hätte allerdings eine etwas kürzere Laufzeit des Filmes auch gereicht. Aber sie war im Rahmen dieser Erfahrungswerte erprobt unterhaltsam gemacht. Für Buch und Regie zeichnet Philippe Le Guay verantwortlich.

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