Black Brown White

Der Titel „Black Brown White“ hört sich ähnlich an wie „Schwarz-Rot-Gold“, das war der Titel einer deutschen TV-Serie, die etwa Mitte achtziger bis Mitte neunziger Jahre vorigen Jahrhunderts lief, mit Uwe Friedrichsen in der Hauptfigur eines Zollfahnders. In „Black Brown White“ geht es auch um Schmuggelware; Menschenschmuggel aus Afrika in den Schengenraum.

Fritz Karl spielt den Fernfahrer Don Pedro, der erntefrischen Knoblauch aus Mitteleuropa, genauer aus Österreich nach Marokko fährt. Dieser wird dort mit billigsten Arbeitskräften supermarktgerecht umgepackt und dann wieder zurückverfrachtet. Hinter der Rückfracht versteckt in einem kleinen Zwischenraum zwischen Laderaum und Fahrerkabine schmuggelt Pedro ein Dutzend Menschen in den Schengenraum. Das bringt 120’000 Euro pro Fahrt. Ein brutalaktuelles Thema.

Ein Roadmovie also vor dem Hintergrund des Armuts- resp. Wohlstandsgefälles Europa/Afrika. Das verwundert nicht, denn der Filmemacher heißt Erwin Wagenhofer und ist noch in bester Erinnerung als Dokumentarist von „We feed the World“ und „Lets make money“ über industriellen Nahrungsproduktions- und Transportunsinn anhand konkreter Beispiele und über gewissenlose Spiele mit Investitionen.

Unter anderem ging es im ersten Film um die Produktion von Tomaten in Treibhäusern in Spanien und den Folgen auf den Wasserhaushalt und im zweiten um den Bau nur um des Gewinnes willen von riesigen Wohnlagen in Spanien, die alle leer stehen. Es spricht für Wagenhofer, dass er diese Elemente in seinen Menschenschmuggel-Krimi – so könnte man das Roadmovie auch nennen – einbaut, denn die Dinge hat er ausweislich seiner ersten Filme gründlich recherchiert.

Die dokumentarische Schulung seines Machers wirkt sich überhaupt positiv auf die Exposition des Filmes aus. Es wird in einem gemächlichen, aber guten Fluss erzählt. Die Figuren werden in einfachen Szenen und knappen sinnigen Dialogen vorgestellt und nach einer Auseinandersetzung mit seinem Chef Jimmy, der wird von Karl Markovics im Rollstuhl gespielt, geht’s flott los mit dem Truck, der beschriftet ist „Just in Time“, durch eindrückliche Landschaftsbilder aus dem teils wüstenhaften Spanien. Pedro soll unterwegs noch einen neuen Kollegen treffen, Alf, der kommt aus Osteuropa und scheint ein Greenhorn zu sein; der ist superglücklich über die paar Tausend Euro, die er mit wenigen Fahrten verdienen kann, wenn er nur „in Time“ ankommt.

Davon, dass er unterwegs einen Anhänger übernehmen soll, in dem Menschen versteckt sind, weiß er nichts. Pedro ist inzwischen auf der Überfahrt nach Tanger. Die imposante marokkanische Landschaft empfängt unseren LKW. Der Aufenthalt dauert nicht lange. Die Geschichte der Rückfahrt wird aber kompliziert dadurch, dass eine Frau mit Kind auf gar keinen Fall im Versteck mitfahren will; sie hat aber bis Genf bezahlt; sie spricht nebst ihrem Heimatdialekt aus Ghana auch ein schweizerisch gefärbtes Hochdeutsch, denn ihr Mann sei Schweizer und arbeite in Genf. Zum Glück ist Don Pedro in Marokko einem Arzt von der Organisation „Médecins sans Frontières“ begegnet; den spannt er, ohne dass er genau weiß, was Sache ist, in den Schmuggel der Frau mit Kind ein; denn der Arzt hat einen Diplomatenpass und kommt so viel easier über die Grenzen.

Ein Zwischenfall mit dem Buben führt zu einem verlängerten Aufenthalt in einer der Tomatenplantagen und lastet erschwerend auf der Heimfahrt. Eine leerstehende Villa der aus dem Dok-Film bekannten Siedlung bietet sich idealerweise für die Übernachtung von Pedro, der Ghanesin und deren Buben an. Und auch für diverse Gespräche. Allerdings kommt Greenhorn Alf bald dem Zweck des Anhängertausches auf die Spur. Der Anhängertausch als Trick zur Vermeidung von Zollkontrollen, denn Alf hat mit seinem LKW den Schengenraum nie verlassen. Alf will auch am Gewinn partizipieren.

Das Problem im weiteren Verlauf des Roadmovies scheint mir zu sein, dass dem gründlich-seriösen Dokumentarfilmer Wagenhöfer das Gewissen des Dokumentarfilmers der bezüglich Realismus gelegentlichen und nötigen Gewissenslosigeit des Fikitonsfilmers einen Streich gespielt hat. Denn diese Tomatenplantage und die Villensiedlung, die lassen die Fortbewegung wie zum Stillstand kommen; auch scheint die Präsentation, die Vorführung dieser Dinge Wagenhofer viel wichtiger gewesen zu sein, als stringent dem Handlungsfaden zu folgen. In vielen Gesprächen, die vor allem Pedro mit der Frau aus Ghana führt, wird auch die Message, die Wagenhöfer verbreiten will, für einen Fiktionfilm einfach zu dick und breit und storybremsend aufgetragen.

Zum Beispiel gibt es während einer Fahrt ein Gespräch über Funk zwischen Jackie, so heißt die Frau aus Ghana, die im Versteckt sitzt, und ihm am Steuer. Sie schildert dabei ausführlich das ganze Elend ihrer Familie und die Fluchtbedingungen. Das ist sehr drastisch, auch die Geschichte vom starken Bruder, den sie erschöpft einfach zurücklassen mussten.

Wagenhöfer erzählt sehr, sehr sachlich, sehr sehr seriös. Allerdings sagt Pedro etwas oft „Scheiße“, wenn etwas misslingt. Da dürfte das Studium der Fahrerfigur unter einem Übergewicht des Studiums der Verhältnisse gelitten haben. Im fiktionalen Film sind die Figuren es, die in ihrem Handlungszusammenhang den Spannungsbogen halten und nicht die Umstände. Hier aber sind zuviele Gespräche lediglich darum geschrieben, um die Verhältnisse zu schildern. Zum Beispiel eine Szene, in der Pedro Jackie Schuhe kauft. Zeigt, dass er ein gutmeinender Mensch ist, bringt aber nichts für die Handlung. Demonstration statt Spannung.

Oder die Erklärungen zu den Investitionsruinen, wie sie in eine der leerstehenden Villen eindringen und sie sagt, das sei doch illegal, was sie tun und Pedro (hier garantiert mehr Wagenhofer als Pedro) antwortet: es sollte illegal sein, solche Häuser zu bauen. Das ist honorig aber nicht fictionförderlich. In solchen Momenten wird klar, dass Wagenhofer nicht präzise definiert hat, welchen Konflikt er erzählen will; er will auf solche sozialen und wirtschaftlichen Probleme aufmerksam machen, aber er scheint nicht gründlich genug untersucht zu haben, wie er diese Infos so ganz nebenbei in die Spielhandlung einfließen lassen kann.

Für den Verkauf eines Filmes dürfte es wie eine Mogelpackung aussehen, wenn behauptet wird, es sei ein Roadmovie; während es ein Movie ist, was unter dem Vorwand der Road, primär auf Sachverhalte und auf krasse Ungerechtigkeiten aufmerksam machen will. Die Kunst des Fiktionalen wäre dann, diese Sachverhalte konfliktförderlich in die Story einzubauen, sie für die Story zunutze zu machen, statt die Story so zu biegen, dass man diese Sachverhalte vorführen kann, das dürfte das sein, was einem mit einem halbe-halbe Gefühl aus diesem an sich schön gemachten Film entlässt. Wenn ich Unterhaltung will, dann gehe ich nicht in eine Aufklärungsstunde.
Außerdem gibt’s dann doch auch doofe Dialoge, etwa wenn Jackie rebelliert und Don Pedro ein Monster nennt und er antwortet „Sie schaffen es“, das hört sich leider eher an wie platter TV-Kram. Am Drehbuch hat Cooky Ziesche mitgearbeitet.

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