Hotel Lux

Zwei Stand-up-Comedians im Berlin um 1938, die mit einer Hitler- und eine Stalinparodie Furore machten, müssen aus Deutschland fliehen. Sie landen beide in Moskau im Hotel Lux, in dem sich viele Flüchtlinge zusammenfinden, die aber dort vor Säuberungen auch nicht sicher sind. So gelingt den beiden Parodisten in ihren Parade-Parodie-Rollen die Flucht aus Russland mit Hilfe einer Pilotin, die auch in diesem Hotel war.

Das wäre Stoff für einen aberwitzigen Studentenkurzfilm, der vermutlich gerade aus dem Mangel an Geld mit Witz und Humor (bissig bis schwarz) und Esprit auf die Leinwand gedonnert werden könnte. Leider wird der Kurzfilmstoff bei Leander Haußmann, der zu allem Unglück zusammen mit Uwe Timm auch noch das Buch geschrieben hat, auf 110 millionenteure Filmminuten ausgewalzt und weil das zur Austreibung allfälliger Substanz noch nicht reichte, in einer unsäglichen formalingetränkten Orchestersuppe ertränkt. Da konnte der vortreffliche Schnittmeister Hansjörg Weißbrich beim besten Willen gerade noch den äußeren Anschein eines Spielfilmes zusammencutten.

Witz und Humor und Esprit glänzen hier mit fast vollkommener Abwesenheit oder sind reduziert auf die Leander Haußman vielleicht entgegenkommende Atmosphäre eines McDonald-Kindergeburtstages, werden auf Witzchen und Sprüchlein geschrumpft. Alles schön familiär.

A propos familiär, das ist das Stichwort zum Cast. Ein merkwürdig theatralischer, eindimensionaler Cast. Es gibt hier zwei Ausnahmefiguren, die für mich internationales Kinoformat durchblicken lassen. Es ist der Darsteller des Stalin, Valery Grishko, schwerer Held, und der Darsteller des Parodisten Hans Zeisig, Michael Bully Herbig. Der kommt sehr persönlich rüber, wenn ihm auch unglücklicherweise viel zu viele geistarme Kicherwitzchen als Dialog verordnet worden sind. Er bringt das trotzdem mit angenehmer Stimme und Noblesse. Aber um ihn rum, so scheint es mir, läuft der vollkommen falsche Film ab. Wenn ich ihn sehe, denke ich an eine grandiose Beziehungs- oder Abenteuerkomödie und Bully vielleicht den Entwicklungen immer einen Schritt hinterher, weil er auch was Verträumtes hat. Aber nie das perfekt Hingeklotzte eines Jürgen Vogel, der den Hitlerparodisten hölzern zimmert. Bully hat Charme. Insofern ist er ein Fremdkörper in einem so besetzten deutschen Film. Bully ist geschmeidig. Und vermutlich hat Bully auch eine sehr ernsthafte Arbeitshaltung an den Tag gelegt, zurecht beeindruckt von den (Theater)Regiefähgikeiten eines Leander Haußmann und eingedenk dessen, dass er nicht von einer dieser Schauspielschulen kommt. Da kommt was raus. Ein bisschen hat Haußmann ja auch Sprachregie mit allen geführt, aber auf einer sehr technischen Ebene, was nicht reicht, die Figuren attraktiv zu machen oder Tiefe oder Mehrschichtigkeit erahnen zu lassen.

Warum ich diesem Film kein langes Erdenleben prophezeie, das ist einmal mehr hauptsächlich das Buch. Das ist eine einigermaßen chronologische Aneinanderreihung von Szenen, die den Gesamtsachverhalt oder den Themenkomplex Hotel Lux unterm hervorgehobenen Aspekt von Zeisig und Meyer (Vogel) illustrieren sollen. Ein Buch, was keine Ahnung zu haben scheint von Konflikten, die eine dramatische Handlung vorwärtstreiben und den Geist des Zuschauers bannen können. Ein Buch, was die Rezeptionstechnik des Kino-Zuschauers zu ignorieren scheint.

Was dem Film zusätzlich einen Hauch von Blässe gibt, das sind die Parodienummern aus dem Berlin der 30er Jahre. Das können heutige Darsteller schlicht nicht mehr. Sie haben nicht die Technik und auch nicht die Erfahrung der damaligen Stand-Up-Comedians. Das hätte vielleicht reflektiert werden müssen.

Man könnte auch sagen: ein Film voller Diskrepanzen.
Diskrezpanz zwischen Thema und der vollbusigen Musiksauce.
Diskrepanz zwischen finanziellem Aufwand und bescheidenem geistigem Ertrag.
Diskrepanz zwischen Stand-up der 30er und den heutigen Darstellern.
Dirskrepanz zwischen Inhalt (für einen Kurzfilmsketch geeignet) und der breiten Auswalzung auf fast zwei Stunden mit hohem, auch öffentlichem, Millionenbudget.
Diskrepanz zwischen Stil von Haußmann und dem Ernst des Themenkomplexes. Haußmann verniedlicht, vernettet, ohne dieses zu kennzeichnen.
Diskrepanz zwischen Anspruch und Bedürfnis des Familiären von Haußmann und einem teuren Ad-Hoc-Cast, der zu keinem Ensemble zusammenwachsen kann. Im Ensemble-Fall könnte es sogar funktionieren, ein Hinweis darauf wäre die „Sonnenallee“.
Diskrepanz zwischen durchaus einzelnen schönen Bildern, die aber keinen Spannungs-Zusammenhang ergeben wollen.
Überdimensionierung kleiner Gags: wenn Bully, der mit dem Astrologen Hitlers verwechselt wird und auf den Stalin scharf ist, zur Privataudienz bei Stalin das Haus betritt und dem Diener die Hand reichen will und der streckt ihm statt dessen Pantoffeln entgegen. Das ist ein billiger Operettengag. Oder Schülertheater. Nichts dagegen, aber müssen dafür Millionen Gebühren und Steuegelder ausgegeben werden?

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