Die Wahrheit der Lüge

Ein Mann hält sich zwei Frauen, angekettet in einem tiefen Keller. Er treibt perfide Psychsospielchen mit ihnen, quält und foltert sie, doch der Lebenswille der Frauen will einfach nicht zerbrechen. Vielleicht liegt das daran, dass der Mann den Frauen mitgeteilt hat, wann er sie wieder freilassen wird, so haben sie stets ein Fünklein Hoffnung vor Augen. Der Mann kommt in die Bredouille, denn sein unbedingtes Ziel ist es, die beiden Frauen innerhalb der gesetzten Zeit „zum Gipfel“ zu führen.

Diese Ausgangssituation eröffnet Die Wahrheit der Lüge, den neuen Film von Roland Reber. Wie in seinen bisherigen Filmen schart Reber das Kernteam seiner wtp-Filmproduktion um sich; inszeniert ohne Filmförderung, ohne große Kosten oder anderes Tamtam, minimalistisch. Mit jeder Menge Herzblut aller Beteiligten und dem, was drumherum noch nötig ist, nicht mehr.

Einzig technisch hat wtp massiv aufgerüstet seit der letzten Produktion: Gedreht wurde auf einer Arri Alexa, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Dramaturgisch – leider kann mehr über die Filmhandlung nicht erzählt werden, ohne den Filmgenuss stark zu beeinträchtigen – hat sich Roland Reber stark dem Mainstreamkino angenähert: Die Handlung ist stringent und sinnfällig, alle Entscheidungen und Konsequenzen sind jederzeit logisch nachvollziehbar, es gibt Twists und Wendungen sowie überraschende Enthüllungen, die das Erlebte rückwirkend in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dies kommt dem Film sehr zu Gute, denn auf diese Weise ist er einem weit breiteren Publikum zugänglich als die bisherigen, doch sehr theateresken, eher kopflastigen Filme von Reber.

Nichtsdestoweniger kommt das Grübelzentrum im Gehirn bei diesem Film noch lange nicht zu kurz. Was für Saw, Cube und anderen Gefangenschafts-Horrorstreifen die Frage nach dem Wie, ist für Die Wahrheit der Lüge die Frage nach dem Warum. Klug und gekonnt überlässt es Roland Reber dem Zuschauer selbst, sich seine Meinung zu bilden. Zum Ende des Films wird kein Faktum unbekannt sein, doch die Frage nach dem Warum wird den Zuschauer noch eine ganze Weile umtreiben. Menschliche Abgründe auszuleuchten, ist eine der großen Fähigkeiten von Roland Reber, er hat nur seinen Stil etwas geändert.

Bei der Besetzung trifft der Zuschauer auf alte Bekannte: Marina Anna Eich spielt eine der Entführten, Antje Nikola Mönning eine Partnerin des Entführers. Dieser wird von Christoph Baumann gespielt, den man mittlerweile getrost als Hausdarsteller für wtp ansehen darf. Julia Jaschke ist ein Neuzugang im wtp-Universum, sie spielt die zweite Entführte. Weitere Rollen kommen nur am fernen Rande vor und sind weitgehend unwichtig für den Handlungsfortgang.

Die Dreiecksbeziehung zwischen den Entführten und dem Entführer ist das Fundament, auf dem der Film ruht. Die Beziehung des Entführers zu seiner Geschäftspartnerin ist der Hebel, der dieses Fundament jederzeit aushebeln kann. Diese Drei-plus-Eins-Konstellation erlaubt es, alle möglichen Beziehungsvarianten der klassischen Dreierbeziehung um eine ganze Dimension zu erweitern und damit exponentiell zu verkomplizieren. Ein geschickter dramaturgischer Schachzug, denn so kann alles, was eben noch in Stein gemeißelt schien, jederzeit in sich zusammenfallen. Ein faszinierendes Spiel der längeren Hebel.

Marina Anna Eich und Julia Jaschke leben die Verzweiflung der angeketteten Entführten absolut überzeugend aus, besonders sei hier hervorgehoben, dass die beiden stark unterschiedliche Figuren darstellen, die sich auch unter zunehmendem Stress entsprechend unterschiedlich entwickeln. Antje Nikola Mönning bringt mit ihrer kühlen Unnahbarkeit den Entführer ziemlich ins Schwitzen, was Christoph Baumann in seiner Rolle auch gekonnt vermittelt. Er sitzt schauspielerisch zwischen den Stühlen: Nach unten muss er der gnadenlose Machthaber sein, nach oben sieht die Sache schon anders aus. Schauspielerisch muss man hier allen Beteiligten absoluten Respekt zollen.

Kamera, Licht und Ton sind absolut zielsicher geführt, gesetzt und aufgezeichnet; gerade die subtile Tongestaltung im Verlies als zentrales Element der psychologischen Kriegsführung wird über den Verlauf des Films hinweg immer stärker offenbar. Besonders auffallend bei der Bildgestaltung ist, dass hier mit einer Zahl von Fahrten gearbeitet wurde, was dem Film im Vergleich zu seinen Vorgängern eine ganz neue Dynamik gibt.

Die Musik ist feinfühlig für den Film komponiert und wartet mit einigen ebenfalls extra für den Film geschriebenen Liedern auf, die das Erlebnis im Kino nicht nur abrunden, sondern ihm auch eine gewisse Aura verleihen. Die Musik bietet zwar nicht klassische Themes wie bei Jaws oder Indiana Jones (was in diesem Film auch absolut fehl am Platze wäre), ist aber deutlich auffälliger, stärker im Vordergrund befindlich, mitreißender als diese Landplage der nichtssagenden, sich emotional vor sich hin windenden Keyboardbegleitungen ohne rechte Melodie so vieler deutscher Produktionen.

Auch das Restliche ist mit großer Liebe und vor allem höchster Professionalität gestaltet. Im Grunde handelt es sich bei Die Wahrheit der Lüge um einen Psychothriller, wie er auch mit sieben- bis achtstelligem Produktionskosten entsprechend aufwendiger hätte gedreht werden können. Man merkt dem Film die Theater-Vergangenheit von Roland Reber zwar noch immer deutlich an, doch diesmal muss man bei der Einordnung in Genres eindeutig das Attribut „experimentell“ weglassen. wtp ist im großen Kino angekommen.

Der Film (98 Min) läuft auf den Hofer Filmtagen 2011 und wird April 2012 ins Kino kommen.

[offizielle Webseite]

Ein Gedanke zu „Die Wahrheit der Lüge“

  1. Einer der schlechtesten Film den ich je gesehen habe!!! Unglaublich langweilig u bescheuert von der Story! 🙁

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