Dem Himmel ganz nah

So extensiv wie Dumitru Stanciu, seine Frau Maria und deren Sohn Radu die unbewaldete Bergkuppe im Retezat-Gebirge im rumänischen Transsilvanien bewirtschaften, so extensiv und meditativ und in stimmungsvollem Schwarz-Weiß berichtet der Dokumentarist Titus Faschina über diese Familie, eine der letzten Berghirten Europas.

Er stellt dem Bericht über die Jahreszeiten eine Hirtenmär voran: vor 500 oder tausend Jahren kam ein Drache in dieser Gegend vorbei. Er fraß die Herde und den Hirten, so dass ihm übel wurde und er die toten Tiere und den toten Hirten wieder rauswürgte, so überfressen war er. Seit dieser Zeit heißen die zwei Berge „Schlucker“ und „Würger“.

Dann folgen ruhige Bilder aus den verschiedenen Jahreszeiten.

Es fängt mit dem Sommer an. Schafe werden gemolken. Die Milch wird zu Käse verarbeitet. Die Wiesen werden gemäht. Die Sense wird geschliffen. Der Hirte macht ein Nickerchen. Der Hirte, also der Vater der Familie, Dumitru, erzählt aus seiner Kindheit. Dass damals noch das Wasser herangetragen werden musste, die Steine aus den Wiesen geräumt, dass sie Holz fürs Feuer schleppen mussten, dass sie als Kinder wenig Zeit zum Spielen gehabt hätten; dass jetzt die Wohnlage hier oben immer einsamer werde; dass ein Nachbar nach dem anderen den Hof aufgebe; dass es ohne Nachbarn schwerer wird, auch gegen die wilden Tiere, die Wölfe. Er weist auf die große Fläche seiner Bergwirtschaft hin. Er sieht wenig Hoffnung für die Zukunft. Am Ende der Sommersequenz wird der Käse mit einem Pferdefuhrwerk ins Tal gefahren. Da kommt dann auch etwas Musik dazu.

Im Herbst begibt sich die Kamera zuerst hinunter ins Tal zu den Menschen um das Kirchlein. Kirchengesang. Die Popen. Kirche. Dann wieder auf die Alp. Der Hirte spielt Flöte an einem Lagerfeuer. Er legt sich in seinem Schafspelzmantel in einer kleinen Holzhütte zum Schlafen. Mond. Sonnenaufgang. Erhabene Stimmungen.
Wieder im Tal. Ein kleiner Pavillon vor der Holzkirche, mit dem Kirchenglöcklein und mit einem freischwingenden Holzbrett, das mit kleinen Holzhämmern bearbeitet wird und einen sehr rhythmischen Klang, ähnlich wie dem von Trommeln ergibt.
Ein Kirchenessen.
Auf der Alp. Der Hirte trägt ein Schaf auf den Schultern zu einem Baum. Er hängt es an den Hinterbeinen auf. Stellt einen Eimer darunter. Er schneidet ihm den Hals auf. Lässt es ausbluten. Geht mit dem Eimer davon. Eine fast zärtliche Sequenz mit inniger Beziehung und ebensolchem Respekt vor dem Opfer.

Im Winter muss Feuerholz zerkleinert werden. Die Frau trägt Heu für die Schafe auf die verschneite Wiese. Die Frau und Mutter erzählt. Sie weiß nicht, was sie sonst machen soll. Sie ist 52 Jahre. Hatte nicht viel Schulunterricht. Sie melkt die Kühe und die Schafe. Sie macht den Käse. Sie sieht keine Möglichkeit für eine Änderung. Hier droben darf keiner krank werden. Sie wird es zum Glück selten. Denn es ist schwer ins Tal zu kommen, wenn zum Beispiel einer ein Bein brechen würde. Und dann muss, wer oben bleibt, allein die Tiere versorgen.

Es folgt eine Szene mit dem Nachtgebet der Familie. Dann kriechen die Eltern in ein Bett, der Junge in ein anderes. Alle in den Kleidern. Die Kerze wird ausgeblasen.
Im Dorf ist ein Fest. Es wird ausgelassen getanzt. Die Musik spielt auf. Es gibt Leute mit Masken und Spiel mit einem Feuer.
Auf der Alp brennt der Hirt mit einem Lötkolben die Haare von einem getöteten Schwein weg.
Ein Schaf wurde neugeboren. Dem Mutterschaf muss das Fell um das Euter weggerissen werden, damit das Junge saugen kann.
Das tote Schwein wird ausgenommen.
Und wieder ist ein Fest mit Volkstanz in traditionellen Kostümen und mit der entsprechenden Musik im Dorf unten.
Dazwischen elegische Stimmungsbilder, oft mit Gegenlicht, was in schwarz-weiß einen besonderen, friedvollen Reiz entwickelt.
Das Pferd muss zum Hufschmied gebracht werden. Es hält ruhig.

Im Frühling erzählt der Junge ein Erlebnis aus seiner Kindheit. Als er sieben Jahre alt war, ist eine Scheune abgebrannt. Er hatte bis dahin noch nie ein solches Feuer gesehen. Er studiert in der Stadt Veterinärmechaniker. Will aber nachher wieder auf den Berg als Hirte. Denn die Stadt sagt ihm nicht besonders viel. Ihm gefällt die Freiheit oben auf dem Berg.
Er erzählt seinen normalen Tagesablauf.
Dann begleitet die Kamera ihn bis ins Tal hinunter, ein langer Weg, bis er den Bus von „Transmixt“ zur Schule erreicht.
Auf dem Berg oben schert der Schäfer den Schafen ihre Winterwolle weg.

Das ist ein außerordentlich meditativer Film. Für Menschen, die 90 Minuten lang nichts von Handies, Navis, TVs, EFSF, Internet, Bankencrash, Mobbing am Arbeitsplatz, Straßenbahnen, U-Bahnen, Autobahnen, Startbahnen und Flugschneisen, Vernetzung, Staatsschulden oder Arbeitslosenzahlen hören möchten. 90 Minuten Erholung von unserer modernen, durchgeknallten Zeit.

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