Das Thema ist durchaus aktuell und so ist der Film auch gedacht: der Staat soll nach einem Terroranschlag nicht rachsüchtig werden und sich an die zivilen Gesetze halten.
Die Reaktionen auf die Ermordung von Präsident Abraham Lincoln sind hier im Fokus; wie Justiz und Politik unbedingt und schnell Täter und Hinrichtungen brauchten und sich dabei wenig um die Gesetze kümmerten. Der Hinweis auf 9/11 ist unmissverständlich, wenn auch sozusagen in einer dicken Schwarte aus Oel verpackt, in einem Gemälde, das aus uralten Zeiten stammen könnte und noch mit einer dicken Sauce an Musik eingeschwallt wird.
Der Terrorakt von 1865, der hier juristisch nachbearbeitet wird, war eine Folge der Spannungen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg zwischen den Nord- und den Südstaaten.
Die Verschwörer hatten sich in der Pension von Mary Surrat getroffen, weil ihr Sohn John in die Verschwörung involviert war. Sie hatte noch die Tochter Anna, die an der Verschwörung vor allem fasziniert haben dürfte, dass der bekannte Schauspieler Booth (der dann die Ermordung durchführte) mit dabei war.
Kaum war Lincoln ermordet, kaum hatte er seinen letzten Atemzug getan, fingen die Erben Lincolns, die Minister und Senatoren bereits mit Verschwörungstheorien an, dass es eine Gruppe gewesen sein müsse. Der Sohn von Mary konnte entkommen. Aber die Justiz brauchte Täter. So wurde auch sie verhaftet, weil die Mörder sich ja bei ihr im Hause getroffen hätten.
Jetzt wird die Hauptperson des Filmes wichtig, es ist der ganz junge Anwalt Frederick Aiken, der von seinem „Gönner“ mit der Verteidigung von Mary Surrat betraut wird, was er nur gegen viele Skrupel und Zweifel schließlich tut.
Robert Redford, der die Regie besorgte, dürfte in Aiken, gespielt vom Schauspieler James McAvoy, ein junges Alter Ego seiner selbst gesehen haben, einen fast romantisch-idealistischen Anwalt, welche Lichthintergründe er ihm manchmal gibt!, der reine amerikanische Vertreter des Rechtes, eines fast puristischen Idealismus, der mir heillos veraltet und außer Mode scheint. Vielleicht sind es Anflüge von Sentimentalität von Reford, der in seiner Regie diesen Anwalt immer süßlicher werden lässt, fast zu schmelzen droht er. Hier macht Redford mehr sich selbst was vor, als dass er der Welt Spannendes oder Aufklärendes zu berichten hätte.
Er hat den Anwalt in einer anrührenden Kriegsverletzungs-Szene auf einem Schlachtfeld, zwei Jahre vor 1863 eingeführt, der Hauptmann liegt schwer verletzt da – im Rest des Filmes wird er hinken, wenn man ihn denn gehen sieht – verlangt aber von den Sanitätern, dass sie als erstes den Soldaten, der fast am Sterben ist, mitnehmen. Das sind Helden.
Dann schneidet Redford auf den Abend der Ermordung Lincolns. Er fängt bei einem Empfang an, bei welchem Aiken in die richtige und wichtige Gesellschaft eingeführt wird und auch gleich auf seinen Mentor trifft, der ihn umgehend mit dem vergifteten Job betrauen wird. Ein idealer junger Amerikaner. Redford schildert das sehr gefühlvoll und nachvollziehbar in schöner alter Kinoschönschrift mit viel Suggestivkraft dank Licht, Ton und auch Figurführung.
Nach der sehr im Dunklen geschilderten Ermordung Lincolns während einer Shakespeare-Aufführung finden schon bald die ersten Gerichtsverhandlungen statt. Die sind sehr präzise gearbeitet, wie Aiken einerseits Gerechtigkeit nach dem Gesetz will, wie die herrschende Machtclique vor allem und möglichst schnell Todesurteile durch den Strang präsentieren möchte. Das ist sehr schön, sehr dicht, sehr emotional inszeniert.
Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Film hier zahlreiches freiwilliges Publikum anziehen wird. Es ist ein weiteres wunderbares amerikanisches Justizdrama. Ich könnte mir das als geeignet für den Schulunterricht vorstellen: als Lektion in Geschichte und als Beispiel eines gelungenen amerikanischen Justizfilmes. Letztlich gehen die Menschen jedoch ins Kino, wage ich zu behaupten, wegen dem Subtext. Was will uns Redford erzählen? Die Message ist doch die, der idealistische Glaube an Menschen, die dem Rechtssystem – gegen die Staatsraison – zum Recht verhelfen. Das kommt einem in unserer korrupten Zeiten sowas von fast möchte ich sagen „hinterwäldlerisch“ vor. Das ist nicht bös gemeint. Aber Redford scheint in einer idealistischen Zeit stehen geblieben zu sein, vielleicht weil er es sich als wohlhabender Amerikaner leisten kann?
Redford spricht zwar ein aktuelles Thema an wie eingangs erwähnt, ein hochaktuelles Thema sogar, denn auch Barack Obama hat noch nicht alle Gesetzesverbiegungen aus Bushs Antiterrorkrieg wieder zurecht gerückt (auch in Deutschland sind manche Gesetze von damals noch nicht außer Kraft gesetzt). Aber Redford erzählt das sozusagen in einem veralteten Zeichensystem, das kaum mehr jemand versteht. Oder er versteckt sich hinter einem vermeintlich korrekten historischen Bild, was sogar ein ziemlich sentimentaler Fehler sein kann. Er berichtet aus einer Gedanken- und Vorstellungswelt, die nicht die unsere ist. Aber wie ich meine, nicht so, dass sie unsere Neugier und unsere Interesse zwingend wecken. Mehr gut gemeint und schön gemacht als den Nerv der Zeit getroffen.