Valerie

Josef Rusnak, der Regisseur, versucht an die Beat-Generation anzudocken und der Produzent Hubertus Meyer-Burckhardt sieht diesen Film im Rahmen einer Trilogie mit Monologen, die er produzierte („Mein letzter Film“ und „Ein ganz gewöhnlicher Jude“). Valerie ist der Monolog einer Frau geschrieben von Roger Willemsen, gespielt von Franka Potente als Titelfigur Valerie.

Einpersonenstücke im Theater oder Einpersonenfilme im Kino sind für Zuschauer erst mal was Abschreckendes. Hier stellt es sich etwas anders dar. Es ist vielleicht ein Monolog-Film, aber es ist kein Ein-Personen-Film, die Liste des Castes ist stattlich.

Valerie lebte lange zwischen zwei Welten, zwischen L.A. und Berlin. Ihr Freund lebt in Berlin. Sie hat einen Karrierejob in L.A. Er wird krank, liegt in einem Berliner Krankenhaus. Da entschließt sich Valerie, L.A., den Rücken zu kehren, ihre Zelte dort abzubrechen. Sie zeichnet alles auf Video auf. Ihre Gedanken zu diesem Vorhaben und auch viele Erinnerungen an die Liebe. Der Film gibt also vor, die Schauspielerin hab ihn selbst gedreht, stellenweise sieht man sie auch, wie sie die Kamera in der Hand und auf sich gerichtet hält oder wie sie das von ihr Gefilmte betrachtet (dann kommt die Stimme angenehm dezent vom Band).

Mit diesem persönlich In-die-Kamera-Sprechen folgt Rusnak einem Trend, der sich vielleicht am augenfälligsten bei Youtube manifestiert. Und der offenbar inzwischen auch ins Kino drängt. Kim-Ki-Duk hat einen solchen Film gemacht, „Arirang“, bei dem er nur als er selber Monologe in die Kamera gesprochen hat oder Joaquin Phoenix mit dem Versuch eines Befreiungsfilmes, mit „I am still here“, der kürzlich in den Kinos war. Versuche, Routine im Beruf, vielleicht drohendem Burn-Out zuvorzukommen, Frust in der Produktionsroutine zu überwinden, sich damit kreativ auseinanderzusetzen. Es ist eine Reaktion auf den kreativen Input, den die neue Internetwelt und die leichte Verfügbarkeit von Kameras am oder eingebaut in den Computer oder ins Handy bietet. Die Internetwelt ist da inzwischen deutlich weiter als das Kino.

Das wird besonders am Anfang des Filmes recht offensichtlich, hier agiert Franka Potente sehr staatstheaterlich, sehr schauspielschulgeschult (dieses „gekonnte“ Wegsprechen wie bei einer Lesung), versucht schön und verständlich zu sprechen, gewinnend in die Kamera zu lächeln, wirkt insgesamt steif und bemüht. Die alte Schule halt, die noch nicht mit der neuen Medienwelt aufgewachsen ist. Vielleicht wird gerade an diesem Film deutlich, wie rasant dieser Wandel inzwischen ist, auch an der kleinen Entwicklung die Frau Potente dann doch macht, indem sie zusehends lockerer und selbstsicherer wird und damit zusehends angenehmer und mit persönlicherer Farbe rüberkommt. Es ist bestimmt nicht leicht, als Star, der sie ist, sich so einem Experiment und Lernschritt zu stellen und sich so zu exponieren. Für die Kids muss es wirken, wie eine Mär aus alter Zeit. Allerdings hat sie sich den Schritt weg vom sterilen, schauspielschulantrainierten Schauspieler-Hochdeutsch noch nicht getraut, was klar ein Manko ist, so bleibt sie doch irgendwie heimatlos. Sprachregie und Arbeit am Untertext scheint außerdem Rusnaks Sache nicht zu sein; was einem literarischen Film nicht unbedingt zum Vorteil gereicht.

Wer die erste halbe Stunde durchhält, wird dann mit einem ganz schönen Movie belohnt. Rusnak versucht an seine Anfänge anzudocken, mit viel experimentierenden Varianten, Pixelungen in allen Variationen, Unschärfe und Spiegelungen in Küchengeräten, Nebel und Badewannennebel, Farbspiele und -Filterungen, mit fülligen Farben und fülliger Musik (da könnte Willemsens Plattensammlung einen wichtigen Beitrag dazu geleistet haben; ein Soundtrack der das Zeugs zum Konzert hat – das allerdings konterkariert die schauspielerischen Befreiungsübungen, belastet sie unnötig mit Schwere, mit dem Gewicht von Klassik), auch Schwarz-Weiss, Tempoverlangsamungen oder Stop and Go, Coloriereffekte und Verfremdungen, kurz, viele technische Spielereien, die es auch braucht, um so einen Monolog einigermaßen abwechslungsreich auf die Leinwand zu bringen. Dazwischen schneidet Rusnak immer wieder Hochhausimpressionen von L.A., wo in einem Büro hoch oben Valeries Chef sitzt und die ganze Zeit sie anruft, sie habe schon wieder das Flugzeug verpasst, das sei Scheiße. Und Interieurs aus den Büros dort und viele schöne, langsam zoomende und schwenkende Aufnahmen von Interieurs von Berlin, wo Valerie elegant wohnt oder vom Spital, wo ihr Freund an Apparaturen liegt, immer der lange Spitalflur, und wie sie verlangsamt da durch geht. Das ist schon stimmungsvoll.

Der Text von Willemsen ist poetisch, er will aber keine Schmerzen verursachen, er ist für ein Publikum gedacht, das ihn dankbar gouttieren wird. Es sind Philosopheme zu Liebe und Beziehung („In Ewigkeit in diese Rinde geritzt, der Baum muss bluten“).

Die Magie in diesem Film fängt mit dem Discobesuch an, mit Rockn Roll, wie Potente mit Sackkleid wie in Trance umherwandelt und am Schluss in den ganz leeren Räumlichkeiten noch eine Begegnung mit einem übrig gebliebenen Mann hat. Allerdings würde ich diese Szene eher im Bereich der Schnittmenge zum Musikvideo ansiedeln.

Zusammenfassend könnte man sagen: Rusnak versucht Frau Potente etwas aufzuweichen, was ihm im Laufe des Filmes durchaus gelingt und nebenher produziert er mit dieser Aktion einen ansprechenden Film, mit feuilletongerechten Liebesworten von Roger Willemsen in der Art oder nachempfunden oder in der Haltung der Beat-Generation. Unter diesem Aspekt vielleicht ein nostalgisches Movie.

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