Easy Money

Die Mängel im Drehbuch von Maria Karlsson hinsichtlich Aufbau von Kinospannung macht der Regisseur Daniél Espinosa wett mit grosser Freude am Bild, einer fröhlich unverfrorenen Wackelkamera, mit Farbfiltern, einer teils fast experimentellen Musik und fotogener Zeichnung der Figuren. Diese Freude am Äußerlichen und Formalen erinnert allerdings in manchen Momenten eher an einen Hochschulfilm (zB, wenn J.W. unser blonde schwedische Protagonist dem Verfolger von Jorge folgt). Ob das allerdings ausreicht, um das Publikum ins Kino zu locken, sei dahingestellt.

Die Geschichte selbst, die wird sehr deutlich gemacht vor allem in Form von Dialogen, die die Qualität von Zwischentiteln haben. Dadurch entstand bei mir eher der Eindruck einer Handlungsskizze als einer Handlung selbst. Die verläuft so: unser Protagonist J.W., der protoypisch blonde Schwede, mehr Model als Actor, ist ein armer Student, studiert Wirtschaftswissenschaften und verliebt sich in eine nicht weniger protoypisch schwedische Blondine. Das ist nun allerdings ein so extremer Cast, der an eine Handlung sowieso kaum mehr denken lässt. Insofern brauchen sie ihre Verliebtheit auch gar nicht gross spielen, da reichen die Dialogtexte vollkommen. Denn es gibt immer noch die Schwedinnenfantasien.

J.W. jobbt als Taxifahrer und kann der Verlockung eines Angebotes, das unwahrscheinlich viel Geld bietet, nicht widerstehen. Er soll für eine Serbengang den aus dem Gefängnis entsprungenen Jorge einfangen und bei sich in der Studentenbude sicher unterbringen. Die erste Begegnung findet nach der erwähnten Verfolgung statt, denn hinter Jorge sind auch die Araber her, eine Konkurrenz“firma“. J.W. gerät also zwischen die Fronten und wenn man in so Dinge mal hineinrutscht, dann ist schwer wieder rauszukommen. Dazwischen hat er die Blondine kennengelernt. Nach zwei Stunden Film kommt es, wie es sich gehört, zu einem Countdown und zu einer Abrechnung.

Ärgerlich finde ich in diesem Film, dass wirklich an den Haaren herbeigezogen eine Szene in Berlin stattfindet, bloß weil (oder damit) deutsche Filmförderung fließt. Der Film würde genau so ohne jene Szene funktionieren. Die hockt wie ein Fremdkörper in dem Schwedenkuchen drin. Wenn einem solche Dinge einmal anfangen aufzufallen, wie Filme nach Förderprinzipien zusammengeschustert werden, wobei sie meist nicht gewinnen dabei, so kann einem das inzwischen auch den Rest des Filmes madig machen. Da müssen die wirklich aufpassen mit den Förderungen.

Der Film fängt mit den Vorbereitungen für den Gefängnisausbruch von Jorge, einem Spanier, an. Wie das mit einem Messer in der Socke und dann im Schuh beim Hofgang und in Absprache mit einem Kollegen prima gelingt. Auf ein Zeichen startet der Kollege einen Angriff auf die Wärter, Jorge greift sich ein Jackett, klettert die innere Drahtabsperrung mit der Stacheldrahtrolle drüber hoch, wirft das Jackett über den Stacheldraht, schwingt sich drüber und klettert an einem vorbereiteten Seil über die Außenmauer und rennt und rennt bis zu einem Waldstück, wo ein Kumpel ihn mit einem Auto erwartet. Er hat sich beim Sprung von der mehrere Meter hohen Außenmauer den Fuss verknackst, denn den Rest des Filmes humpelt er. Die Szenen scheinen im Fernsehrhythmus geschnitten und lange Zeit ist für mich der Eindruck auch prägend, dass es sich um Fernsehware handelt.

Ein Problem zum Aufbau der Kinospannung ist immer, wenn man den Film nicht mit der Hauptfigur anfängt. Hier taucht J.W. bald schon auf in Jungherrengesprächsrunden, junge Gecken in Anzügen. Aber es wird überhaupt noch nicht klar, dass er der Hauptdarsteller ist. Dann sehen wir ihn ein neu gekauftes, vermutlich billiges Hemd zu Hause auspacken, er schneidet alle Knöpfe weg und näht selbst mit Nadel und Faden andere Knöpfe an. Der Film zeigt uns aber keine Grossaufnahmen der Unterschiede, man kann es nur vermuten: teurere Knöpfe, Status-Knöpfe. Denn er ist zu einer Geburtstagsparty des Freundes von Sophie eingeladen. Dieser hat Sophie aber verlassen, das erfährt J.W. dann auf der Party beim Kennenlernen. Es wird darauf verzichtet, das im Film zu zeigen, dieses Überspringen des Funkens, man wollte ja keine Romantic Comedy machen. Es bleibt eher so eine Art dialogischer Feststellung. Also die Exposition des Filmes hat jetzt schon eine ganze Weile gedauert, man war auch noch im Taxibetrieb, und irgendwie ist kein Thema prominent und merkbar präsentiert worden. Das sind Drehbuchschwächen, die bewirken können, dass ein Film vom Publikum links liegen gelassen wird.

Dann kommt der Anruf an J.W. Wegen der Verfolgung von Jorge. Dieser wird von seinen Verfolgern niedergeschlagen. Liegt in einem Waldstück. Und J.W. weiß bis hierher überhaupt noch nicht, worum es eigentlich geht, der Zuschauer auch kaum. Jorge ist inzwischen von einem schwarzen jeepähnlichen Auto verfolgt worden. J.W. konnte wie ein Weltmeister, wie ein professioneller Privatdetektiv folgen. Vielleicht ist er ein geübter Krimizuschauer. Er bobachtet, wie Jorge geschlagen wird und rüttelt am Auto der Verfolger bis die Alarmanlage los geht und kann die somit von Jorge abenken, – das ist wirklich sehr merkwürdig, dass er das alles so selbstverständlich macht, er ist ja auch noch gar nicht als Persönlichkeit vorgestellt worden, das ist das Problem. Nachher kümmert er sich um Jorge und bringt ihn in seine Studentenbude.

Er bringt später plötzlich die Idee, fürs Geldwaschen eine Bank zu kaufen, ins Gespräch, eine Bank der es schlecht geht. Aber auch diese Dinge werden nicht genau verfolgt und wie das weiter geht, das bleibt im Raum stehen. Kommt dann nochmal bei einem Gespräch aufs Tapet. Aber spielt im übrigen Film keine Rolle mehr. Und am Schluss wird doch in bar bezahlt, wenn überhaupt.

Auch die Diskussion darüber, dass die Schweiz nicht mehr gut sei für Geldwäsche, die ist nun nicht gerade originell noch zielführend. Genau so wenig wie der Ausflug nach Berlin, wo gezeigt wird, wie Koks in Kohlköpfen, die in Treibhäusern gezogen werden, eingepackt und geschmuggelt werden.

Die Szenen sind nur anskizziert. Es wird behauptet statt gespielt.
Auch der Satz von Sophie „Ich bin so froh, dass ich die kennen gelernt habe“, der steht da, wie ein Text unter einem Standfoto, aber die Filmbilder, die erzählen das nicht.

Auch das mit der Erzählperspektive ist leider nicht durchdacht. Wenn die Gschichte wirklich von J.W. aus erzählt würde, das könnte ja spannend sein, wird es aber nicht. Er kommt immer wieder vor, wie eine Seitenfigur, obwohl er die zentrale Figur ist. Aber da hat das Buch schon den zwar schönen, aber vollkommen falschen Anfang genommen, so schön ein Ausbruch aus dem Gefängnis sein mag.

Die Folgerichtigkeit der Skizzen, die ist ok.
Aber eine Durchdenkung macht noch kein Drehbuch haptisch, empirisch nachvollziehbar. Und Wissensvermittlung von der Leinwand herunter reicht nicht für eine gute, spannende Unterhaltung. Zu sagen, wir haben das alles durchdacht, jetzt brauchen wir es gar nicht mehr inszenieren.
So wirkt der Film halt sehr formal, formalistisch.

Klangmusik. Mehrfach fängt der Ton wie eine Sirene an, die dann anhält. Ganz lustig.
Einmal nach einer Schießerei ist Johan bei den künftigen Schwiegereltern eingeladen, da entdeckt er einen Blutfleck auf dem weißen Hemd. Er wäscht ihn aus. Und geht wieder an die Tafel. Die Hemdsärmel müssten eigentlich nass sein. Da wären doch Nahaufnahmen sinnreich und die Reaktion der Schwiegereltern, wie sie es bemerken und verschweigen, oder wie sie es überhaupt nicht bemerken. Auch hier wird das mehr theoretisch in den Film gebracht, und keiner reagiert darauf.

Einmal haben sie ein Beziehungskistengespräch. Wahrscheinlich, weil es sein muss. Denn Sophie möchte Ferien machen in Frankreich im Haus ihrer Eltern. JW. will nicht, weil er ja arbeiten muss.
Dann die grosse Lektion von Jorge „In diesem Business sind alle Schweine“. Allerweltssatz.

Zum Schluss doch ein aufregend dekadent schönes Bild von J.W. in der Schießerei zum Countdown mit wilden Haarsträhnen über das blutverschmierte Gesicht, das dann zwar nicht ganz continuitygerecht weiter geschminkt ist. Das war leere schöne Schönheit.
Eine Aneinanderreihung von Stimmungsbildern zum Thema Dealerstory und braver Schwede. Vielleicht am besten als Musikvideo zu verwenden.

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