Kaum zu erwarten, dass Corinna Belz, die Dokumentaristin, den Film gemacht hätte und auch hätte machen können, wenn es sich bei Gerhard Richter nicht um einen der berühmtesten und teuersten deutschen Maler der Gegenwart handelte. Sie lässt jedenfalls mit ihren Fragen nicht erkennen, dass sie eine fundamentale Richter-Kennerin oder passionierte Richter-Liebhaberin sei. Das kommt jedoch dem Zuschauer durchaus zugute, diese Unvoreingenommenheit.
Richter hat sein Atelier in Köln. Er arbeitet dort mit zwei Assistenten und hat eine Büroleiterin. Er hat auch einen Probeausstellungsraum, ganz in weiß, da müssen die Bilder „reifen“, da hängt er sie erst mal hin und schaut sie immer wieder an und fotografiert sie und entscheidet dann darüber, ob sie „fertig“ sind oder ob nochmal drüber gegangen werden muss.
Die Dokumentaristin begleitet Richter überwiegend bei Vorbereitungsarbeiten für Ausstellungen in Köln, London und New York im Jahre 2009. In seinem Atelier gibt es kleine Modelle der zu behängenden Galerie-Räumlichkeiten, damit die Komposition der Ausstellungen vorbereitet werden kann.
Eine ganze Anzahl von Gemälden muss er für diese Ausstellungen noch herstellen oder fertig bringen. Dabei handelt es sich um abstrakte Arbeiten.
In einem eingeblendeten früheren Interview – die Dokumentaristin geht sehr sparsam mit historischem Material um, aber desto informativer – erzählt er, dass er 1961, wie er aus der DDR in den Westen gegangen sei, hier den kapitalistischen Realismus gemalt habe. Er hatte aber auch eine konkrete Phase, dazu gibt es in dem hier portraitierten Zeitraum eine Ausstellung in London.
Der Ruhm eines solchen Künstlers interessiert die Macherin des Filmes durchaus auch. Fotografenmeuten bei der Pressekonferenz zu einer Ausstellung, Vernissagen, Interviews oder auch Autogrammwünsche, inklusive Kommentar, dass die Berühmtheit zwar schön sei, aber ihn auch vom Arbeiten abhalte.
Über sein Arbeiten ist viel zu erfahren. Er scheint eher ein heimlicher Mensch zu sein. Er will beim Malen nicht beobachtet werden. Malen unter Beobachtung sei schlimmer als in der Klinik sein, das bringt er zur Sprache, wie er mit zwei Bildern einfach nicht weiter kommt, dass ihn die Kamera hindere. Man könnte das das Subversive an seiner Malerei nennen, er selbst benutzt den Ausdruck aber nicht. Auch wie er malt, abstrakt malt, ist sehr gut zu beobachten, denn Corinna Belz lässt sich sehr viel Zeit. Erst stellt er mit dem Pinsel mit verschiedenen Farben einfache Behauptungen in Form von Flächen und Pinselbahnen auf die Leinwand. Dann fängt seine Auseinandersetzung mit diesem Gegebenen an. Gerne passiert es ihm, dass er sehr bunt anfängt, hier zum Beispiel mit viel Gelb. Im weiteren Verlauf der Arbeit geht die Tendenz aber unwillkürlich hin zum Grau. Er merkt an, die Bilder machen, was sie wollen.
Malen nicht als Aktionismus. Sondern als ganz ruhig geführter Pinselstrich, ganz langsam und bedächtig, so wie die Filmemacherin sich auf ihn einlässt. Mit wenig Geräusch, außer dem Platschen herunterfallender Farbtropfen, wenn ein Strich mit dem Pinsel oder der an einem Griff befestigten und mit Farbe bestrichenen Glasscheibe, mit der er flächig über das Vorhandene streicht, von der Leinwand abstreift. Seine Auseinandersetzung ist die, ob die Flächen was erzählen oder ob nicht. Manche Bilder halten sehr lange. Manche nicht. Richter malt nie mit Malerschürze, nur mit sauberer Hose, einem Pulli oder gar einem Hemd; farbklecksig sind einzig seine Malerhandschuhe.
In der Unterhaltung mit einem Kunsthistoriker taucht die Frage auf, was der Maßstab dafür sei, ob ein Bild fertig sei, ob das Gute mit Wahrheit zu tun habe.
Frau Belz überfrachtet ihren Bilderbogen zu Gerhard Richter keineswegs mit Theorie und Geschwätz; es ist praktisch ein angenehmer, sehr ruhiger Atelier-Werkbesuch mit etwas Vernissagen- und Berühmtheistklatsch und -Tratsch und wenigen kurzen, erhellenden historischen Einschlüssen dazwischen.
Malen als moralische Handlung (denn „schön“ malen sei kein Problem, meint Richter). Ein Film prima geeignet für die Sonntagsmatinee.