Mein bester Feind

Vielleicht einer der angenehmsten Nazizeitfilme überhaupt. Weil er sich weder in Schuldgefühlen oder schlechtem Gewissen suhlt noch versucht den Faschomechanismus analytisch freizulegen. Weil für ihn die Nazizeit lediglich ein Beispiel oder eine Möglichkeit abgibt, den Satz zu illustrieren: Was Du nicht willst, dass man Dir nicht tu, das füg auch keinem andern zu.

Dafür hat Wolfgang Murnberger, der Regisseur und Autor, mit diesem Stoff eine wunderbare Vorlage und erzählt das launig in einem gut verfolgbaren Nacheinanderkino mit Besetzungen, die überzeugen und mit Figurzeichnungen, die auf tiefere Menschenkenntnis schließen lässt, die davon ausgeht, dass jeder Mensch an seiner Postion aus seinen Gründen, natürlich können die sehr böse, sehr opportunistisch sein, handelt, Gründe, die für den Einzelnen zwingend oder angebracht scheinen, und dass kaum ein Mensch da ist, um nur böse und zerstörerisch zu sein.

Die Geschichte, die als Vorwand für dieses Spiel mit den Vorurteilen und der moralischen Konsequenz des eigenen Handels dient, ist folgende: Die jüdische Familie Kaufmann betreibt seit langem in Wien eine Kunsthandlung. Die Filiale in Nürnberg ist bereits Opfer der Nazirandale geworden. Die Familie besteht aus Vater, Udo Samel, Mutter, Marthe Keller, und Sohn Viktor, Moritz Bleibtreu, eine durchwegs grossartige Besetzung ebenso Rudi Smekal, gespielt von Georg Friedrich, mit dem Viktor dick befreundet ist, dem Sohn „einer Hausbesorgerin“, wie es mehrfach abschätzig heißt.

Die beiden Freunde kennen sich lange und sind unzertrennlich. Zu den beiden gehört noch Lena. Sie ist mit Viktor verlobt. Die Geschichte wird sich darum drehen, wie Lena sich verhalten wird, nachdem Smekal fanatischer Nazi geworden ist, die Kaufmanns ins KZ gebracht hat und Lena haben möchte.

Eine Geschichte mit einem so enormen Konfliktpotential braucht einen extremen Anlass, damit sie ins Rollen kommen kann. Hier ist der Katalysator eine bisher unbekannte Radierung von Michelangelo, die Moses darstellt. Eine kunsthistorische Sensation..

Die sei vor einiger Zeit in die Hände von Kunsthändler Jakob Kaufmann geraten. Die Radierung liessen die Kaufmanns von Rudi, der als Nichtjude unverdächtig war, in einem Koffer von Nürnberg nach Wien schmuggeln. In einer trauten Stunde hat Viktor seinem Freund Rudi gezeigt, wo und wie dieser Michelangelo in ihrer Wohnung versteckt gehalten wurde.

Die Nazis rücken näher an Wien ran. Die Kaufmanns überlegen sich schon, von Nürnberg zu lernen und den Umzug nach Zürich vorzubereiten. Aber es geht alles viel schneller. Schon sind die Nazis in Wien. Die Kaufmanns können zwar ihr Haus noch vor der Enteignung retten, indem sie es auf Lena überschreiben.

Rudi selbst, der inzwischen ein strammer Nazioffizier geworden ist, hat die Nazis auf den Michaelangelo aufmerksam gemacht und die wollen ihn als Geschenk an Mussolini überreichen lassen. In Berlin gibt es Verhandlungen zwischen einer Delegation aus Italien und den Deutschen. Aber ein Kunstexperte stellt sofort fest, dass es sich um eine Fälschung handelt. Denn der alte Fuchs Kaufmann hat, wie ihm klar wurde, dass die Nazis hinter dem Blatt her sind, schnell bei einem Freund zwei Fälschungen bestellt. Das Original hat er an die Rückwand eines Portraits von sich selbst festgemacht und mit Packpapier geschützt. (Das kann hier ruhig verraten werden, weil es auch im Film nicht wirklich eine Überraschung ist).

Nun muss Rudi das mit der Fälschung logischerweise klären und in Ordnung bringen. Er soll das Original finden. Das Problem dabei ist, dass die Kaufmanns inzwischen auf Betreiben von Rudi im KZ gelandet sind. Aber nur sie können ihm aus der Patsche helfen, denn nur sie wissen, wo das Original ist.

Doch Vater Kaufmann ist im KZ schon gestorben. Vielleicht kann Viktor helfen. Er wird rausgeholt und Rudi soll ihn als Bewacher aus dem KZ in Polen nach Berlin fliegen. Das Flugzeug wird von Partisanen abgeschossen. (mit dieser Sequenz fängt der Film übrigens an). Viktor rettet Rudi das Leben. Aber er vertauscht die Klamotten und gibt sich selbst als SS-Führer aus.

Diesen Rollentausch nutzt Murnberger nun für die brilliante Lektion zur Konsequenz des Satzes: „was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu“.

Murnberger schafft, was die Degeto immer möchte und selten kann: grosses Kino mit einer berührende Geschichte, klar und gut nachvollziehbar erzählt. Wie bei einem Brettspiel folgt bei ihm Zug um Zug und das Spiel bleibt ohne überforderndes Erzältempo spannend. Murnberger hat eine kundige Art zu erzählen. Er macht keine billigen Gags, wie in den unsäglichen „Wunderkinder“ von Degeto, mit blöden Sprüchen wie „auf ein Bier nach dem Krieg“. Er zitiert in einer vergleichbaren Situation lediglich den Schwejk „um sechs nach dem Krieg“.

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