Nader und Simin – Eine Trennung

Ein Iranfilm. Im Vorspann läuft sehr mechanisch ein Kopierer, der Dokumente ablichtet. Die erste Szene spielt vorm Scheidungsrichter. Simin möchte sich von ihrem Mann Nader trennen, damit sie mit ihrer Tochter ins Ausland ziehen kann, weil diese dort eine bessere Zukunft haben soll. Nader willigt nicht in die Scheidung ein. Das führt zur räumlichen Trennung der beiden. Simin zieht bei ihren Eltern ein. Nader bleibt mit dem 11 jährigem Mädchen allein zuhause. Auch sein dementer Vater wohnt bei ihm, der intensiver Betreuung bedarf. Dafür engagiert Nader ein Hilfe.

Diese Hilfe heisst Razieh. Sie ist Mutter und schwanger dazu. Ausserdem ist sie die Frau eines Bankkunden von Nader, dem dieser eine Kreditverlängerung verweigert. Ihm ist aber im Moment der Kreditverweigerung nicht klar, dass es sich um den Mann seiner Zugeh-Frau handelt. Ob Nader weiss, dass Razieh schwanger ist, wird später im Film eine wichtige Rolle spielen. Ihr Mann ist hochverschuldet und jähzornig. Zur Hausarbeit bei Nader nimmt sie ihr kleines Töchterchen mit.

Ein iranisches Scheidungsdrama. Nader, Simin und deren Töchterchen dürften eine gut bürgerliche Familie gewesen sein. Sie wohnen in einem besseren Viertel und sie haben ein Auto. Nader arbeitet bei einer Bank. Kleine Szene am Rande. Der Vater lässt an der Tankstelle das Auto durch die Tochter betanken. Die Tochter gibt dem Tankstellenmitarbeiter ein Trinkgeld. Der Vater fordert die Tochter auf, das Trinkgeld zurückzuverlangen, denn sie habe ja selbst getankt. Ein peinliche Situation für die Tochter

Das Drama nimmt seinen Lauf. Schon am ersten Arbeitstag von Razieh bei Nader haut dessen Vater ab. Razieh sucht ihn vorm Haus, sie entdeckt ihn auf der Strasse mitten im pulsierenden Verkehr. Sie will zu ihm hin. Hier wird die Szene geschnitten. Erst später erfahren wir, dass sie in diesem Moment von einem Auto angefahren worden ist und dass sie nachts Schmerzen hatte.

Anderntags sucht sie während der Arbeit einen Arzt auf, davor bindet sie den Alten am Bett fest, damit er nicht abhaut. Während sie außer Haus ist, kehrt Nader zurück, findet den Vater, der aus dem Bett gefallen ist, aber noch lebt. Heftige Szene mit Razieh, Rausschmiss und der Vorwurf, sie habe auch Geld entnommen. Damit sie nicht wieder rein kann, schubst er sie. Kurz darauf gibt’s Lärm im Treppenhaus, sie scheint runtergefallen zu sein. Auch diese Szene wird später nachgestellt.

Razieh verliert ihr Kind. Nader wird dafür verantwortlich gemacht. Nader weist diese Verantwortung von sich. Das ergibt Anlass, einen Blick ins iranische Gerichtswesen zu werfen.

Beinah wäre uns das Drama erspart geblieben, Razieh wollte den Job bald schon aufgeben, weil der Alte nämlich in die Hose gemacht hatte und das war doch sehr genant für eine iranische Frau, einem dementen Alten die Intimteile sauber zu machen. Statt ihrer sollte ihr Mann den Job übernehmen. Aber der war ja der Kunde von Nader mit der Kreditverweigerung und sowieso nicht geeignet. So kommt Razieh doch wieder, denn sie braucht dringend Geld.

In vielen Gerichts-Szenen wird nun der Versuch unternommen, zu eruieren, wie die Sache abgelaufen sei, der eine lügt, die andere lügt, wie das so ist im Leben allerorten, denn die Wahrheit könnte gravierende Folgen haben, sogar das kleine Töchterchen von Nader wird vom eigenen Vater zur Lüge angehalten, mit der Begründung, sie wolle ihren Vater bestimmt nicht ein bis drei Jahre im Knast sehen.

Am Schluss gibt es eine grosse Verhandlung in einer Stube mit Weisen, bei der es darum geht, dass der Schuldige den Opfern eine größere Summe bezahlt, falls er also die Schecks ausfüllt, dann würden die anderen die Anklage fallen lassen. Inzwischen hat aber Simin erfahren, dass alles eben war wie es war und nicht wie behauptet wurde und so verlangt denn Nader noch eine Aussage des vorgeblichen Opfers, sie solle über dem Koran schwören, dass ihre Aussage stimme; das zu tun weigert sie sich. Das setzt vorher eine heftig geflüsterte Auseinandersetzung in der Küche.

Dann treffen wir Nader und Simin vor dem Scheidungsrichter. Das Kind soll entscheiden zum wem es will. Statt der Entscheidung des Kindes kommt jetzt der Abspann.

Was ist hier zu sehen. Sehr Menschliches, wie es bei uns kaum viel anders ablaufen düfte. Menschen, die ihr Alltag auffrisst, wie er sie in Beengung und Krisen bringt, diese Auseinandersetzungen absorbieren sie vollkommen: es gibt hier nur Ämter, Gerichte, gelegentlich Strasse, keine Ausblicke, keine Musse, kein Picnic, keinen Sex. Erzählt wird nur, wie dieser Alltag, der alle Beteiligten überfordernde, bewältigt wird, wie sie sich durchkämpfen, durchtricksen, durchmogeln. Leute, die nicht zurecht kommen mit den Anforderungen, die das Leben an sie stellt, sind die Personae dramatis. Sie tun und machen und kommen nicht vom Fleck.

Das ist fast eine Komödie, ja es ist eine Komödie. Aber der Regisseur Asgar Fahadi sieht das vermutlich anders. Ich bin mir nicht ganz sicher, für wen er den Film gemacht hat. Iranische Menschen, die selbst in so einem beschwerlichen Leben stecken, dürften kaum die Adressaten sein. Die feine Teheraner Gesellschaft genau so wenig. Die persische Geistlichkeit? Stark reagiert auf den Film hat die Berlinale. Die hat ihm den Goldenen Bären verliehen. Ist das ein Kulturgefälle-Bär gewesen? Beruhigt es den Westen zu sehen, wie beschwerlich das Leben in Iran ist. Der Film ist vom Handwerklichen aus gesehen gewiss ordentlich gemacht. Es tut sich immer was, die Kamera geht überall mit und dazwischen, die Akteure stehen praktisch ständig unter Stress. Sie sind in Handlungszwänge eingespannt.

Es gibt keinen Platz für Gefühle, ok Geweine schon mal, aber nicht etwa der Art, dass Nader sich auch nur einen Moment seine Frau zurückwünschte oder sie eine Sehnsucht nach ihm oder der Tochter hat, also das mögen sie schon haben, das wird aber hier in der Erzählung als unwesentlich ausgeklammert.

Vermutlich hätte der Film sogar eine Erfolgschance bei uns im Kino, wenn der Macher den Film wirklich bewusst als Komödie inszeniert hätte, es hätte wohl nur weniger Änderungen bedurft, vor allem eine Änderung der Einstellung, was ihm wichtig ist; oder der Distanz zu den Figuren; ihm war aber offenbar wichtiger, das Leiden an den Umständen deutlich zu zeigen, die Seite des Geleides und des Unglücklichseins in der Lebensbewältigung, wie beschwerlich das Leben doch im Iran sei. Das nimmt der Komödie den Pep. Hätte er mehr auf das Allgemeine solcher Lebensbewältigungsaktivitäten geachtet, dann könnte sich auch unsereins in der einen oder anderen Figur gespiegelt sehen. Aber weil der Subtext, wie mir scheint, eher der ist: schaut wie schwer es in Iran ist, dürfte sich das Interesse hier in Grenzen halten.

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