Kleine Wahre Lügen

Währschafte bürgerliche Küche, Sommerkost mit vielen Pointen nach bewährten Rezepten speziell für Leute, die in Paarbeziehungen stecken und das Gefühl kennen, sie können darin nicht die ganze Wahrheit sagen. Oder auch: ein Cliquenfilm. Eine Clique von Freunden, Paaren, trifft sich allsömmerlich bei Max, der in der Nähe von Bordeaux ein Restaurant betreibt, auf seiner Datsche am Meer, um dort einige gemeinsame Tage zu verbringen.

Dieses Jahr liegen gleich mehrere Schatten über den Urlaubs- und Vergnügungstagen. Freund Ludo ist nach einem Treffen in Paris kurz vorher mit dem Motorrad von einem LKW erfasst worden und liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Vincent, selbst verheiratet mit drei Kindern, hat Max seine Liebe und Verliebtheit offenbart und Antoine kommt nicht über seine Ex hinweg, um nur einige zu erwähnen.

Man beschliesst, den Urlaub trotzdem zu machen. Das Filmrezept geht nun so. Anfänglich wird in schnellen Szenen die ganze Oberflächlichkeit der Truppe gezeichnet, wie sie essen, Blabla reden, einkaufen und mit dem Motorboot rausfahren, Strandleben. Wie sie sich halt belügen über die wahren Verhältnisse, wie sie sich einen vormachen.

Nach einiger Zeit melden sich die verdrängten Dinge, die Lügen tragen nicht mehr, beschwören Konflikte. Es bleibt viel Zeit für Läuterung, für Gefühl und Musik, auch mit der Gitarre begleitet; ein Gitarrist stösst nämlich zur Gruppe: Dann stirbt Ludo; das ergibt eine ausgiebige Beerdigungszeremonie, wo einige auch reden, läuternd reden und Geheule und Geweine und dann raufen sie sich zu einem Gruppenbild zusammen. Und Freeze.

Es ist hier die rationalistische Seite Frankreichs, die zum Zuge kommt, es knistert nicht vor Erotik, es wird darüber hinweg gespielt. Max zum Beispiel ist meistens stur, verbohrt, überhaupt nicht anziehend, man versteht die Zuneigung von Vincent nicht. Aber das muss man wahrscheinlich gar nicht, es handelt sich hier eher um ein Abhandlungsstück, was gegen Ende eine grosse Emotion drübergiesst („I did it my way“). Es kommt zu einem Gespräch mit dem ausserhalb der Clique stehenden Bootsverleiher, den sie alle kennen und der in diesem Moment als eine Art psychologischer Moderator fungiert: er zeiht sie alle der Lüge, er habe das jetzt zwei Wochen beobachtet. Die Beerdigung in Paris, die gibt Anlass zur Katharsis.

Besonders in den ersten zwei Dritteln gibt’s Grund für viele Pointen die Paare und ihre Lügen betreffend. Die Regie von Guillaume Canet, der auch das Buch schrieb, scheint die Schauspieler bei ihrer Rollengestaltung weitgehend ihren Routinen überlassen und mehr auf die Verzahnung der Dialoge geachtet zu haben. Dadurch mag sich ein Wettbewerb unter den Schauspielern ergeben haben (wer holt mehr Lacher), jeder möchte seine Rolle möglichst gut und interessant gestalten, ein Wettbewerb, der der Intensität und der Lebendigkeit des Spieles förderlich war. Wehe, wenn die Mimen losgelassen. Es geht um Schlagabtausch von Positionen, Herausstellen von Verdrängungsmechanismen (der Kampf gegen den Marder) und nicht um Feinheiten.

Das Canet wollte, das scheint er sehr cool und mit einem begeisternd mittuenden Ensemble auf die Leinwand gebracht zu haben: Sommerkost wie eingangs erwähnt.

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