The Way Back – Der lange Weg

Peter Weir schlägt ein grosses Bilderbuch auf über die Flucht von sieben Gefangenen aus dem sibirischen Gulag während des zweiten Weltkrieges zu Fuss über die Mongolei, Tibet nach Indien.

Von sieben, die aufgebrochen sind, haben es drei bis Indien geschafft. Andere sind gestorben, einer ging Richtung China. Über ein Stück wurden sie von einer jungen Frau, Irina, begleitet, die zwei Versionen ihrer Leidensgeschichte erzählte. Sie war unter den Männer die Kommunikatorin, hat sie über ihre Geschichten und ihre Pläne befragt; den ersten Teil der Flucht hatten sie kaum Privates geredet, da ging es nur darum, wegzukommen aus dem Gulag und nirgendwo erwischt zu werden; die Hoffnung lag in der Mongolei, aber welche Enttäuschung, wie sie einen alleinstehenden Torbogen über einer Strasse fanden, auf welchem schon die Fotos der russischen Führungsfiguren angebracht waren.

Es liegt nahe, von einem grossformatigen Bilderbuch zu sprechen, das man nicht selber umblättern muss, weil das Stärkste an diesem Film scheinen mir die überwältigenden Bilder zu sein. Ob im Gulag die eindrücklichen Nahaufnahmen der Männer, einzeln oder in Gruppen, beim Arbeiten im Holz, im Bergwerk; bei den Verabredungen zur Flucht, beim Bunkern von Nahrung und dann bei Sturm der plötzliche Ausbruch in dem Moment, wo sie es schaffen, den Generator für 10 Minuten abzustellen; dann im Sturm im Wald und weg, weg. Die mächtigen Bilder werden gerade in dieser ersten Phase durch kräftige Musik und auch Lärm von Schnee, Sturm oder Bergwerksmaschinen noch stärker herausgestellt.

Detail zum Beispiel im Bergwerk, wie der eine sagt, das Joch unter dem sie schier zusammenbrechen, das hätten schon die alten Ägypter benutzt, er wisse das, denn er sei Professor für Ägyptologie.

Die ersten paar Minuten waren für mich gewöhnungsbedüftig, zu viele schlechte Filme über die Kriegszeit gibt es, die so staatstragend herausgestellt anfangen mit den Funduskostümen und den Studio-Gulag-Ausstattungen. Aber das war sozusagen eher der schlechte Geschmack, der noch mal aufstiess, bevor ich mich dann richtig, ja, zurücklehnen und diese Bilder betrachten konnte. Denn man muss hier nicht wie ein Kupferstecher aufpassen, dass man nichts verpasst.

Irgendwie bleiben die Männer untereinander jedoch seltsam beziehungslos, sie haben nur die Flucht im Kopf. Und wenn sie dann dies und das ihrer brüchigen Biographien preisgeben, besonders dank Irina, die am Baikalsee zu ihnen stösst, und der sie zuerst mit Misstrauen begegen, ändert sich nichts an ihrer Beziehungslosikgeit; sie sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen verschiedener Nationalitäten, so wie sie in den Gulag geworfen worden sind, so willkürlich gemixt. Einer kennt sich aus und weiss wie man in die Mongolei kommt, der kehrt dann auch zurück. Sie verbindet wie irgend eine andere Reisegesellschaft, dass sie diesen Weg machen wollen. Den ersten erwischt es noch im sibirischen Winter, der mit der Nachtblindheit findet aus dem Wald nicht mehr zurück und sitzt am Morgen erfroren ganz nah bei ihnen. Unter Steinen begraben sie ihn.

Es gibt Ansätze zur Charakterisierung der Figuren, Smith eiskalt, und man soll nie freundlich sein, das versucht er Janusz beizubringen. Dies geschieht diskret, sie machen sich nicht wichtig, es vermittelt sich eher aus beiläufigen Gesprächen, bei Aktivitäten im Gulag oder dann bei der Flucht, wenn sie sich in einem Unterstand eng aneinander schmiegen oder ein Feuer machen; es sind übrigens immer sehr schön fotogen arrrangierte Gruppenbilder; und nicht nur, wenn sie sitzen oder liegen; auch wenn sie gehen, das erinnert an eine Pilgergruppe, denn sie haben Stöcke dabei, die langen Pilgermäntel und die umgehängten Beutel und Kapuzen auf dem Kopf.

Im sibirschen Sturm haben sie, drum war ein Messer so wichtig, aus Baumrinde Gesichtsmasken rausgeschnitten gegen den eisigen Wind. Einmal hören sie Wölfe. Einmal vertreiben sie eine Meute Wölfe, wie die sich über ein gerissenes Tier hermachen und vertilgen das Fleisch dann selber.

Ein grosser epischer Bildbogen, der wohlosiert mit Details umgeht.

Wenn einer in der Wüste die Schlange tötet, wie sie das Fleisch auf einem heissen Stein braten, wie das Fleisch gekaut wird, da gibt’s ein Gespräch über den Unterschied zu Hühnerfleisch; einer, der Schlangenfleisch isst, holt aus seinem Mund plötzlich einen Kleintierschädel als ungenießbar heraus.

Es gibt Momente, da erinnern die Arrangements an einen Passionsfilm. Und in dem Augenblick, wo Irina da liegt, das ist in der Wüste in der Mongolei, in der Sandwüste, wo sie kaum mehr Wasser haben, und man denkt an die Madonna als Topos in der abendländischen Malereigeschichte und schon ist Irina begraben und mitten im Sand steht ein Holzkreuz, vermutlich aus einem ihrer jüngerhaften Pilgerstäbe notdürftig zusammengebunden, dran baumelt ein Amulett. Religiös anmutend. Das Leben als eine Pilgerreise.

In Tibet werden sie zuvorkommend begrüsst.

Es gibt sehr wenige Begegnungen mit anderen Menschen; eine Ortschaft am Baikalsee umgehen sie, aber wie sie unter Mücken leiden, geht einer von ihnen zu einem allein wandernden Mann und erhält von diesem ein Halsband als Mückenschutz; von da ab haben sie ihre Ruhe. In der Mongolei stürmt plötzlich eine wilde Reiterschar auf sie zu. Ihr Devise: nur lächeln, lächeln. Die fragen sie ob sie Pilger nach Tibet seien. Sie greifen die Idee dankend auf und bejahen. Die Mongolen, wilde Kerle machen kerhum und reiten davon. Kurz darauf finden sie einen jungen Reiter, der sie erwartet, der schmeißt ihnen eine Tierhaut gefüllt mit Wasser hin und sprengt in wildem Galopp davon.

Enen Eindruck möchte ich nicht unerwähnt lassen; sie pflegen sich zwar auch: aus einem toten Tier, das sie im Schlamm am Baikalsee gefunden haben, stellen sie Seife her, mit der sie sich dann waschen. Ab da haben sie immer saubere Klamotten und erwecken eher den Eindruck, auf einer Abenteuerreise zu sein, wo sie sich zu helfen wisssen müssen. Auch ihr Gang ist meist recht frisch und lässt die Monate, die sie hinter sich haben nur schwer vorstellen; wenn sie nicht gerade das schiere Verdursten spielen müssen.

Witzig ist es allemal, wenn ein halbes Dutzend Menschen durch endlose Sandwüste zieht und sie dabei anfangen von der leckeren Zubereitung und dem richtigen Würzen appetitlicher Speisen zu schwärmen.
Für Irina bastelt einer Fellschuhe.
Einmal in der Wüste gibt’s Fusspflege.

Am Brunnen, den sie in der Wüste finden, dank Vögeln, wo Vögel sind kann keine Fata Morgana sein, machen sie Duschspiele mit dem Wassersack aus dem Ziehbrunnen, da wirken sie ganz aufgekratzt und man vergisst, auf welch endloser Reise sie sind, auch wie existenziell die ist. Flucht hat in diesem Film sehr stark die Komponente des Abenteuers. Es gibt auch Stellen, wenn die ganze Gruppe mit grossem Abstand zwischen sich in einer Linie am Horizont marschiert, die an manche Bilder aus Wildwestfilmen erinnern. Das Flimmern der heissen Luft am Horizont und die Stille.
Und zum Brunnen rennen sie dann plötzlich wieder mit Kräften, auch das ist sehr schön choreografiert.

Das Problem für die Kinospannung scheint mir zu sein, dass Weir sich nicht für eine Hauptfigur entschieden hat, deren innere Geschichte er zeigen will. Dadurch kann man als Zuschauer zwar wunderbar zuschauen; man kann auch ruhig mal wegschauen, wegtreten, wegknacken, man verpasst da nicht viel. Das war dann so ein Gedanke, speziell anfangs, ob das nicht ein Kino sei, was doch sehr passee ist, eines was dem heutigen Menschen nicht unbedingt was zu erzählen hat. Eine Bilderwelt die sich an grossem vergangenem Kino orientiert. Kinobilder sind heute schneller und brauchen zur Herstellung nicht unbedingt den grossen Apparat, der mir hier vor allem anfangs aufgefallen ist, der bringt viel Statik und Monumentalität mit sich – Kino hätte heute mit der leichteren Technik viel mehr die Möglichkeit von den Menschen zu erzählen. Davor scheut Peter Weir offensichtlich zurück.

An der chinesischen Mauer, auch die haben sie gefunden, dröhnt das Orchester in voller Lautstärke. In Tibet gibt’s dann noch ein Gespräch über die Pläne der Männer.

Ab da geht alles sehr schnell. Nach Indien. Und dann zurück zur Rahmenhandlung und die Einbettung in die Weltgeschichte, verbandelt mit der polnischen Geschichte über den Darsteller Janusz.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert