Liebesgeschichte um eine komplizierte Frau und zwei Selbstmorde. Verfilmung eines weltweit erfolgreichen Romans von Haruki Murakami. Der Film ist ein nahrhaftes Werk auch für jemanden, der den Roman nicht kennt. Insofern dürften seine Erfolgschancen noch größer sein, als wenn er insiderisch verfilmt worden wäre. Tran Anh Hung hat den Film gemacht. Er ist mit DER DUFT DER GRÜNEN PAPAYA bekannt geworden.
Der Film spielt in Tokio und Umgebung in den 60ern, fängt an im Studentenmilieu, wo Protestaktionen In sind, aber unser Hauptdarsteller Watanabe hat andere Probleme. Er liebt Naoko. Sie ist in der deutschen Übersetzung die Titelfigur, im Original heißt der Film: Norwegian Wood und das ist was für Musikkenner.
An der Uni will der Professor gerade über ANDROMACHE referieren, die Frauengestalt aus der griechischen Mythologie, die männerbekämpfende, wie es heißt; aber der Professor wird unterbrochen von protestierenden Studenten, die ihre politischen Statements abzugeben wünschen. Der Professor findet jedoch, es gebe nichts Spannenderes als die griechische Mythologie und das dürfte sich mit der Meinung des Filmemachers decken, der sich nicht den Studentenprotesten, sondern der Geschichte der komplizierten Frau Naoko, die Kizuki in den Selbstmord treibt, zuwendet. Andromache – oder Naoko? – die Männer Bekämpfende.
Watanabe, der Student, der sich mehr für Naoko als für die Studentenproteste interessiert, fragt Naoko später, ob sie mit Kizuki geschlafen habe; sie sagt, ja einmal, aber sie sei nicht feucht geworden; sie hat Watanabe somit noch eine gewisse Exklusivität zu bieten. Sie bleibt für ihn verlockend. Denn die Spinne muss ihr Opfer ins Netz locken.
Wie Naoko nun versucht, Watanabe in ihr Netz einzuspinnen, dieser Versuch, dessen Erfolg nie plump absehbar ist, füllt den Hauptteil des Filmes. Sie kann ihn mit dem Exklusivitätsversprechen jetzt beliebig an seinem Begehren nach ihr und seinem Drang nach sexueller Befriedigung gängeln. Das tut sie lust- und kunstvoll.
Bei einem langen Gespräche im Gehen der beiden hatte Watanabe ihr seine Liebe gestanden, obwohl vor allem sie geredet hat und ihre eigene Kompliziertheit dargestellt hatte, aber irgendwie hatte sie wohl in Watanabe dadurch die Disposition geschaffen, dass er sich auf ihr Spiel, hoffnungsvoll, einlässt.
Dabei ist Krankheit eines der besonders raffinierten Gängelinstrumente. Denn krankheitshalber sucht Naoko Zuflucht auf dem Lande. Dort sucht Watanabe sie immer wieder auf, fühlt sich unwiderstehlich angezogen. Sie reden auch über Liebe und Sex; sie kann sehr direkt fragen, als ob sie das weiter nicht berühre, ob sich denn die Studenten im Wohnheim alle selber befriedigten und ob sie dabei an Frauen dächten oder wie das denn mit dem Ständer sei, ob das weh tue und ob er einen habe und sie könne es ihm mit der Hand besorgen und wie sie damit anfängt, schwenkt die Kamera diskret nach oben. Logisch, dass das Lust auf mehr, auf weitere Besuche macht.
Eine solche Frau ist für einen Liebeshungrigen zum Verzweifeln, umso mehr als sie in ihrem Asyl immer Reiko um sich hat, die auch gleich zu Anfang beim ersten Besuch von Watanabe klar stellt, dass Naoko besondere Aufmerksamkeit brauche und sie sie nie aus den Augen lassen werde. Über Andromache wird geschrieben, dass sie lesbisch gewesen sei. Unangenehm für Watanbe. So haut Naoko nachts ab. Bei dieser Exkursion dürfte sie das einzige Mal Sex mit Watanabe gehabt haben, Sex, bei dem sie feucht geworden ist.
Jetzt könnte die Beziehung ernsthafter mit garantierter Intimität werden. Denkste. Das war schon wieder too much für Naoko. Viele Briefe wechseln hin und her; Entschuldigungen ihrerseits über ihre Kompliziertheit und dass sie noch eine Weile brauche, aber nie ein definitives Schlusswort.
In der Zeit lernt Watanabe in einem einsamen Moment Midori kennen. Auch sie ist nicht einfach; sie möchte ihn ganz für sich und keine andere neben sich haben. Er muss sich Midori also aufsparen, bis Naoko sich aufgehängt hat am Meer; was er natürlich nicht voraussehen kann. Daraufhin macht er wilde Trauertage und Nächte am Strand. Tran Anh Hung haut eine heftige Musik drauf, lässt ihn heulen wie ein Wolf, aber seine Stimme hört man in diesem Moment nicht, der Geifer läuft ihm in einem langen Faden aus dem Mund und wabert hin und her und der Bart ist ihm gewachsen, wie er überhaupt im Laufe des Filmes vom Milchbuben zum Mann wird.
Schließlich hatte er ja noch jenes Erlebnis vom Partnertausch mit seinem Kumpel, wie sie beide eine Frau aufgerissen hatten und mitten in der Nacht, jeder ins Zimmer des anderen sei und mit der dort vorhandenen Frau weitergemacht habe; so richtig Lust habe das aber nicht bereitet.
Ist das jetzt mehr ein Film über die Komplikationen der Mannwerdung oder über die Kompliziertheiten des Frauseins?