Brownian Movement

Ein Film als Triptichon, nicht von der Jungfrau Maria aber von Sandra Hüller, oft hüllenlos, als Charlotte. Die einzelnen Teile des Triptichons sind ganz einfach überschriftet als Part 1, Part 2, Part 3.

Part 1. Schnauftöne noch ohne Bild. Ausdauerndes Standbild in eine möblierte, aber unbewohnte Wohnung hinein. Wohnungsbesichtigung durch Charlotte (von der wir aber noch nicht wissen, dass sie Charlotte ist); also durch Frau Hüller. Offton Vermieterin: Sie ist ziemlich gross, die Matratze ist neu und dies ist das Badezimmer. Frau Hüller zählt Geldscheine, viele, viele 50er, 100er. Sie gibt sie der Vermieterin, die im Anschnitt ihr gegenüber zu sehen ist; dann zählt diese das Geld nochmal. Sie fängt mit den Hundertern an. Woher kommen Sie, fragt die Vermieterin. Frau Hüller antwortet: Berlin. Autohupe im Hintergrund. Frau Hüller duscht im Off. Sie steigt aus der Dusche, nackt, kommt mit dem Rücken vor die Kamera zu stehen, legt sich ein Badetuch unter den Schultern um. Ortswechsel. Kinder duschen in einer Gemeinschaftsdusche in einem Schwimmbad. Frau Hüller steht, angezogen, auf einer Empore des Bades, schaut mit verschlossenem Mund. Frau Hüller am Bettrand ihres Sohnes Benjamin, sie liest ihm eine Gutenachtgeschichte vor.

Stationen eines Frauenlebens.

Beim Frühstück lernen wir Max, ihren Mann, kennen. Dann sitzt sie im Labor am Computer mit weissem Kittel, weiss, bleich, blond, streng frisiertes Haar. Bett, Frau Hüller nackt, neben ihr haariger Männerrücken, sehr haarig. Sie streichelt darüber. Badewanne. Dozieren vor Studenten. Lachanfall wegen eines Klingeltones, wie aus der Rolle fallend, dass es so einen Klingelton gebe. Streicheln einer Sessellehne in geblümtem Morgenmantel. Krankenstation, weisse Vorhänge zwischen den Betten. Einblick: haariger Mann. Einem muss der Blutdruck gemessen werden, einem Bärtigen mit Glatze. Das übernimmt sie. Dann sind die beiden bei ihr in der gemieteten Wohnung. Frau und Haptik. Frau und Berührungen. Frau und Haut. Frau und Männerhaare. Bei ihm entwickelt sich die Erotik über das Riechen an ihrem Atem. Im Stehen fasst er sie unten an. Dann liegt sie nackt auf dem Bett. Er ist über sie gebeugt. Fingert sie. Dann streicht er mit dem feuchten Finger über ihre Augendeckel, später über Nase und Mund. Erotik. Jetzt sitzt er angezogen und wie belämmert auf dem Sofa. Sie putzt die Zähne.

Stationen eines Frauenlebens. Zwischen Familie, Beruf und haarigen, bärtigen Männern, die sie in ihrer separat angemieteten Wohnung empfängt. Lust scheint sie nie zu empfinden. Es kommt eher rüber, nun wie was, wie ein Experiment? Wie ein Bedürfnis. Vielleicht versucht sie zu erforschen, ob sie Lust empfindet, bei Männern egal welchen Alters, Hauptsache Seitensprungmänner.

Stationen eines weiblichen Leidensweges. Stationen eines weiblichen Lebens zwischen Beruf, Familie und haarigen Männern.

Max, ihr Mann, arbeitet auf dem Bau. Einmal besucht sie ihn. Dann schaut sie sich den Bau selbständig an. Sie trifft auf einen, der am unfertigen Boden arbeitet, es ist der mit der Blutdruckmessung. Sie schreit hysterisch. Sie schlägt ihn. Sie nähert sich ihm wie zärtlich und langt ihm eine mit einem gezielten Haken.

Part 2. Besprechungen bei der Psychiatrin. Erst mit ihr allein. Dann Paartherapie. Sie versucht zu erklären, warum sie das mit den Männern gemacht habe. Der Raum der Psychiatrin ist grosszügig, ein halbrunder Saal mit sehr hohen, schmalen Fenstern; mittendrin sitzt Frau Hüller der Psychiatrin gegenüber. Wie dann Max auch dabei ist, versucht sie in einem abgehackten Monolog aus ihrer vermutlich gestörten Innenwelt zu berichten, hört dann aber auf. Max und Charlotte sitzen nebeneinander. Dann ist sie allein. Ende Part 2.

Part 3 spielt in Indien, wo Max herkommt. In grosszügigem Haus. Inzwischen sind zwei kleine Kinder dazugekommen zu Benjamin. Einer der Kleinen heisst Simon. Hier führt Charlotte ein eher gelangweiltes häusliches Leben. Sie kauft Stoff. Fängt an zu nähen. Eine andere Frau will das für sie machen. Sie wehrt ab, so habe sie wenigstens was zu tun. Sie macht Ausflüge in die Stadt. Geht oft zu einer leeren Baustelle. Sitzt allein da. Max kommt dahinter. Sein Misstrauen wächst. Das ist gut zu sehen. Oder sie sitzt auf der Veranda unterm Dach bei Regen. Sie fährt mit einem Minigefährt mit Fahrer in die Stadt. Zwei Diener öffnen bei der Rückkehr das Tor. Mit den Kindern sieht man sie kaum. Der Leidensweg in seiner dritten Station. Aber sie geht nicht mehr fremd. Einmal geht Max ihr nach. Er ist sonst mit seinen Bauten beschäftigt. Er sieht, wie sie sich in dem Neubau in eine Ecke setzt. In diesem dritten Teil lässt die Regisseurin die beiden bei einer langen Autofahrt in die Wüste in sehr langen Einstellungen innere Monologe halten, wie in einer Ehe, in der man sich nichts mehr zu sagen hat.

Film als Anlass zu Meditation.

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