Bleak Night (Filmfest MÜnchen)

Was mich an diesem Film über das Erwachsenwerden, über die Phase des Übergangs von den flirrenden Ungewissenheiten und Ahnungen und Hoffnungen und Erwartungen kurz bevor man den Landeplatz für das Erwachsenenleben ansteuert, dass diese ganzen Gefühle, die einerseits von einer unglaublichen Zärtlichkeit sein können andererseits von tödlicher Verletzungskraft, dass das hier alles in sehr ruhigem und irgendwie doch sehr reifem Gesprächston abgehandelt wird.

Das verleiht diesem Film eine ganz ungewöhnliche Kraft und einen starken Reiz. Er vermeidet genau das, was der auch am Filmfest gezeigte deutsche Film TABU über Georg Trakl, auch wenn dort das Thema anders gelagert ist, kinotodsündenhaft tut: möglichst alles Tabuisierte zu zeigen.

Dabei geht es hier in diesem Film nicht unbedingt um ein Tabu. Aber es geht um die Grenze zwischen Aussprechbarem und den Gefühlen, der verletzenden und den sehr verletzlichen. Weil diese Menschen in jener Übergangszeit sind, in der der Mensch für eine eventuelle lebenslange Intimbeziehung, was auch einem lebenslang Halt entspricht, so offen ist, wie nie mehr sonst. Die Jugendfreundschaft als Übergangsunterkunft zwischen dem Zuhause, in dem der Mensch aufgewachsen ist und dem Zuhause, das er gründen wird.

Ein Problem, das ich auch beim japanischen Confessions hatte und sowieso immer mal wieder mit Filmen aus Asien: das ist die für einen Europäer doch nicht immer leichte Unterscheidung der einzelnen Charaktere und Physiognomien und dann auch noch die Zuordnung der Namen. Welcher war nun Ki-tae, Hee-june und welcher Dong-yoon aus dem Protagonisten-Trio?

Wobei der Faden, an dem das Thema aufgedröselt wird, der Tod des einen der Dreien ist. Zur Unterscheidungsschwierigkeit mit den Figuren tragen hier nicht nur die Schuluniformen und die ähnlichen Haare und Frisuren bei, Yoon Sung-hyun, der bemerkenswerte Nachwuchsregisseur, schneidet noch verschiedene Zeitebenen ineinander, nämlich die von der Collegezeit in Schuluniform und der Studienzeit in Privatklamotten.

Die junge Phase als College-Kids, die wird unruhig mit immer fahrig suchender Kamera gefilmt, also ob sie selbst so ein Junge sei.
Eine einzige junge Frau kommt vor. Die hat aber einen entscheidende Funktion. Dabei geht es um das alte Thema der Einmaligkeit der Liebe. Sie scheint rein. Andere erzählen dem Verliebten, der an die Einzigartigkeit seiner Liebe glaubt, anderes; das wäre kein guter Start in eine Leben zu zweit. Eine ziemliche Verletzung, sowas zu hören.

Themen, die in Gedankenkreisen angenähert werden sind die Einmaligkeit des Individuums und auch die Unverträglicihkeit mit anderen Individuen. Die jungen Männer sind Träger der Gedanken, die ihre Situation und die gefühlsmässigen Verwicklungen zu beschreiben versuchen. Es geht in diesem Alter immer um den Zwiespalt: zwischen der für unzerstörbar geglaubten Jugendfreundschaft, die man für immer fortwähren lassen möchte und um die Erfüllung des eigenen Lebens, Gründung einer Familie, Beruf, alles Dinge, die die zarten träumerischen Jugendfreundschaften, die unverbrüchlichen, im Normalfall gefährden. Das kann zur Folge haben, dass zwei so junge Gestirne sich nicht mehr zu sehr nähern dürfen, dass der eine das Collage wechseln muss. Weil er zu eingebildet gewesen sei, heisst es dann später. Weil er sich offensichtlich für zu einmalig gehalten habe. Understanding and Misunderstanding.

Mir erscheint in diesem Film die Jugend auch als ein Gefängnis aus Ritualen, in die sie eingesperrt ist. Unverbrüchlichkeit einerseits, Unverträglichkeit andererseits.
Lebenserwartungsgespräche und der Tod.

Mich beeindruckt, dass die Darsteller alle als sehr intelligent dargestellt werden, von den Texten, vom Duktus der Figurführung her. Wie ein Versuch, die Problematik in chemischer Reinform herauszukristallisieren.

We should grow up, Schesche.

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