Alles koscher! – The Infidel

Ein rundlicher, glatzköpfiger, fester Mann mittleren Alters mit prinzipiell grimmigem Blick ist die zentrale Figur in diesem Film, der die religiösen Vorurteile in der Tradition des jüdischen Witzes auf die Schippe nehmen will.

Mahmud, so heißt unsere Hauptfigur, er hat bereits einen herangewachsenen Sohn, der irgendwie nicht zu ihm passt, genau so wenig wie seine Frau, aber das ist vielleicht teil der vorgeblichen Komödienkunst, solche Besetzungen zu machen.

Sein Sohn jedenfalls will heiraten und zwar ausgerechnet die Tochter eines islamischen Hasspredigers. Außerdem ist dem Mahmud seine Mutter gestorben. Es gilt ihre Hinterlassenschaft zu ordnen. Dabei stößt Mahmud auf eine Urkunde, die belegt, dass er gar nicht das leibliche Kind seiner islamischen Eltern ist, sondern adoptiert wurde und sein wahrer Name ein jüdischer ist. Dem geht er nach und findet seinen leiblichen Vater in einem Spital.

Die Komödie, so wie sie gespielt und geschrieben ist, wird hier gut vorgetragen. Das Problem scheint mir aber ein grundsätzlicheres: einerseits, wen wollen die Macher damit erreichen, denn mit Filmen über Toleranz, resp. Intoleranz und Vorurteile möchte man etwas bewirken und garantiert nicht reine Kunst machen. Überhaupt scheint mir der Rahmen oder das Tablett, auf dem die Macher ihre Fähigkeit, diese Art Komödie zu inszenieren und zu spielen ganz gut präsentieren, sehr wacklig.

Was ich zum Beispiel überhaupt nicht nachvollziehen kann, dass Mahmud, kaum hat er erfahren, dass er Jude ist, gleich zum Judentum übertreten will, so ganz ohne jeden Konflikt, wobei er ein eher nachlässiger islamischer Gläubiger war. Ausgerechnet ihm gegenüber wohnt ein jüdischer Taxifahrer, der einen siebenarmigen Leuchter im Fenster stehen hat. Von diesem Nachbarn will sich Mahmud die jüdischen Bräuche und Rituale beibringen lassen, auch diese Lern-Szenen scheinen mir arg auf die Gunst des hoffentlich dankbar kapierenden Publikums hin spekuliert.

Das Problem mit dieser Art jüdischen Witzes, wie er ja weltberühmt wurde, seine Beschlagenheit und auch die Selbstverarsche, das ist, dass er seine Qualität und Stärke aus der Diaspora- und teils Ghetto-Existenz bezogen hat; daraus seine Schlagkraft, seine kreative Überzeugungskraft schöpfend. Heute ist dies so nicht mehr gegeben. Es gibt den Staat Israel, und wo Juden in der westlichen Welt leben, da sind sie in keinerlei Ghetto gezwungen. Es ist diesem jüdischen Humor und Witz ein gutes Stück weit der Boden entzogen. Insofern scheint dessen Anwendung wie in diesem Film praktiziert, doch arg museal, nicht auf die heute Lebenden gerichtet zu sein, wenn auch mit aktuellem Bezug ausgestattet.

Als aktualisierende Zurechtbiegung der Situation kommt zum Erlernen der äusseren Formalitäten des Judentums hinzu, dass der künftige Schwiegervater, also der Hassprediger, der von Vertrauten umgeben ist, deren einer ein Haken statt einer Hand hat, soll wohl lustig sein, dass also der Hassprediger, um die Tochter dem Sohn von Mahmud zu geben, diesen auch auf seine Religiosität hin prüfen will, ein Vorgang, der mir nicht so wichtig und plausibel erscheint, ohne den aber die Komödie jeglichen Grund verlöre.

Mahmud wird jetzt von der Regie zwischen der Welt des Judentums und der des Islam atemlos hin und her geschickt.  In der Hektik vergisst er einmal die Kippa unter seiner arabischen Kopfbedeckung.   Prompt nimmt er beim Empfang des Hasspredigers vor viel Publikum sein Araberkäppi ab und darunter kommt die Kippa zum Vorschein. Worauf er eine öffentliche Verbrennung derselben veranstaltet, die im Fernsehen zu sehen sein wird und auch auf Youtube verbreitet wird; für diesen Preis hat  er vorerst seine Haut gerettet. Aber da seine Doppelgläubigkeit nun offenbar ist, setzt dies eine Kettenreaktion an Komplikationen in Gang, wie sie allein insofern schon erwartbar ist, weil ihre Voraussetzung so deutlich konstruiert  worden ist: Trennung von der Familie, Heirat des Sohnes ausser Sichtweite, Versammlung mit dem Hassprediger, Mahmud unter Burka verkleidet, Entlarvung des Hasspredigers. Konstrukt. Konstrukt der Lustigkeit halber zur zwanghaften Erzeugung von sollkomischen Situationen. Wozu sonst der Film gemacht worden sein soll, wird aber nicht deutlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert