Das einzige was mir an diesem Filmprodukt sicher scheint: dass es nicht für die Zuschauer gemacht worden ist, dass keiner der wesentlichen Beteiligten auch nur irgendwas gehabt hätte, was er den Zuschauern unbedingt erzählen wollte. Wenn dem so ist, und ich werde vesuchen, die Behauptung zu untermauern, dann ist das schon mal eine grundsätzliche Katastrophe. Dann hat die öffentliche Hand mal wieder für eine künstlerische Katstrophe Geld ausgegeben.
Worum geht es? Das genau ist die Frage!
Am besten beschreibe ich erst ein Stück weit, was es denn zu sehen gegeben hat.
Afrika von oben. Das ist immer schön. Da kann man sich freuen. Da gibt es sicher schöne Tier- und Landschaftsaufnahmen. Gut, das ist etwas, was die Filmemacher dem Zuschauer auch bieten werden. Das stimmt. Aber wenn es das allein gewesen wäre, dann hätten sie auch einen Naturfilm machen können, wenn es ihnen um die Natur gegangen wäre, dann hätten sie sich die nebulöse Handlung gleich sparen können. Denn die Handlung im Film ist ja mit eine Begründung und Rechtfertigung, warum man eine Geschichte erzählt. Es war einmal ein Märchenprinz. Der hatte folgendes Problem. Um das zu lösen hat er diese und diese Handlungen begangen und das hat zu folgenden Konflikten geführt. Nichts davon hier. Aber der Reihe nach.
Nach den Flugaufnahem muss die Kamera gelandet sein. Sie fotografiert jetzt einen weißen Jeep. Der fährt über Land. Weite. Regen. Wir wissen noch gar nichts, wer wieso woher und wohin in diesem Jeep fährt. Dunkelheit. Gegenlichtscheinwerfer. Die Tropfen platschen auf die Windschutzscheibe und die Kamera liebt das Spiel mit dem Licht, das fast blitzartig aufscheint. Aha, die Kamera hat Freude an was. Und das sieht auch aufregend aus. Experimentalfilm vielleicht? Der Jeep kommt jetzt an der Landestelle einer Flussfähre.
Ein Mensch, ein Mann steigt aus. Stellt sich fotogen neben das Auto mit dem Rücken zur Kamera, steht etwas unbeholfen da , schaut, ob die Fähre kommt. Das zumindest vermuten wir. Sie kommt aber nicht. Jetzt liegt ein Weißer auf der Kühlerhaube des Jeepes, sonnt sich. Erinnert mich an Posen aus diversen Afrika- und Abenteuerfilmen. Könnte auch Werbung für Zigaretten einläuten. Noch wissen wir nicht, mit wem wir es zu tun haben. Was dieser Weiße so ganz allein in diesem Jeep vor hat. Das ist schon mal verdächtig, zumindest ungewöhnlich, ein Weißer allein in Afrika unterwegs.
Ein Schwarzer steht in einem Kanu, rudert es durchs Wasser. Der Weiße liegt wie ein Ausflügler relaxed im Kanu. Ausflugskino? Es ist eine idyllische Schilf-Seenlandschaft, durch die das Kanu sanft gerudert wird. Ein Nilpferd wird im Hintergrund sichtbar. Ist das nicht gefährlich. Der Weiße wirkt keineswegs beunruhigt. Was will der Weiße hier. Wir haben noch keine Anhaltspunkte. Da jetzt schon bald zehn Minuten um sind, und wir noch kaum Infos haben, aber oft diesen Weißen im Bild, ist wohl davon auszugehen, dass er der Protagonist ist. Der Bootsmann fängt einen Fisch. Ein Platzregen kommt. Ok, nach 15 Minuten hat unser Protagonist jetzt einmal mit offenem Mund zum Nilpferd rübergestarrt. Keine Ahnung wer das ist und was der will.
Der Schwarze und der Weiße flüchten sich im Regen ins Schilf, bereiten sich zum Nachtlager, irgendwo da in den Gewässern muss das sein. Jetzt sind bald 20 Minuten vergangen und es kommt eine sensationelle Mitteilung, denn der Schwarze versucht ein Gespräch mit dem Weißen, wenn ich mich recht erinnere, ist das am Lagerfeuer beim Fischessen. Der Schwarze will wissen, was der andere macht. Dieser sagt, er sei actor aus Germany, na das ist doch mal eine Info nach 20 Filmminuten! Was denn der Actor mache, er mache wie ein Nilpferd, die Pointe ist leider gut, das darf festgehalten werden. Der Schwarze erzählt dann noch vom Haus der Tiere und dass die Tiere den Menschen als Eindringling verstünden. Gut zu wissen, falls man allein in Afrika unterwegs ist.
Was aber macht ein German actor allein in Afrika? Will er die Nilpferde studieren? Wir wissen es nicht. Mehr hat er über sein Unternehmen auch dem Schwarzen nicht verraten. Mein Eindruck in diesem Moment ist der, dass ich es hier mit einer filmischen Kuriosität zu tun haben, in der ein German actor sein privates Homemovie drehen will. Tja, immerhin besser als rumsitzen und jammern.
Warum aber soll ich mich als womöglich zahlender Zuschauer für dieses Homevideo interessieren. Das konnte mir der Film bis hierhier, es sind bald 25 Minuten vergangen, nicht erklären.
Die Nacht ist vorbei. Der nächste Tag, der Schwarze und der Weiße sind immer noch in einem ziemlich undefinierten Schilf-Seenland. Im Hintergrund ist jetzt ein vorbeitrottender Elefant zu sehen. Der German actor stellt sich in Schau-Position. Die Kamera filmt das. Nach 25 Minuten ist ein Unglücksfall passiert. Den hat die Kamera aber nicht mitgekriegt, weil sie mit der Schau-Pose des German actors beschäftigt gewesen ist. Der Schwarze rührt sich nicht mehr. Für den Zuschauer sieht es aus, als ob er schlafe, die Kamera traut sich nicht richtig ran. Aber aus der Hektik, die der German actor entwickelt zu schliessen, muss sowas wie Tod passiert sein. Der German actor scheint nicht der Typ zu sein, ruhig Blut zu bewahren, in städtischer Hektik versucht er jetzt den Schwarzen, auf die realistischen Feststellungsversuche, ob der wirklich tot sei, hat er verzichtet, mit blauen Planen einzupacken und ihn dann aufs Kanu zu schleppen. Kurz denkt man an Werner Herzog, was der aus sowas gemacht hätte.
30 Spielminuten sind vorbei und der German actor ist mit der blau verpackten Leiche und einer ebenfalls blauen Kühlbox am Fuße eines großen Baumes. Er macht jetzt einen Urschreiversuch. Dann döst er. Ein Vogelschwirren weckt ihn auf. Jetzt klettert er auf einen Baum. Vielleicht denkt der German actor in diesem Augenblick an Johnny Weißmüller. Und ich denke, na ja, ein bisschen crazy ist das alles schon, hier trauen sich Leute wenigstens mal was.
Nach 35 Minuten, inzwischen hat der German actor die Leiche durch den Sumpf gezogen. Er findet eine Hütte. Da mimt der German actor einen Wutausbruch.
Nach etwa 40 Minuten bricht der zweite Morgen an. Der German actor findet verbrannte Turnschuhe. Denn abends hatte er tatsächlich noch Feuer zustande gebracht und offenbar eine Hütte angezündet. Etwas später steht er in der Landschaft wie zum Fotoshooting, aber ohne Spannung, denn bis jetzt wissen wir immer noch nicht, was das Need dieser Figur ist, warum wir uns für sie interssieren sollen, welches Motiv hinter dieser Reise, die offenbar gezielt in die Sümpfe führen sollte, steckt.
Das ist natürlich etwas schwierig, um es vorsichtig auszudrücken, wenn ich im Kino nach etwa der Hälfte des Filmes immer noch nicht weiss, worum es geht. Und das wird sich leider auch in den nächsten 40 Minuten nicht ändern. Er wird noch die Leiche entsorgen. Er wird ein Dorf finden. Ein paar Afrikaner dürfen mitspielen in des German actors private Homemovie. Er darf staunen darüber, wie ein Laden in Afrika aussieht. Was vor allem in Erinnerung bleibt, ist sein Kopf mit dem immer frisch geföhnten Haar, dem frisch gebügelten Hemdkragen, bis auf die eine Stelle, wo er richtig im Dreck landet, und sein Profil, das er schön ruhig kamerafreundlich für die Großaufnahme hinhält.
Aufnahempositionen, die an andere Abenteuerfilme erinnern. Nur warum, sind mir die Gesichter aus den anderen Filmen alle viel lebendiger im Gedächtnis? Ich vermute, weil jene Schauspieler, denen der German actor hier vielleicht nacheifert, in einen spannenden Zusammenhang eines professionellen, spannenden Drehbuches gesetzt worden sind. Der fehlt hier gänzlich. Und wo der Zusammenhang fehlt, da muss man zu Ideen greifen. Zum Beispiel zum Schlachten einer Ziege. Das haben wir schon besser gesehen. Was aber kein Beinbruch ist, da der für den Zuschauer spannende Zusammenhang, nämlich warum der German actor hier ist und warum es eventuell wichtig wäre, dass er lebendig wieder rauskäme oder dass er das Schlachten einer Ziege erlebt, immer noch nicht exponiert worden ist. Nicht mal in einem privaten Beziehungszusammenhang ist dieser German actor. Zumindest wissen wir Zuschauer es nicht, ob eine Freundin oder eine Redakteurin, ein Mutter oder ein Kind dringend auf seine Rückkehr oder seinen Erfolg in Afrika wartet. Von unserem Wissen über sein Umfeld her wäre es völlig egal, wenn ihn das Nilpferd frässe. Ganz am Schluss sitzt er im Flugzeug, schaut auf Afrika. Zumindest dürfte er jetzt eine Fotostrecke im Gepäck haben, mit der er sich für eine deutschen Fernseh-Abenteuerserie empfehlen kann. Ich würde ihm allerdings Comedy anraten, denn die Pointe mit dem Nilpferd, die kam super!
Da der Autor dieser Kritik offensichtlich weder über ausreichend Fantasie noch die nötige Intelligenz verügt, ein Kunstwerk zu betrachten, empfehle ich ihm das Mainstream – Kino a la Hollywood.
Das sind Filme, die jeder Einfaltspinsel im mittleren Westen auf Anhieb versteht – das wäre dann so ungeführ die intellektuelle Kragenweite des Autors.
Dann kann er seine Kritiken für die Bild – Zeitung schreiben.
Merkwürdig, wie man immer gleich beschimpft wird und einem gleich alles Qualitäten abgesprochen werden, wenn man nicht die Meinung vertritt, die ein anderer hat.
Vielleicht können Sie mir ja die Frage beantworten, Martin Steinberger, wenn Sie sich denn so auskennen und so gewitzt sind, was der German actor in diesem Film in Afrika sucht.
Danke für den Hinweis mit der Bild-Zeitung, ich werde mich dort bewerben, dann bekomme ich wenigstens ein Geld für meine Beschäftigung mit Filmen.
Übrigens: ich habe in meiner Review durchaus auf Ansätze hingewiesen, die ich lustig fand!
Ich habe den Fil heute morgen in San Sebastian gesehen. Eine pure Katastrope. Alle hat man schon oben gesagt. Nicht zu empfehlen. Ich musste nach 65 Minuten aus dem Kinso, scho schlecht war dieser „Film“. Gestern aber sah ich ganz die andere Seite dr Münze. Einer der besten Filme di ich gesehen habe: „the artist“. Das muss man unbedingt sehen. 10 Minuten Aplaus für den Direktor.
Danke Willi, für den Tipp,
hoffentlich kommt „the artist“ bald nach Deutschland!
„Da der Autor dieser Kritik offensichtlich weder über ausreichend Fantasie noch die nötige Intelligenz verügt, ein Kunstwerk zu betrachten, empfehle ich ihm das Mainstream – Kino a la Hollywood.“
Ja, der soll doch den Roboter-Scheiss vom Michael Bay gucken gehen, die dumme Sau ! 😛
Wunderbar! Ein Prolet namens Stefe, der Filmkritiken schreibt! Ganz und gar „professionelle, spannende“ Filmkritik… oder eine filmanalytische „Katastrophe“?…
Hallo Herr Mischa, schön dass Sie sich gemeldet haben. Sie müssen starke Argumente gegen meine „Analyse“ des Filmes im Köcher haben, dass Sie sich diese saloppe Rede erlauben. Schade, dass Sie die Argumente nicht auch vorgebracht haben. Ich nehme an, Sie werden das noch nachholen und freue mich auf eine sachliche Diskussion.
Meine saloppe Rede auf Ihre saloppe Filmkritik… wobei es – ohne den Film positiv bewerten zu wollen – auch anders geht:
http://www.critic.de/film/der-fluss-war-einst-ein-mensch-4020/
Für die Zukunft: Nur Film alleine kucken reicht nicht, wa?!
Ich sehe schon, Mischa, Sie haben offenbar eine sehr enge, sehr schulhafte Vorstellung davon, was Filmkritik, Filmreview, Filmjournalismus zu leisten habe. Alles jedoch, was nicht in diesem Ihrem Schema abläuft, scheint Sie zu beunruhigen. Als Indiz dafür nehme ich, dass Sie meinem Text bisher statt Argumenten nur Polemik („ein Prolet namens“) oder simple Retourkutschen („saloppe Filmkritik“) entgegen gesetzt haben. So würde ich Ihnen denn empfehlen, lesen Sie meine Reviews nicht mehr, da sie Ihre Vorstellung von Kritik ganz offensichtlich gefährden, welche mir die eines musterschülerhaft ordentlich geschriebenen und gefälligen Aufsatzes zu sein scheint, das jedenfalls suggeriert Ihr Link-Hinweis.
Gerne lese ich Ihre Filmrezensionen nicht mehr!
„Texte“ wie dieser lassen am Internet verzweifeln. Bedauerlicherweise ist der Begriff Filmjournalist nicht geschützt und darf von jedem verwendet werden, selbst wenn dieser der deutschen Sprache nur so rudimentär mächtig ist wie „Stefe“…schlimm, ganz schlimm. Nur gut, dass Sie garantiert niemals für ein Medium schreiben werden, dass irgendwie von Bedeutung ist.
Hallo Johann, vielen Dank für Ihr Feedback. Vermutlich ist Ihnen bei der Analyse Ihrer eigenen Verzweiflung ein kleines Malheur passiert, indem sie statt zu sehen, dass Sie offenbar daran verzweifeln, dass Sie meinem Text so gar nichts entgegenzusetzen haben, das Internet dafür verantwortlich machen. So werden Sie sich und Ihre Diskurs-Kultur sicher nicht sehr günstig entwickeln. Sie sollten dem Internet dankbar sein; wenn Ihnen in den Printmedien oder im TV oder im Radio eine Kritik nicht passt, was ich annehme, dass sicher auch schon vorgekommen ist, dann können Sie überhaupt nicht sicher sein, dass Ihre Meinung dazu abgedruckt oder vorgelesen wird. Hier auf dieser Website hätten Sie sogar die Chance, Gegenargumente, konkrete Einwände oder Korrekturen zu liefern – schade, dass Sie sie nicht genutzt haben.
Diesen Film habe samt anschließener Präsentation selbst beim Max-Ophüls-festival gesehen. Leider spiegelt die fassung des Imterviews nur eine sehr spezielle, positive Perspektive wieder. Ich selbst mag auch epische Filme. Doch das war für den Großteil des Publikums zuviel, für mich eigentlich auch. Dennoch gehörte ich zu denjenigen, die bis zum Schluss und auch bis zum Gespräch nachher geblieben sind. Sicher dreht hier jemand, der ein apartes Ziel hat. Dass aber jemand lediglich mit Abgabe eines 2 DIN A4 Seiten großen „Konzepts“ eine 600.000 EUR Förderung des SWR erhielt, und die zuständige Dame des SWR das auch sehr stolz verkündet, hinterließ nicht nur bei mir einen äußerst schalen Beigeschmack. Jetzt , da dieser Film anläuft, frage ich mich schon, wie Film- und Kinogeschäft bei uns wirklich laufen….
600.000 EUR soll diese doch recht belanglose Fingerübung den Gebührenzahler gekostet haben? Das wundert mich nun schon; es wäre mal interessant zu erfahren, wie die genau ausgegeben worden sind; es handelt sich schließlich um Gebührengelder, das sind öffentliche Gelder.
Gerade den Film gesehen, gegoogelt, hier gelandet, mich maßlos über die hirnrissige Kritik geärgert. Ein großartiger Film, in dem nicht alles für jeden Deppen erklärt wird, Alexander Fehling spielt hervorragend (und seine Haare sind NICHT gefönt), ein Kunststück, wie es hier gelingt, fast ohne Dialoge spannend zu erzählen, in eine fremde, bewusst fremd bleibende Welt einzutauchen. Nein, ich habe nicht darauf gewartet, dass mir eine Off-Stimme erklärt:“Wir befinden uns im Okavango-Delta in Botswana. Ein junger deutscher Schauspieler hat sich während der Dreharbeiten zu einem Tv-Film in Südafrika mit seiner Freundin überworfen und ist, statt sich direkt in den Flieger zu setzen, spontan mit einem geliehenen Wagen zu einer Safari-Tour ins benachbarte Botwana aufgebrochen. Und hier beginnen wir nun mit der Handlung!“ oder so einen ähnlichen Schmarrn. Wie gesagt: einer der besten, verstörendsten deutschen Filme der letzten Jahre, der zu Recht viele Preise gewonnen hat. Aber man sollte vorher schon mal einen Indie-Film gesehen haben.
Vielen Dank, Hugo, für das Feedback.
Auf den polemischen Vorwurf der Hirnrissigkeit meiner Kritik, würde ich mit dem polemischen Kommentar antworten, dass die Verstörung, die der Film, wie Sie behaupten, in Ihnen hervorgerufen hat, ihrem Text durchaus anzusehen ist. Doch lassen wir die Polemik beiseite. Gestatten Sie mir eine Gegenfrage zu Ihrer Behauptungen, dass der Film einer der verstörendsten Filme der letzten Jahre sei: was genau hat Sie an diesem Film so verstört? Und sind das Szenen, die in meinem Text vorkommen, und wenn ja warum oder sind es Szenen, die ich nicht erwähnt habe?
Ein phantastischer Film. „Into the Heart of Darkness“ von Joseph Conrad modern interpretiert. Null Action, Philosophie pur. Wovon handelt der Film? Ganz einfach: vom Scheitern des weißen Mannes an der Natur. Von der Natur, die ihren eigenen Rhythmus hat, den der weiße Mann nicht versteht. So wie der Protagonist gleich zu Beginn des Films eine Kuh umfährt, weil ihm das Gespür und das Wissen und die Erfahrung fehlen, wie man sich in der „Wildnis“ bewegt, so wird er auch im Rest des Films alles „falsch“ machen.
Unterhaltung ist das nicht, dafür sehr viel Wahrheit.
Der Film spielt in jenem Raum, den Rilke „das Offene“ nennt. Was ist das Leben, was ist der Tod, was ist unsere Natur? Das sind die Fragen die hier gestellt werden. Ob man denkt, dass diese Fragen wichtig sind, muss jeder selbst wissen.
Zur Frage, wofür Filmfördergelder ausgegeben werden. Dafür, dass es noch ein paar Filme gibt, die von jener Wirklichkeit handeln, die uns Menschen mit unserer eigenen Endlichkeit konfrontieren.
Es steht selbstverständlich einem jeden Zuschauer frei, einen Film gut oder schlecht, interessant oder langweilig zu finden, die Geschmäcker sind sowieso verschieden.
Es geht aber schon auch darum, was ein Filmemacher, noch dazu mit gut öffentlichem Geld, mit den Bildern für Behauptungen aufstellt.
Deutscher Tiefsinn und deutsche Afrikasentimentalität sind eines; diese cineastisch ansprechend, spannend und aussagekräftig umzusetzen wären ein anderes. Dieser Film vagiert für mich in einer undefinierten weltanschaulich-sentimentalen Sauce. Er will zeigen, wie schlimm es ist, wenn ein Weißer eine Kuh umfährt; gut, das macht selbstverständlich bedröppelt, aber ist das schon Kino?
Nehmen wir „Schlafkrankheit“ von Ulrich Köhler, https://www.filmjournalisten.de/2011/06/23/schlafkrankheit/ das war ein fundierter Afrika-Film und nicht so schnell mal eine Skizze von zwei Seiten und dann 600’000 Euro vom SWR und man fliegt los und filmt so ein bisschen, setzt sich in filmische Pose und lässt sich ablichten wie ein Neokolonialist oder ein Hollywood-Star und tut so sein Gewissen ein bisschen uneindeutig in den Untertext, wie das hier wohl der Fall war. Bei so beliebigen Material ist es kein Wunder, kann jeder seinen eigenen Film interpretieren, seine Afrikasehnsüchte oder -ängste formulieren. Zwingend sind diese Interpretationen alle nicht; ihnen fehlen die dezidierten Indizien. „Das Scheitern des weißen Mannes an der Natur“, Marian Bichler, das ist frei erfundene Interpretation, zu der der Film nicht einen Anhaltspunkt gibt, indem er nämlich der Figur gar kein Ziel gibt. Wo kein Ziel, da kein Scheitern möglich.
Die Haltung zu Afrika bleibt in diesem Film schwammig und gefühlsdusselig. Nicht gut fürs Kino. Ist eher ein typisches Beispiel für das Scheitern des deutschen Kinos an Afrika, für ein Kino, was sich seiner eigenen Endlichkeit offenbar gar nicht bewusst ist. Denn am Schluss fliegt der „German actor“ wieder zurück ins Filmsubventionsland als sei außer einem netten, öffentlich bezahlten Urlaubsdreh nichts gewesen.
Noch zu Marian Pichler:
Übrigens, wer ist denn hier gescheitert: der German actor kommt mit einer wunderbar exotischen Fotostrecke nach Hause und macht hier dank williger Filmfunktionäre Karriere. Wenn das mal nicht Ausbeutung Afrikas nach altkolonialistischer Art ist!
„Das Scheitern des weißen Mannes an der Natur“, Marian Bichler, das ist frei erfundene Interpretation, zu der der Film nicht einen Anhaltspunkt gibt, indem er nämlich der Figur gar kein Ziel gibt. Wo kein Ziel, da kein Scheitern möglich.
Das eine sind die bewussten Ziele, die sich der Mensch gibt. Das andere sind die Ziele, die der Mensch als Gattung hat. Eines der grundlegenden Ziele des Menschen ist der Kontakt zum anderen und zur Außenwelt. Wem dies nicht gelingt, der kann nicht überleben.
Genau dies geschieht in diesem Film. Stärker noch: diejenigen, die zum Protagonisten Kontakt aufnehmen, sterben. Ich finde das sind starke Metaphern, die sehr lakonisch in den Raum gestellt werden. Das Scheitern des Protagonisten liegt also darin, dass es ihm nicht gelingt in „Kontakt zu kommen“ mit dem Land, mit der Natur, mit seinen Leuten.
Darüberhinaus interpretiere ich den Film tatsächlich anders als Sie, Stefe.
Nach meiner Leseart stirbt der Protagonist bei dem Unfall mit der Kuh. Der Film ist m.E. die klassische Erzählung der letzten gedehnten Sterbeminuten, wie man sie z.B. in Ambrose Bierce‘ berühmter Geschichte „An Occurrence at Owl Creek Bridge“ lesen kann. Der scheinbare Flug nach Hause lässt das Ende zwar „irgendwie“ offen; ich sehe aber keinen „Anhaltspunkt“, wie und warum der Protagonist es geschafft hätte haben sollen aus der Wildnis wieder heraus zu finden. Meine einzige Kritik an dem Film wäre insofern, dass die letzten beiden Einstellungen nicht stimmig sind. Die Victoria-Falls liegen nicht am Okavango sondern am Zambezi-Fluß. Und im Sinne der Geschichte von Ambrose Bierce müsste die Erzählung eigentlich zum Unfall-Ort mit der Kuh zurückkehren. Es ist heute aber auch so, das die strengen literarischen Formen nicht unbedingt eingehalten werden müssen und man durchaus auch so eine Prise Unbestimmtheit in das Werk hinstreuen kann.
Wichtiger scheint mir jedoch, was ein Film auszulösen vermag. Sie Stefe, ärgern sich. Ich bin von dem Film tagelang erfüllt. So etwas nennt man dann ein kontrovers diskutiertes Kunstwerk. Film- und Kunstförderung haben genau den Zweck Diskurs und Kontroverse zu ermöglichen. Gerade weil kommerziell erfolgreiche Filme nur selten tiefgehende Kontroversen auslösen, bedarf es der Filmförderung, damit auch Filme entstehen, über die es sich so trefflich und leidenschaftlich streiten lässt wie über „Der Fluss war einst ein Mensch“.
Der Protagonist scheint in seinen „German-actortum“ gefangen zu sein; der erste gesprochene Satz im Film, wenn ich mich recht erinnere, das erste, was wir über ihn erfahren, nach 20 Minuten, dass er ein „German actor“ sei. Insofern kommt er natürlich nicht in „Kontakt“, das stimmt. Und es stimmt dann aber wohl auch, dass er in der Film-externen Interpretation mit einer schönen Fotostrecke nach Deutschland zurückkehrt und dort von den Filmfunktionären zum Star gemacht werden kann. Insofern hat er Afrika ausgebeutet, ohne in Kontakt zu kommen, aber zuhause Jagdtrophäen in Form von Film. Wie kann Sie so trübes Handeln tagelang beglücken? Was war die Intention des Filmemachers? Und wenn es der Todestraum war, warum gibt’s nicht einen zwingenden Hinweis darauf?
Gewiss gibt der Film die Möglichkeit von Schnittmengen zu diversen Afrikabildern her. Aber das gibt doch jede Postkarte oder jeder Urlaubsfilm. Und offenbar lösen die Bilder dieses Filmes Resonanzen Ihres Afrikabildes aus und beseligen Sie dann tagelang. Muss jedoch noch lange nicht heißen, dass das im Sinne des Filmemachers ist.
Unter einem kontrovers diskutierten Kunstwerk verstehe ich allerdings eines, wo die Diskussion nicht darum geht, was will es uns überhaupt erzählen, sondern ums Für und Wider der Erzählposition und die exponierte Sicht auf die Dinge. Wenn die aber gar nicht klar ist, so kann man das auch keine Kontroverse nennen. So ist es ein Austausch von Hypothesen, was wohl beabsichtigt sei mit diesem Film. Oder der Austausch von subjektiven Eindrücken. Das ist doch immerhin auch etwas.