Vielleicht ist das der Grund für ein paar Jahreszahlen- und Altersprobleme, dass dem Film ein Theaterstück zugrunde liegt, bei dem sowas womöglich weniger ins Gewicht fällt. Wann hat die Hauptfigur ihr erstes Kind gekriegt und dergleichen. Da aber Denis Villeneuve, Autor und Regisseur des Filmes, wie ein Spürhund an seinem Thema dranbleibt, spielt das keine große Rolle, lenkt den kalkulierenden und gerne mit Zahlen und zahlenmässigen Wahrscheinlichkeiten jonglierenden Mitteleuropäer nur in kurzen Moment ab. Der Film ist die Spurensuche einer Vergangenheit im Nahen Osten.
Jeanne und Simon Marwan, zwei junge Menschen und Zwillinge zugleich, die im französischsprachigen Kanada leben, erhalten von einem befreundeten Anwalt die letzten Verfügungen ihrer Mutter erklärt und zum Teil ausgehändigt. Er übergibt ihnen Umschläge. In denen steht aber nur, was sie zu tun hätten, es ist also wie bei einem Brettspiel, damit sie am Ende auch noch die restlichen Umschläge erhalten. Rücke in den Libanon vor. Die Mutter hat posthum eine Spur zu ihrer Geschichte, die sie zu Lebzeiten niemandem anzuvertrauen wagte, gelegt.
Damit fängt eine aufregende Geschichte an, die auch einen Teil des Libanonkrieges erhellt, von grausamen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen, von Ermordungen von wichtigen Persönlichkeiten, Folter und Vergewaltigung, nie anprangernd oder moralisierend, sondern immer als Teil eines Puzzles, das die Zwillinge schließlich auch auf die Spur ihres Vaters führt.
Für uns orientierungssüchtige Europäer wären hin und wieder Wegmarken, Jahresangaben, ob jetzt 1970, 71 oder 95 oder 2006 hilfreich, um der Geschichte noch konzentrierter folgen zu können oder auch gelegentlich Ortsangaben, die über den Namen von einem Gefängnis oder einer kleinen Ortschaft hinausgehen.
Nichtsdestotrotz erlebte ich schier atemberaubende zwei Stunden im Kino, die so viel erzählen, wie eigentlich kaum reingeht, was auch an Menschlichkeit alles möglich ist, aber eben auch an Unmenschlichkeit.
Immer wird orginal gesprochen, Französisch, Englisch oder Arabisch und auch nicht alles untertitelt, wenn es nicht unbedingt nötig ist, oder wenn die vielen Frauen in einem Raum sind, muss eine übersetzen von Arabisch auf Englisch.
Eine außerordentliche Geschichte, die hier den Weg auf die Leinwand gefunden hat.