Eine überaus erfolgreiche und populäre Country-Sängerin muss nach einem Unfall bei einem Konzert in Dallas in den Entzug. Mit hohem Alkoholpegel ist sie über ein Kabel gestolpert, drei Meter in die Tiefe gestürzt und hatte dabei ihr Kind verloren. Der Ruf war erst mal ruiniert. Der Film will von der zweiten Chance erzählen, die jeder haben soll.
Das Sujet kommt einem bekannt vor: Jeff Bridges hat uns in Crazy Heart die Kämpfe und Qualen des Wiedereinstieges ins Geschäft nach einer verkorksten Laufbahn eindrücklich nachempfinden lassen; man hat Jeff Bridges den kaputten Musiker voll und ganz abgenommen.
Dagegen hat es Gwyneth Paltrow, die hier die Sängerin Kelly Canter spielt, aus mehreren Gründen schwer.
Sie hat es vom Buch her schwer, welches nach Lage der Dinge als Hauptthese ein Votum für das Recht auf Selbstmord abgibt. I have got the right to disappear, so steht es im Abschiedsbrief der Sängerin, nachdem sie nach ihrem erfolgreichen Come-Back in Dallas, wo der Unfall passiert war, erfolgreich eine Todesdosis an Pillen zu sich genommen hatte.
Das Postulat des Rechts auf Selbstmord als Quintessenz aus einem Country-Film, das geht nicht so recht zusammen. Country-Musik haben wir doch bislang eher als, wenn auch gelegentlich etwas naiv-gefühlsduslig, so doch als lebensbejahend betrachtet. Gut, das könnte man ins Lot bringen, mit dem schulterzuckenden Argument, wussten wirs doch, dass die Amerikaner verrückt sind, dass die alle nicht ganz dicht sind; wenn man sich allein die Hysterie bei Kellys letztem Konzert in Dallas anschaut – was bei aller schauspielerischen Erstklassigkeit und Faszination von Gwyneth Paltrow doch in krassem Gegensatz zur Provinzialität ihrer Gesangsstimme steht – eine solche Stimme kann nie und nimmer eine solche Hysterie auslösen; warum tut sie sich dann eine solche Rolle an? Dieser zweite Grund für das Schwertun wäre also ein Rollenzusageproblem.
Mit Buch und Besetzung sind die Hauptgründe für meine Schwierigkeiten mit diesem Film abgedeckt. Sie können jedoch weiter verfeinert werden. Eine weitere These, die das Buch richtiggehend breit tritt ist die, dass Glück einzig im Erfolg auf der Bühne besteht. Amerikanische Glamour-Ideologie. Das ist zwar eine Behauptung, die noch von vielen halbseidenen Geschäftemachern in bare Münze umgewandelt wird, sei es mit den entsprechenden Blättern oder Veranstaltungen, mit dem Hypen solcher Glücksfälle. Blättchen von einem Niveau für Leser, die wohl gerade mit Mühe das Alphabet erlernt haben. In einem weiteren cineastisch-gesellschaftlichen Kontext dürfte die These allerdings auf ziemlich unfruchtbaren Boden stoßen. So wundere ich mich, dass die intelligente Gwyneth-Paltrow, ausserdem als Typ viel zu intelligent für eine Country-Sängerin, das im Buch nicht bemerkt haben will. Diese feinzügige, natürliche Frau passt nicht in das Bild jenes Typen von Menschen, der von den erwähnten Gschaftlhubern im Glamour-Business verbraten wird.
Der Film scheint mir gerade auch vom Gesichtspunkt dieser Glamour-Ideologie in einem sehr einsamen und menschlich unerfahrenen Gemüt entstanden zu sein. Warum Frau Paltrow ihn zugesagt hat, bleibt mir rätselhaft.
Ihr Come-Back schafft sie übrigens mit Hilfe eines jungen Country-Sängers, der Beau heisst. Gerade in der Begegnung dieser beiden wird die Einfältigkeit des Buches besonders deutlich. Wobei mir ein zusätzliches narratives Problem scheint, dass die Geschichte nicht mit der Hauptfigur, sondern mit dem jungen Beau anfängt. So legt man falsche Fährten, die später das Publikum enttäuschen. Der Film setzt den Zuschauer als erstes in ein Tingelkonzert des jungen Country-Musikers, der in einer Scheune zum Tanz aufspielt. Dann fährt er einen langen Weg durch die Nacht. Kehrt in eine Entzugsklinik zurück und ist nach einem Wortgeplänkel am Einlass plötzlich im Zimmer der Patientin Kelly Carter, der er auf der Gitarre was vorspielt, was sie, oh Wunder, gleich nachspielen kann. Der Zuschauer würde dieser Patientin ungefähr alles geben, aber garantiert nicht den Ex-Country-Star. Dem Ehemann der Patientin gegenüber gibt Beau sich als Betreuer aus. Verhäufelter kann ein Einstieg in eine Geschichte nicht anfangen. Jetzt sind also Kelly und Beau zusammen, welche Namen!, hört sich an wie ein neues Kinotraumpaar. Wer sich diesen Einstieg in den Film unvoreingenommen anschaut, der würde Gwyneth Paltrow ungefähr alle Rollen zutrauen, Professorin, Buchhändlerin, Intellektuelle sogar Handarbeitslehrerin – aber garantiert nicht Country-Sängerin und noch eine, die die Massen mobilisieren kann. Der unvoreingenommene Zuschauer kann es nicht fassen, dass um diese Person später solcher Presseauftrieb herrschen wird.
Der Film versucht sich einen glamour-kritischen Anstrich zu geben, in dem er den schönen Begriff Honkey-Tonkey-Kneipen verwendet, in welchen Beau auftrete und seine Lehre aus der vorliegenden Kleinmädchen-Glamour-Ideologiegeschichte nach dem üblen Ende der Tournee ist, dass er genau in solchen Kneipen in Kalifornien sein bescheidenes Glück findet, wogegen im Schlusskonzert von Kelly in Dallas der Glamour auf ätzende Höhen getrieben wird, wobei die Filmemacherin aber auf jeglichen Hinweis, ob das nun kritisch oder anbeterisch gemeint sei, verzichtet.
Es gibt noch eine weitere Kitsch-Füll-Story, die schier platzt vor Klischees. Die Nachwuchssängerin Chiles, die bei ihrem ersten Auftritt versagt. Beau wird dann zum heldischen, mutmachenden Retter, unterstützt sie, gibt ihr Selbstvertrauen, nimmt sie mit auf Tournee.
Die Naivität der Autorin dieses Filmchens kann sicher auch belegt werden mit den Versuchen ernsthafter Gespräche, die so gar nicht gelingen wollen. Zwischen Kelly und ihrem Ehemann, der auch ihr Manager ist, über ihr Leben und wie es früher war, das kommt so gewollt und obeflächlich daher, so sichtlich bemüht um nicht vorhandene Tiefe, um die Leere im Film zu übertünchen. Oder zwischen Kelly und der jungen Chiles, die ihr ernsthaft in aller Ausführlichkeit Ratschläge für die Karriere gibt, war das jetzt Scherz, Parodie oder wirklich Einfalt der Autorin? Der Mangel an Konfliktbewusstsein dürfte eher für Letzteres sprechen. Nicht anders sieht es bei den Gesprächsversuchen zwischen Kelly und Beau aus. Für die Einfalt und den Glauben an den Glamour sprechen auch die ganzen Applausorgien, die gefilmt werden. Einmal darf der Ehemann von Kelly ernsthaft hirnen, er wisse nicht, warum seine Frau so zerbrechlich geworden sei (wie Kelly einen Auftritt auf der Bühne abbricht).
Kleine pubertäre Ausbüchsfantasie zwischendrin, Kelly und der deutlich jüngere Beau hauen ab, springen auf einen Güterzug auf, händchenhaltend im offenen Güterwagen stehend (das ist ein schönes Bild!), freuen sich über die Freiheit, was man so gemeinsam Pferde stehlen nennen würde, Poesiealbumfilm. Sie hat aber Schmutz im Gesicht und muss dann bei Beau duschen und dann können sie sich küssen, Kleinmädchenfantasie, und Kelly kann treuherzig moralinen „I think I am Kelly Carter and I am breaking the law“. Und auch Beau darf später moralinen: „I think we should stop this, you are married”. Der Film als moralische Anstalt.
Dann gibt es Szenen, die erinnern eher an Vorgänge im Schullandheim. Zimmerbesuche im Hotel. Beau ist bei der jungen Chilly. Badeanzugswettbewerb. Der Tourneechef kommt, der Ehemann von Kelly. Beau muss Leine ziehen.
Während der verdunkelte Tourneebus über Land fährt erklingt der Song von der Zweiten Chance.
Beau hat immerhin eine gute Mikrostimme.