Stilsicher, inszenierungssicher, kunstsicher erzählt uns der Autorenfilmer Szabolos Hajdu die Geschichte eines kaputten Frauenlebens aus Rumänien. Oder eine europäische Gefällsgeschichte. Wohlstandsgefälle, Armut und die Wege zur Prostitution.
Die Rahmenhandlung. Eine Frau möchte wieder für ihr eigenes Kind sorgen. Sie stellt diesen Antrag in einem nüchternen Amtszimmer einer Amtsperson (in einer nicht exakt definierten Behörde, was als Hinweis mehr auf Symbolismus denn auf Realismus des Filmes interpretiert werden kann). Die Amtsperson, ein Herr, ist nicht unfreundlich, sondern sachlich interessiert, wirkt überhaupt nicht amtsarrogant hinterhältig oder zynisch sondern eher pragmatisch zupackend.
Die Rahmenhandlung wird abrupt unterbrochen und es wird die Geschichte dieser Frau erzählt oder vielleicht nur heiss fantasiert?
Schon als Mädchen ist sie im Zirkus missbraucht worden. Sie war ein Mädchen ohne Heimat und immer Objekt für die Männer. Der Film schildert ihren absurden Leidensweg von Rumänien über halb Europa bis nach London in die Bibliothèque Pascal, einem exklusiven Sexclub, aus welchem sie sich in einer ätherischen Befreiungsaktion, von der man wieder nicht recht weiss, ob sie geträumt ist oder nicht, befreit. Mona, so heißt die junge Frau läuft in ihren Sexsklavinnen-Lederklamotten einfach weg, enteilt in diesem Kostüm in die Strassen Londons.
Längeres Schwarzbild.
Im Amt. Das Einreichen der Forderung nach dem Sorgerecht für das eigene Kind geht weiter. Wie sie die Formulare unterschrieben hat und gegangen ist, wird der Herr entscheiden, dass sie das Kind haben darf. Dann sieht man Mutter und Kind an einem Tisch, fein gedeckt, aber ohne irgend ein Essen und sie tun so, als ob sie ein Festmahl zu sich nähmen; sie gehen in eine Kinderkuschelecke und während Mama anfängt, ein Märchen von einem Schloss zu erzählen, fängt die Kamera an, sich zu entfernen und wir sehen, dass wir in einem grossen Möbelhaus sind, die Beschallung ist STILLE NACHT HEILIGE NACHT und die Leute sind eifrig dabei, Tische zu vermessen, Dinge anzuschauen und einzukaufen.
Monas Leidensgeschichte als das Corpus des Filmes. In Balkan-Surrealismus-Symbolismus-Manier erzählt. Es fängt an beim Zirkus. Sie ist noch ein Mädchen. Sie macht eine Ansage. Der eine Typ steht auf sie. Aber während dieser auftritt, tanzt sie mit einem anderen glühenden Vereherer. Der andere verlässt die Bühne, es kommt zu einer Schlägerei. Sie flieht. Findet sich am Strand wieder. Liegt da. Plötzlich bewegt sich der Sand neben ihr. Ein Revolver taucht aus dem Sand auf, eine Männerstimme zwingt sie, den Sand, unter welchem sich der polizeigesuchte Flüchtling verborgen hält, mit ihren Klamotten neben sich zu bedecken, schon kommt die Polizei mit dem Fahndungsfoto. Balkanklamotte, denken wir. Er flieht am Abend mit ihr in eine einsame Badehütte. Sie diskutieren. Er findet es gut, dass sie ihn beschützt hat. Dann schläft er. Sie betrachtet ihn, Sie will abhauen, weiterer Surrealismus. Plötzlich verwandelt sich die Szene, die beiden sitzen an einem Tisch, die Tapete, die scheußliche wird zu einer Art feiner Schlosstapete, Mona ist in Folklorekleidung, der Typ, der Ausbrecher im Torero-Kostüm, Heirat oder so. Er erwacht, er sagt, er habe das geträumt, hat sie seinen Traum gesehen, nein, er habe die Fähigkeit, andere Leute seine Träume sehen zu lassen. Tief in die Fantasterei hineingeraten.
Mit dem Zug von Bukarest nach Wien, dann nach London. Bibliothèque Pascal. Die wird erst vorgestellt mit einer perfekten Shownummer mit einem Artisten, der auf einem doppelt-mannshohen Dreirad fährt und Fakeln jongliert und drum herum die Members. Sie wird später in das Kabinett Jeann-D’Arc geführt, wo sie je nach Laune der Herren diese oder jene Misshandlung erlebt, alles sehr schön künstlerisch gezeigt, fast wie Performance, wie Kunst dargestellt, der erste schlägt sie, das geht noch, dann gibt’s rätselhaft-litarische-pseudoliterarische Texte, Kunstcollage; sie ist in Ledermontur, dann kommen ins cleane helle Kabinett die Sadisten mit dem aufblasbaren Ledersack, in den sie gesteckt wird, sie pumpen die Luft raus, alles sehr rätselhaft und symbolhaft. Es wird von Desdemona geredet, es geht „um Dein Leben und Deine Seligkeit“.
Übrigens, schön der Gauner am Strand, der geht nachher ganz nackt nur mit der Pistole in der Hand zum Waschraum rüber, und wie er in einem weissen Anzug wieder rauskommt, da stehen wie symbolisch im Halbrund Männer mit Gewehr im Ansschlag vor ihm, aber er geht auf sie zu, sie sind keine realistischen Figuren.
Im Kabinett wird ihr vorgeworfen, dass sie schamlos in Männerklamotten rumlaufe, sie hat einen Military-Anzug an. Und die weisse Puppe.
Eine sehr künstlerische, kunstvolle Reise in die Abgründe des Sexlebens von reichen Gesellschaften.
Die Wahrsagerin ist ihre Mutter, auch da gibt es eine merkwürdige Begegnung.
Ein sich selbst genügendes Künstlertum, Guru, Visionär, Scharlatan, wilder Fabulierer, das muss man bei solchen Filmemachern fragen.
Im Kabinett wird ihr Heroin in den Arm gespritzt, darauf kommt eine weitere halluzinatorische Szene. Bilder eines traumatisierten Lebens.
Ihr Kind hat sie, so gibt sie es später zu Protokoll, an der Entbindungsstation in der Kötölös-Straße zur Welt gebracht.
Schöpft der Filmer mit grosser Kelle aus den Abgründen der Seele, spezieller: der europäischen Seele oder gar der Balkanseele?