Die Mondverschwörung

In der Art von Michael Moore schickt Thomas Frickel den korpulenten amerikanischen Journalisten Dennis R.D. Mascarenas durch Deutschland. Er erzählt der Reihe nach, wie es dazu kam, dass er sich plötzlich bei den Pinguinen in der Antarktis befand und am Schluss erfährt man dann auch, was er dort sucht, das ist doch ziemlich pikant, nämlich den Eingang zu einem Überlebensraum im Erdinneren etwa 20 Kilometer unter der Oberfläche, wohin nicht nur Hitler sich mit Getreuen gerettet haben soll (er sei jetzt 105 Jahre alt, aber ein anderer behauptet ernsthaft, er sei wahrscheinlich jung geblieben) sondern auch Neuschwabenland oder Atlantis.

Wie es dazu kam? Der Journalist hat von einem sonderbaren Rechtsstreit gehört zwischen einem Deutschen und einer amerikanischen Agentur, die Areale auf dem Monde verkauft (es soll auch 75000 deutsche Anteilsbesitzer geben).

Mit einem roten VW-Käfer mit der Nummer C IA 666 begibt sich der Reporter jetzt auf die Suche nach dem dem Ort des Rechtsstreits, vom Kläger erhält er die Adresse vom Herrn Jürgens, der behauptet, den Mond zu besitzen, weil einer seiner Vorfahren vom alten Fritz eine Urkunde über den Besitz am Mond erhalten habe, das nimmt Mascarenas zum Anlass sich bei einem Spezialisten für Luft- und Weltraumrecht kundig zu machen, das führt ihn zu einer Konferenz in Bremen, von dort aus gibt es einen Hinweis auf die Mondgymnastik und dann die Gymnastik nach Tierkreiszeichen, von dort geht’s zum erfolgreichen Mondlexikon, eines ergibt das andere und das nächste, Zahlenmystik, Vollmondwasser, Mondkosmetik, Kristallfotos, Mondbettwäsche im Hotel, Mondmeditation, Mondkristalle. Von einer Mondgeschichte zur nächsten, mal zwingender, mal beliebiger.

Nach seiner Reise querbeet durch Deutschland an den Fersen des Reporters im Roten Käfer hat uns der Filmemacher eine lange Reihe von Kursiositäten, Geschäften, Fakten, oberflächlichen und abgründigen, für Leichtgläubige oder für braunnational Angehauchte, für Esoterische, die alle was mit dem Mond zu tun haben, aufgefädelt wie zu einem ellenlangen Panoptikum.

Allerdings ein bisschen aus der doch etwas besserwissserischen Position heraus dessen, der sich aufgeklärt gibt, der die Kumpanei mit seinesgleichen sucht, schaut her, wie sind doch die Deutschen mit dem Mond leicht hinters Licht zu führen. Das ist eine Perspektive, die sich gerne auch Kabarettisten zu eigen machen, um damit das Publikum auf ihre Seite zu ziehen.

Problematischer scheint mir allerdings, dass Irrationalität jedweder Provenienz (ob braun, ob zahlenmystisch, ob mondgläubig) in Deutschland zur Entscheidung und Begründung von Handlungen viel weiter verbreitet und tiefer verwurzelt ist als der Film glauben machen möchte (nur ein jüngstes Beispiel: der Ehrenrettungs-Hokuspokus, den höchste Politiker um den Plagiator zu Guttenberg noch veranstalteten, als längst jedermann in jeder Zeitung schwarz auf weiss die gezielt veränderten Plagiate in Gegenüberstellung zu den Originalen nachlesen konnte). Insofern würde ich hier durchaus von einem Versuch der Verharmlosung eines sehr ernsthaften Phänomens sprechen, das gerade in einer Demokratie unbedingt Beachtung verdient. Oder man könnte auch sagen: Frickel verkauft sein Thema unter Wert, nimmt ihm durch die Verlagerung in die Kuriositäten-Ecke die politische Brisanz.

5 Gedanken zu „Die Mondverschwörung“

  1. Danke, Patricia, für Feedback und den Hinweis auf den schönen Text!
    Meiner Meinung nach ein praktisch brachliegendes Feld im deutschen Kino: Irrationalismus und Demokratie.
    Es werden zwar genügend Filme gemacht über die Nazis und die RAF,
    aber wie weit der Irrationalismus in die Mitte von Gesellschaft und Politik hineinwuchert, dafür scheint
    mir das deutsche Kino doch relativ blind.
    Wobei die das von mir aus nicht thematisieren müssen, ich wäre schon happy, hin und wieder einen
    Film zu sehen, in dem deutsche Eliten vorkommen, die auch auf ihren durchaus vorhandenen Irrationalismus
    hin abgeklopft werden.
    Egal, ob es um den Glauben an Titel, ob echt oder plagiiert, oder an Ehrungen, an Namen und Positionen geht,
    um undemokratische Verbeugungen vor Macht oder scheinbarer Macht. Mir fällt jedenfalls kein neuerer deutscher Film ein,
    der derlei unter die Lupe genommen hätte.
    Das dürfte damit zusammen hängen, dass der geförderte deutsche Film von der Struktur her prinzipiell
    submissiv (also sich unter die Verhältnisse unterwerfend) ist und schon strukturell nie subversiv sein kann,
    das ist es, was ihn dann meist auch entsprechend uninteressant werden lässt.
    Wenn Thomas Frickel mit seinem Film einen Anstoss in diese Richtung gegeben hat, dann dürfte ihm schon
    einiges gelungen sein!

  2. Danke für den Kommentar. Mir fällt auch kein deutscher Film ein, der dieses weite Feld beackern würde. Aber das sind sehr interessante Gedanken. Wenn ich in absehbarer Zukunft mal was über das Thema sehen solle, geb‘ ich bescheid…

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