Ganz ehrlich: Für mich lief 2010 nicht so besonders. Es läuft ganz allgemein nicht so besonders in den letzten Jahren, aber nun weiß ich endlich und eindeutig, warum: Ich bin zu gutmütig, zu nett, zu zuvorkommend, zu entgegenkommend und im Geschäftsleben zu preiswert.
Ich habe zwar nicht einen klassischen Ausbildungsweg zu einem anerkannten Abschluss genommen (was ich sehr bereue, aber das so bin ich auch einfach nicht gestrickt) und daher kein schickes CV nach Schema F zu bieten, aber ich bin ein fähiger Allrounder in den alten wie neuen Medien. Ich habe Radio gemacht, ich habe selbst (kleinere) Filme gemacht, ich habe ein Jahr an der Filmhochschule studiert, ich habe ein Jahr Drehbuch studiert, ich konnte schon immer verdammt gut mit Sprache umgehen, ich sollte eigentlich fest im Sattel sitzen. Doch leider tue ich dies nicht, eben weil ich zu nett bin.
Wie so viele Gutgläubige bringe ich ganz selbstverständlich meine Talente dort ein, wo sie benötigt werden, eben weil sie benötigt werden – unbezahlt und edelmütig wie Batman oder unterbezahlt, weil der Kunde selbst nicht vermögend ist oder Hundeaugen macht. So wie ein zufällig anwesender Arzt selbstverständlich bei der Versorgung von Unfallopfern hilft, ohne sich erst um seine Bezahlung zu kümmern, stellte ich meine Fähigkeiten zur Verfügung, bisher stets im blinden Vertrauen darauf, dass dem, der gibt, irgendwann auch gegeben wird.
Sechzehn Jahre nach dem Ende der Schulzeit bin ich nun endgültig eines Besseren belehrt und weiß, dass nur Undank der (westlichen) Welt Lohn ist. Beschämdende Zustände!
Ich werde also mein Leben ändern (müssen), um es den (mir unsympathischen) Umständen besser anzupassen. Ich kann es mir nicht länger leisten, umsonst oder unter Preis zu leisten. Fotos, Hochzeitsfilme und ähnliches mache ich von nun an nicht mehr zum Selbstkostenpreis, Artikel schreibe ich nicht mehr unterhalb der vom DJV veröffentlichten Tarife, Texte korrigiere und lektoriere ich nicht mehr unter den vom Vfll veröffentlichten Sätzen (Lektorieren – Sätze, get it? Brüller!) und alle anderen Arbeiten werde ich ähnlich berechnen. Nur noch die Familie und wirklich verdiente Freunde dürfen sich Gefallen erhoffen.
Ich will nämlich auch mal Urlaub machen können, mir irgendwann ein Auto und eine Immobilie leisten können, und für die Rente muss schließlich auch langsam was auf die Seite gelegt werden.
Ich werde mich geschäftlich ein wenig verändern. Von außen wird das wohl nicht unbedingt merkbar sein, aber ich werde mir neben der Filmkritik noch ein zweites Standbein aufbauen, über dessen genaue Form und Zusammensetzung ich mir erst noch endgültig klar werden muss.
In diesem Sinne: Auf eine gewinnbringende, erfolgreiche Zusammenarbeit! Und – für mich ein Novum – erst an zweiter Stelle die Philantropen-Klassiker Gesundheit und Glück für’s neue Jahr Euch allen!
(Junge, wie ich mich schon jetzt für diese Geldgeilheit hasse!)
Hey du, viel Glück für 2011. Tut mir leid, wenn es bisher nicht so gut für dich lief – aber es klingt doch etwas irritierend, wenn du dich wunderst, dass du von reiner Nettigkeit nicht leben kannst. Ich finde jetzt nicht grad, dass es „geldgeil“ ist, wenn man schlichtweg – ähm – Geld verdient. Mit anderen Worten: Man nennt das ja auch „arbeiten“. Wenn ich 40 Stunden die Woche arbeite, empfinde ich mich nicht als geldgeil, wenn ich dafür am Ende des Monats auch ein Gehalt kassiere 🙂
Vllt. hast du dir bisher einfach auch die falschen Projekte ausgesucht… Wenn du wirklich so gut bist, wie du sagst – ich kenn dich ja nicht – dann müsstest du doch auch lukrative Aufträge erhalten, oder? Und musst nicht weiterhin von Gefälligkeiten leben…
Also gräm dich nicht, wenn du in 2011 einfach nur das tust, was fast jeder tut 🙂 Arbeit ist keine Schande. Geld verdienen ist keine Schande. Geldgeil wärst du nur, wenn du andere Leute abzocken würdest!!!
Frohes Neues!
Natürlich ist es nicht geldgeil, für geleistete Arbeit Geld zu nehmen. Doch in der Selbständigkeit ist das nicht so eindeutig: Man leistet ständig, denn wenn man nicht für einen Kunden arbeitet, bringt man sich selber voran, und wenn es nur das Ausmisten der eMail-Inbox ist. Doch das zahlt einem keiner. Und es ist natürlich noch fraglich, zu welchem Preis man seine Leistung verkauft.
Auch behaupte ich ja gar nicht, übermäßig begabt zu sein, ich wollte lediglich festhalten, dass ich auch ohne klassischen Abschluss solide Fähigkeiten habe, und dass diese Fähigkeiten derzeit nicht ausreichend honoriert werden. Und an genau dieser Stelle setze ich an, mehr nicht. Von Gefälligkeiten leben muss ich zum Glück noch nicht.
Von Nettigkeit allein kann man natürlich nicht leben, das will ja auch keiner, aber wenn man sich immer sicher war, dass „nett sein“ einfach grundsätzlich besser ist als „nicht nett sein“ (Moralische Grundeinstellung, gute Erziehung und so), dann aber feststellt, dass das ganze in eine Flut von Gefälligkeiten und Erwartungshaltungen anderer pervertiert ist (ich meine jetzt niemand bestimmten, und meistens sind solche Erwartungshaltungen gänzlich unbewusst), und sobald „nicht nett sein“ als die bessere Option erscheint, dann fragt man sich halt schon, ob man da noch auf dem rechten Weg ist.
verstehe, was du meinst – bin übrigens auch selbständig, habe die 40 stunden woche exemplarisch gemeint. wer selbstständig ist, muss eben ständig selbst tätig sein.
naja, jede form von beschäftigung hat ihre vor- und nachteile. darum gehts ja aber nicht 😉
vllt. musst du dich einfach vom gedanken des „nicht nett seins“ lösen und schlichtweg deine perspektive wechseln. will heißen: du EMPFINDEST deinen kurswechsel vllt. teilweise als nicht nett sein – aber aus einer anderen perspektive ist es das vllt. gar nicht!
der mensch muss sich anpassen – das bedeutet auch, dass man flexibel sein muss. manchmal tut man sich schwer, den kurs zu wechseln – und sieht erst lange im nachhinein, dass der kurswechsel das beste war, was man je gemacht hat. auch wenn es sich im ersten moment falsch angefühlt hat….
toi toi