Distanz

Das größte Unglück für diesen Film ist sein Drehbuch.

Nur ein Beispiel. Der Film heisst Distanz. Heirat ist ein Indiz für eine Überwindung von Distanz, mithin in einem Film, der sich so betitelt, gewiss ein wichtiges Faktum. Dass der Protagonist, ein durch Zufall zum Serienkiller gewordener Gärtner, das Fräulein vom Institut, mit der er schon mal ins Bett gegangen ist, geheiratet hat, erfährt man im Nachhinein durch eine Befragung der Polizei. Ein drehbuchtechnische Schwerverdaulichkeit. Denn das reißt den Zuschauer, dem es hier eh nicht leicht gemacht wird, aus dem Versuch heraus, der Erzählung zu folgen, indem er sich sofort fragt: ‚Sag mal, habe ich jetzt was verpasst?‘

Die Idee hinter dem Film ist löblich. Ein Schauspieler wird initiativ gegen die Rollenangebotsmisere im geisttrockenen Filmland, indem er an einem Drehbuch mit einer Traumrolle voller Abgründe, nämlich dem erwähnten Serienkiller, mitarbeitet.

Nur ergibt das weder einen Hannibal Lector noch einen Alain Delon als eiskalter Engel, wenn der Protagonist mit ausdruckslosem Gesicht in einem botanischen Garten Beete bearbeitet und dann zufälligerweise bei einem einsamen Spaziergang Jäger beobachtet, wie sie ein Tier schiessen und es achtlos liegenlassen, wie er ihnen dann hinterhergeht und sieht, dass der Kofferraum eines der Autos offen ist und eine Knarre inklusvie Munition und Fernrohr drin findet und klaut und dann anfängt wahllos auf Jogger oder Menschen auf der Parkbank zu schiessen.

Über weite Strecken im Film wird mittels des verschlossenen Gesichtes behauptet, der Protagonist leide unter einer Art Kommunikationsstörung oder schizoider Persönlichkeitsstörung; dann aber unterhält er sich urplötzlich mit anderen, als sei überhaupt nichts. Unerklärliche Inkonsequenz, die nichts erschließt. Diese plötzliche Kommunikationsfähigkeit steht in krassem Gegensatz dazu, wie die Figur eingeführt wird, durch einsame Spaziergänge, einsam vor dem Fernseher sitzen, Steine von der Autobahnbrücke werfen. Da soll einer noch mitgehen.

Auch der Übergang vom Steinewerfer zum Todesschützen bleibt im Dunkeln. Kein Motiv, kein Anlass und ergo kein Grund, sich weiter für die Figur zu interessieren.

Mein Eindruck ist, dass sich die Macher nicht so richtig getraut haben, die Hemmschwelle zum Töten bei der Hauptfigur offensiv zu überschreiten, als wollten sie den Menschen hinter diesen Handlungen irgendwie noch retten. Dabei haben sie ihn endgültig verloren. Das Movie kommt dann plötzlich wie ein Lehrfilm daher, der behauptet: ‚Leute, es gibt eben Menschen, die töten ohne Anlass.‘ Um diese Info zu erhalten, brauche ich nicht ins Kino zu gehen.

Das Menschentümelnde wird fortgeführt in dem Gespräch mit seiner Frau, die behauptet, sie stehe hinter ihm, er habe nie etwas Böses getan, müsse aber mit dem Töten aufhören. Dieses psychologische Faktum, das Böse in seiner Nähe nicht wahrhaben zu wollen, ist zwar bekannt von Fällen innerfamiliärer Gewalt. Es wird hier aber ohne jede dramaturgische Funktion, eben lehrfilmhaft und nicht spannungserzeugend eingebracht.

Die Kamera trägt das ihre zur Dämpfung der Freude an diesem Film bei; so uninspiriert fotografiert wie der Patient das Gewehr auf seinem Bett auseinander nimmt oder wie seine Frau Tomaten schneidet, habe ich das schon lange nicht mehr gesehen.

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