Linktausch-Manifest

Immer wieder bekomme ich Anfragen per e-Mail, ob ich denn nicht an einem Linktausch interessiert sei. Ich werde in Zukunft auf diesen Blogeintrag hinweisen, wenn ich solche Anfragen bekomme.

Meist wird zuerst dieses Blog gelobt, dann kommt eine „wir sind auf Sie aufmerksam geworden“-Formulierung, die Professionalität und Business-Savvyness vermitteln soll, ganz so, als wäre mein Blog bei einer Sitzung von wichtigen Leuten ein eigener Tagesordnungspunkt gewesen, das Ganze ist dann garniert mit Begriffen wie „Linkpartnerschaft“, „Tauschprogramm“, was suggerieren soll, man würde gerade vom Club of Rome umworben.

Schließlich folgt eine Liste von URLs, von denen als Gegenleistung aus auf meinen Blog verlinkt werden kann.

Klickt man dann aus schierem Interesse auf eine oder mehr von den genannten Adressen, findet man sich in fast jedem Fall auf schlecht geschriebenen, schlecht recherchierten und auch sonst nicht weiter interessanten Webseiten oder Shops wieder, die vorgeben, sich jeweils auf ein Thema spezialisiert zu haben, sei dies Schmuck, Gartengestaltung, Finanzen, Gesundheit oder sonstwas.

Eines haben diese Webseiten jedoch gemein: Sie alle quellen über mit Anzeigen und sonstigem Geld-für-Klick-Nepp. In Kombination mit den stupiden, hohlen Texten voller Platitüden („Thema X ist in der heutigen Zeit aktueller denn je„, „Willkommen bei Y, Ihrer kompetenten Adresse für Y„), grausamer Grammatik und Rechtschreibung, schrecklichen Ausdrucksfehlern und obendrein ohne echtes Fachwissen.

Worauf diese Seiten aus sind: Möglichst viele Klicks auf die Anzeigen. Die Seite soll von Leuten gefunden werden (daher der Linktausch, um Leser zu bringen), diese sollen dann von gewissen Themen angefixt werden (aber nicht zuviele Infos finden) und sich in Folge in der Hoffnung auf mehr Infos bei den Anzeigen zu weiteren Seiten und Shops usw. durchklicken, was Geld und bei Kauf sogar Provision für die weiterleitende Seite bringt.

Für mich schreit das Ganze sofort „unlauter“, denn das Systen nutzt die Idee der Werbeklick-Vergütung mit dümmlicher Motivation aus. Eine Analogie zu solchen Webseiten in der Wirklichkeit sind die abgerissenen Typen, die z.B. in den USA auf Flughäfen rumlungern und frisch Gelandeten ihre Partnerkaschemme als Hotel anpreisen (ob diese das hören wollen oder nicht, ist denen dabei egal), um dann ein paar Dollar Provision kassieren zu können. Werbung um der Werbung Willen also, zum puren Selbstzweck, absolut unterste Schublade. Kein Mensch mit Rückgrat würde ernsthaft so ein Feld auch nur als fünftes Standbein jemals in Betracht ziehen.

Meine Seite der Angelegenheit ist jedoch ein genausowichtiges Argument: Ich freue mich, wenn mein Blog Leser hat. Ich will aber nicht einfach nur irgendwelche Leser, kaum mehr als hirnlose Klicksklaven, sondern ich will die Leser, die diesen Blog hier finden, auf ihn stoßen, von ihm erzählt bekommen. Kritische Menschen mit den verschiedensten Meinungen, die austeilen und einstecken können, mit denen ein veritables Tjosten in den Kommentaren ein intellektuelles Vergnügen ist. Menschen, deren unterschiedliche, aber stets fundierte Ansichten man respektieren und mit denen man im wirklichen Leben problemlos auskommen kann.

Ich werde bestimmt nicht die treuen Leser meines Nischenangebotes (es sind vergleichsweise wenige, aber dafür kommen sie wieder) vergraulen, indem ich ihnen grenzdebile Schmuck-, Gesundheits-, oder Gartengestaltungswebseiten ohne jegliche Individualität ans Herz lege („Tibet Style„, mich dreht’s gleich). Und im Gegenzug soll ich dann auch noch Busladungen von Leuten begrüßen, die eine Klickfarm nicht von einer Webseite mit Herzblut unterscheiden können? Nicht wirklich, echt.

Also, liebe Onlinemarketingsuchmaschinenoptimierwebzweinullsocialmediaundsoweitermanager, ich lehne dankend ab. Ich verlinke auf das, was mir gefällt, und wenn mir eines Eurer Angebote gefallen und thematisch hier irgendwie hineinpassen sollte (was bis jetzt noch nicht der Fall war), dann verlinke ich auch gern dorthin. Ihr könnt gerne auf mich verlinken, denn dies ist ein freies Land (leider noch kein freier Planet), aber bitte schminkt Euch ab, dass ich die lansgam gewachsenen Sympathien der Stammleser dieses Blogs verschleudere, indem ich zu einer von Euren Kackseiten verlinke. Nehmt es mir bitte nicht persönlich, aber ich pisse ja auch nicht in meine Badewanne.

Ich denke ja sowieso, dass alle, die glauben, mehr Friends auf Fecesbook, mehr Klicks auf der Webseite und so weiter wären was Gutes, nicht mehr alle Kerzen am Christbaum haben. Nichtmal mehr Geld auf dem Konto ist was Gutes. Zu wenig bzw. nicht genug ist schlecht, bei Klicks wie Friends wie echten Freunden wie auch bei Geld, aber zuviel verwässert die Sache. Hätte ich 100 Millionen Euro, könnte ich ein Leben im Luxus führen und würde schätzungsweise doch nur 5 bis 10 davon wirklich brauchen. Hätte ich 100 Freunde, wären 95 zu Recht sauer, weil ich kaum Zeit mit ihnen verbringen könnte. Das ist doch surreal. Dieses Blog ist für die, die es interessiert. Und wenn das nur ein einziger Mensch ist, hat sich’s schon gelohnt.

3 Gedanken zu „Linktausch-Manifest“

  1. Dann werte ich diesen Blog-Post wohl als ein NEIN zu meiner Anfrage auf Twitter ;^)
    Ich möchte nur noch betonen, dass meine Intention bei Link und Backlink im Rahmen des Blog-Coop keine unlautere ist. Es ist nur der Versuch, Seiten mit ähnlichen Themen zu bündeln und den Lesern die Möglichkeit zu geben, ihren Blogging-Horizont zu erweitern.

  2. Du warst nicht gemeint, ich hatte noch eine andere Anfrage und die hat das ausgelöst. Du bist ja vom Thema, ich melde mich eh noch… Bitte entschuldige, falls Du Dich jetzt angegriffen gefühlt haben solltest!

  3. Ich biete auf meiner Webseite selbst einen Linktausch an und habe noch nie oder zumindest extrem selten derart komisch Anfragen erhalten…. Hierher bin ich durch Google gekommen über die Suche nach „Linktausch“. Das war aber wohl nicht die Absicht dieses Artikels. -_-

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