Hier in München fanden die Pressevorführungen schon immer (zumindest, seit ich dabei bin) in hauptsächlich drei Schienen statt:
- Die 11-Uhr-Vorführung kommt der bayerischen Gemütlichkeit entgegen (in anderen Städten geht’s meist schon um 10 Uhr los, hier kommt man wenigstens noch zum frühstücken),
- 13:30 Uhr ist ideal, um vorher noch einen leichten Lunch zu sich zu nehmen, aber auch, um im Anschluss nicht zu früh und nicht zu spät einen schönen Kaffee genießen zu können,
- und 16 Uhr ist großartig, weil man noch früh genug aus dem Kino kommt, um nötigenfalls noch ein paar Einkäufe zu erledigen. Wer erst zur 16 Uhr-Vorführung anreist, kann fast einen ganzen Tag vorher nutzen; und auch können sich Kollegen, die tagsüber in artverwandten (oder gar artfremden) Jobs festsitzen, bisweilen für diesen Termin loseisen. Uns geht’s also gut in München.
Zur Abrundung des Kino-Potpourri gibt es jedoch noch ein paar zusätzliche Optionen für die Veranstaltung von Pressevorführungen:
- Die Vorverlegung des ersten Films auf 10:30 oder gar 10 Uhr bei Überlänge ist nicht unbekannt.
- Auch gab es schonmal mindestens eine PV um 9 Uhr (also im Morgengrauen), ein Zeitpunkt, zu dem Feuilletonisten erfahrungsgemäß besonders aufnahmefähig sind. Zur Verteidigung sei hier erwähnt, dass es sich – so meine ich mich zu erinnern – um einen Termin für die Leute handelte, die noch einen Flug erwischen mussten, um am Nachmittag Cast & Crew in der Hauptstadt zu interviewen.
- Mancher Film wird abends um 18:30 oder 20 Uhr gezeigt. Hier gilt eigentlich noch immer die unausgesprochene Regel, dass eine Begleitung für Abendvorstellung (alles, was nach 18 Uhr anfängt) automatisch erlaubt ist, was jedoch oft genug durch eindeutige, meist harsche Formulierungen in den Einladungen unterbunden wird.
- In seltenen Fällen gibt es sogar Pressevorfühurngen um 18:30 und 21 Uhr, also sozusagen ein Double Feature, auch 23 Uhr für einen Horrorfilm (der dadurch nicht besser wurde) ist schon vorgekommen.
- Manche Verleiher veranstalten ab und zu Matinees, also Samstag oder Sonntag gegen 12, wo man dann mit der ganzen Familie aufschlagen und einen Kinderfilm gucken kann.
Man könnte also sagen: In einer normalen Arbeitswoche ist der Kalender des Filmjournalisten von 11 bis ca. 18 Uhr geblockt, Montag bis Freitag, das macht also Platz für 15 Filme. Pro Monat kommt dann noch im Schnitt ein Abendtermin hinzu, und pro Quartal eine Matinee. Soviel mein subjektives Empfinden für die Zeit von 1997 bis Ende 2009.
Der Zeitaufwand pro (nichtmarginale) Filmkritik beträgt ca. 2 Stunden. Dazu kommen nochmal 2 Stunden Film, und wenn man die oft nicht unbeträchtlichen Fahrzeiten (man guckt ja nicht jeden Film und steht bei drei Stunden Pause sicher nicht im Foyer umher) außer Acht lässt, kommt der Filmkritiker also auf 4 Stunden Arbeit pro Film.
(Das erlaubt ihm 10 Filme pro Woche, was den Preis einer Filmkritik bei einem würdigen Gehalt von € 2500 netto im Monat ohne Weihnachtsgeld bei ungefähr 105 Euro ansetzt. Doch dort wollte ich gar nicht hinrechnen.)
Sieht sich der Filmjournalist alle 15 Filme einer Woche an, hat er für 60 Stunden Arbeit, was viel ist, zumal kreatives Schreiben nicht dasselbe ist wie die meisten anderen Jobs. Sieht sich der Journalist drei Filme eines Tages an und kommt um 19 Uhr nach Hause, hat er noch sechs Stunden Arbeit an der Tastatur vor sich.
Nun ist es unrealistisch, dass ein Journalist tatsächlich jeden Tag jeder Woche über jeden Film schreibt: Allein schon, weil nicht wenige Filme ja mehrmals gezeigt werden und es zum Glück aufgrund eines eigentlich sehr wackeligen Koodrinierungssystems nur selten zu Kollisionen kommt. Auch schwirrt einem schon nach drei Filmen oft genug der Kopf, dass man sich besser Notizen macht, welcher Gag in welchem Film gesessen hatte und wo dies eher nicht funktioniert hatte. Keinesfalls rechtfertigt das jedoch die Verlängerung unserer Arbeitszeiten.
Denn Pressevorführungen sind Arbeitszeit. Das Kino ist unser Arbeitsplatz. Die Sichtung eines Films ist Arbeit. Dass die allermeisten von uns gern ins Kino gehen und sich dieses Hobby mit Freude zum Beruf gemacht haben, ist irrelevant. Wir sind in der Arbeit.
Doch gerade Abendvorstellungen werden vom Veranstalter scheinbar ganz gern als eine Art Event gesehen. Man möchte uns damit wohl meistens vermitteln, es handele sich um einen ganz besonderen Film, der eine Abendvorstellung verdiene. Meistens gibt es Häppchen zur Stärkung (nichts dagegen einzuwenden), oder auch mal zum Film passende Cocktails (zum Beispiel Bloody Mary zu Horrorfilmen), die Veranstalter geben sich wirklich redlich Mühe.
Doch trotz aller Lieb-Gemeintheit: Es ist Arbeitszeit am Abend, die mir da gegeben wird. Ich bin Filmkritiker, ich kann einen Film auch morgens um elf (und ohne Cocktail) beurteilen, dafür muss man meinen Arbeitstag nicht um ein Drittel verlängern.
Nun würde ich das nicht weiter bloggen, denn Abendvorstellungen ab und zu sind schon okay. Doch das Jahr ist noch keine drei Wochen alt, und mir liegen bereits fünf PV-Termine um 18:30 Uhr vor, drei davon gestern, heute und morgen, ein weiterer kommende Woche. Der fünfte liegt in der zweiten Februarwoche, also noch weiter weg. Die vier aktuellen jedoch finden alle an Tagen statt, die alle zur 11-Uhr-Schiene beginnen und gut gefüllt sind.
Ist dies nun die Kompensation für die zwei freien Wochen rund um Weihnachten oder die Bugwelle der kommenden Berlinale? Wird sich das von alleine geben oder wird es ein neuer Trend, zwei Überstunden pro Tag anzusetzen? Wir werden sehen.
Ich jedenfalls möchte meine Arbeit gut machen, daher schreibe ich nur, wenn ich „mich danach fühle“ (zum Glück ist das verhältnismäßig oft), und dafür brauche ich halbwegs geregelte Arbeitszeiten. Es ist holprig genug, sich als Selbständiger ohne Lohngewissheit durchs Leben zu powern, als dass ich auch noch jubilierend nach drei Filmen einen vierten mitnehmen müsste. Und dann um halb zehn heimzukommen und sich an das Schreiben von vier Filmkritiken zu machen – oder diese auf andere, ähnlich vollbesetzte Tage zu verschieben. Wenn man stark gefragt ist, natürlich nur.
Das wird nicht besser. Diese Woche hattest Du einen 18:30 Termin gar nicht (gestern Donnerstag) und die kommende Woche sind ebenfalls schon Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag belegt. Aber solange der Freitag frei bleibt, dann kann man wenigstens noch Lebensmittel für die gesamte folgende Woche einkaufen…
Hier in Stuttgart gab es, seit ich „dabei bin“, gerade mal ein oder zwei Abendtermine – ansonsten das von Dir genannte, 10h oder 12.30h, hin und wieder auch 15h. Mir wäre es nur lieber, wenn die Verleiher öfter ihre PVs so legen würden, dass man nicht jeden Tag wegen eines Filmes kommen muss, sondern – wie in Deinem genannten Falle – gleich drei pro Tag mitnehmen kann. Ich habe immerhin 25km zum PV-Ort zurückzulegen, da überlegt man sich doch zwei Mal, ob man den Film besucht.
@Stefan: Du hast natürlich recht. Immer wieder gibt es auch in München tagsüber Lücken, so dass man quasi-obdachlos durch die Stadt streifen muss, weil gerade kein Termin ist. Eine ordentliche Koordinierung (auch bezüglich der Filmlänge und der Kinos) wäre vonnöten.
Zur Ergänzung: Am vergangenen Dienstag (2.2.10) gab es doch glatt fünf Termine. 11 Uhr, 13:30 Uhr, 16:00 Uhr, 18:15 Uhr und 21:00 Uhr. Hätte ich die alle sehen müssen…
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