Tannöd

Der erste Tannöd-Film dieses Jahr war zwar eine Katastrophe, der hiess Hinter Kaifeck, aber in seinem unvoreingenommenen Dilettantismus war er doch deutlich origineller, ja innovativer. Der ließ die Tannöd-Geister ohne direkte Ursache und viel später wieder auferstehen, parapsychologisch gewissermassen.

Bettina Oberli dagegen betätigt sich vornehmlich als Malerin eines barocken Deckengemäldes aus Fratzen, Hexen, Krüppeln, derben bayerischen Figuren, Mägden, Knechten, Inzüchtlern, Behinderten und Irren.

Dazwischen kommt immer wieder die gespenstische Musik des Waldes, wild sich bewegende Baumstämme- und wipfel, aus Untersicht aufgenommen, choralhafte, das Böse beschwörende Waldmusik. Sehr barock, sehr heftig. Die ist schön

Wenn jetzt noch die passende Geschichte dazu da wäre. Die aber fehlt.

Julia Jentsch stolpert zwar durchs Bild. Sie bildet sozusagen den Leitfaden der so gut wie nicht vorhandenen Narrative. Sie kehrt zur Beerdigung ihrer Mutter, die die Tochter nie umarmt hatte und ablehnte, weil sie ein Bastard war, aus der Stadt in ihr Heimatdorf, das grauenhafte, zurück.

Für Verwirrung sorgt nicht nur, dass sie selbst zusehends zur Irren in dieser irren Einödwelt wird, für Verwirrung sorgt auch die Perspektive der Geschichte, die allwissend – genauso sorglos changiert zwischen dem Bebildern von Szenen der Getöteten kurz vor ihrem Ableben, vom Mord und dessen Entdeckung und von zwei Jahren später und da geht es genau so heftig und derb und hexisch und inzüchtlerisch zu.

Das Wirre hebt sich in diesem Film nicht ab von Klarem. Das Wirre geht in Wirrem unter.

Das Gemälde von Frau Oberli suggeriert eine vollkommen verkommene und zurückgebliebene Dorfgesellschaft, in der so ein Massenmord offenbar genau so selbstverständlich ist wie der Fick des Vaters oder des Onkels mit der jungen Frau.

Sogar die Entdeckungsszene wird nachgezeichnet. Ganz laut schreiend springt dann ein junger Mann durchs Dorf, wie von Hornissen gestochen.

Für die Gemäldehaftigkeit sorgt mit bedeutendem Anteil die Kamera von Stéphane Kuthy. Die ist sagenhaft schön. Sie entdeckt auch immer wieder idyllische Kleinode, ein kleines Holzpferdchen, eine Frau, die sich um ein Kälbchen sorgt, eine bedeutungsvolle Griffelschachtel.

Im übrigen wird ein himmelschreiend gecoachtes Bayerisch gesprochen. Dies dürfte jedoch nicht das Hindernis für eine allfällige internationale Auswertung sein, dies liegt viel mehr an der Erzählstruktur, die keine Spannung aufkommen lässt.

Was will uns Frau Oberli erzählen? Ach wäre doch Frau Oberli bei ihren Herbstzeitlosen und den reizenden Dessous geblieben!

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